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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
UStG 1972; keine Bedenken gegen §1 Abs1 Z1 und §4 Abs1; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung im Hinblick auf Umsätze aus der Vermietung von GrundstückenSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist nach eigenem Vorbringen Steuerberater und Eigentümer eines Mietwohngrundstückes, dessen Mietobjekte zum Teil den Bestimmungen über den Kündigungsschutz nach dem Mietengesetz unterliegen. In seiner Umsatzsteuererklärung für 1974 nahm er einen Betrag von 70434,30 S in die steuerpflichtigen Umsätze nicht auf, mit der Erklärung, daß es sich hiebei um Mieteinnahmen handle, hinsichtlich welcher sich die Mieter nicht bereit erklärt hätten, die Umsatzsteuer zu tragen, und daß seiner Umsatzsteuerpflicht hinsichtlich dieses Betrages ein verfassungswidriges Gesetz zugrunde liege.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom 24. Mai 1976 schrieb das Finanzamt für den 3. und 11. Bezirk in Wien unter Berufung auf ArtXII Z2 des Bundesgesetzes über die Einführung des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. 224/1972 (EGUStG 1972), Umsatzsteuer auch hinsichtlich dieses Betrages vor.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld., Senat V, mit Berufungsbescheid vom 18. Feber 1977, Z 6-2879/1/76, als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mittels welcher der Beschwerdeführer behauptet, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.
Der Beschwerdeführer billigt zu, daß der angefochtene Bescheid der geltenden Gesetzeslage entspricht. Er beruhe jedoch auf einer wegen Verfassungswidrigkeit aufzuhebenden Gesetzesbestimmung, nämlich dem ersten Satz des ArtXII Z2 EGUStG. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei durch die Vorjudikatur die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung keineswegs dargetan. Die Entscheidung des VfGH B78/74 (VfSlg. 7442/1974) habe lediglich die Frage betroffen, ob die Umsatzsteuer von Hundert oder in Hundert zu berechnen ist. Mit der Frage, ob die Bestimmung verfassungskonform ist, habe sich der VfGH "mangels Relevanz (noch) nicht" auseinandergesetzt.
Der Beschwerdeführer stützt seinen Vorwurf, daß ArtXII Z2 EGUStG 1972 verfassungswidrig sei, darauf, daß die Umsatzsteuer ihrem ganzen Wesen nach eine vom Letztverbraucher zu tragende indirekte Abgabe sei, mit der einzigen Ausnahme, die sich aus der in Frage stehenden Gesetzesstelle ergebe, wonach es im Belieben der Mieter kündigungsgeschützter Wohnungen stehe, die Umsatzsteuer zu bezahlen. Eine Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Berechtigung, bestimmte Menschengruppen gegenüber anderen besserzustellen, müsse zu dem Ergebnis führen, daß es keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, daß die Mieter kündigungsgeschützter Wohnungen hinsichtlich der Bezahlung der Umsatzsteuer bessergestellt würden als die Mieter anderer Wohnungen. Die Frage des Kündigungsschutzes sei überhaupt kein sachliches Kriterium im Zusammenhange mit der Umsatzsteuer. Es könne eine Wohnung kündigungsgeschützt sein, "ohne daß aus der Position des Mieters, des Mietzinses oder sonst ein Sozialfall vorliegt". Mit der Frage der Beendigungsmöglichkeit eines Mietvertrages sei ein vollkommen willkürliches, der Steuergesetzgebung fremdes Element hineingetragen worden, welches zu einer unsachlichen Differenzierung zwischen Staatsbürgern führe. Damit habe der Gesetzgeber inhaltlich den auch ihn bindenden Gleichheitsgrundsatz verletzt, sodaß der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung beruhe.
Der Beschwerdeführer stellt daher den Antrag, der VfGH wolle - nach Aufhebung der genannten Gesetzesstelle - den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte aufheben.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der Beschwerdeführer behauptet, daß die im angefochtenen Bescheid angewendete Bestimmung des ArtXII Z2 erster Satz EGUStG 1972 wegen Verstoßes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot verfassungswidrig sei.
Die belangte Behörde vermeint, der VfGH habe über die Unbedenklichkeit der vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig erachteten Norm bereits mit Erk. VfSlg. 7442/1974 entschieden; diese Entscheidung besitze, wie sich aus dem Erk. VfSlg. 7748/1976 ergebe, Rechtskraftwirkung nicht nur gegenüber dem (seinerzeitigen) Beschwerdeführer, sondern nach allen Seiten.
b) Das Gleichheitsrecht kann durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt werden, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde den dem Bescheid zugrunde gelegten Rechtsvorschriften einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn die Vorschrift - ihre Gleichheitssatzwidrigkeit hervorrufen würde, oder wenn die Behörde Willkür geübt hat (VfSlg. 5931/1969, 5947/1969).
Vorerst ist den Ausführungen des angefochtenen Bescheides - abgesehen davon, daß das Erk. VfSlg. 7442/1974 nicht in einem Gesetzesprüfungsverfahren (ein solches liegt dem Erk. VfSlg. 7748/1976 zugrunde), sondern in einem Beschwerdeverfahren gem. Art144 B-VG ergangen ist, sodaß einer Aussage des VfGH, daß er hinsichtlich anzuwendender Normen keinen Anlaß zur Einleitung eines Normprüfungsverfahrens sehe, keine bindende Bedeutung zukommt - entgegenzuhalten, daß sich das Erk. VfSlg. 7442/1974 mit der Verfassungsmäßigkeit des ArtXII Z2 erster Satz EGUStG 1972 nicht befaßt hat. In diesem Erkenntnis wurde ausdrücklich ausgeführt, daß im ArtXII Z2 EGUStG lediglich eine bürgerlich-rechtliche Regelung getroffen wird, was sich aus seinem Inhalt klar ergibt. Der VfGH führte wörtlich weiters aus: "ArtXII Z2 EGUStG 1972 regelt nämlich lediglich nur das Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter. Dafür spricht auch die Überschrift vor ArtXII und die Vollzugsklausel des ArtXV Abs3 EGUStG 1972, wonach zur Vollziehung des ArtXII der Bundesminister für Justiz betraut ist. Es ist allerdings die Annahme nicht denkunmöglich, daß bei der Bemessung der Umsatzsteuer auf diese Regelung Bedacht zu nehmen ist, aber doch nur hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhaltes, der der Besteuerung unterliegt. Für die Bemessung der Umsatzsteuer ist aber diese Bestimmung nicht präjudiziell, denn sie ist von den Finanzbehörden bei der Festsetzung der Umsatzsteuer nicht anzuwenden." Der VfGH hatte sie daher bei der Entscheidung in der Rechtssache VfSlg. 7442/1974 nicht anzuwenden, sodaß die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung dieser Gesetzesstelle von Amts wegen schon wegen des Fehlens der Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität nicht in Betracht kam.
Dem Beschwerdeführer ist somit beizupflichten, daß das wiederholt zitierte Erk. des VfGH VfSlg. 7442/1974 einer amtswegigen Prüfung dieser Gesetzesstelle durch den VfGH nicht entgegenstehen würde, wenn sie bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites anzuwenden wäre und verfassungsrechtliche Bedenken hiebei entstehen sollten. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß auch im vorliegenden Rechtsstreit ArtXII Z2 EGUStG 1972 aus dem gleichen Grunde wie im Verfahren VfSlg. 7442/1974 keine Präjudizialität zukommt. Die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung dieser Gesetzesstelle von Amts wegen kommt daher auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren schon aus diesem Grunde nicht in Betracht.
2. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß die Umsätze aus Lieferungen und Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens durchführt, der Umsatzsteuer nach §1 Abs1 Z1 UStG 1972 unterliegen. Entgelt sei alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (§4 Abs1 UStG 1972). Nach §10 Abs2 Z5 leg. cit. betrage die Steuer für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken acht vH der Bemessungsgrundlage. Außer Streit stehe, daß der Beschwerdeführer Unternehmer ist und Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken erzielt.
Gegen diese im vorliegenden Beschwerdefall präjudiziellen Bestimmungen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche wurden auch nicht vorgebracht.
Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Normen könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn den Normen ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre oder wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Die ebenfalls behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte nur vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Nichts dergleichen wird behauptet, das Verfahren hat auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür ergeben.
3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.
Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat das Verfahren ebensowenig ergeben wie die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Umsatzsteuer, Bemessungsgrundlage (Umsatzsteuer)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B129.1977Dokumentnummer
JFT_10199771_77B00129_00