TE Vfgh Erkenntnis 1980/2/29 B434/76

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Veröffentlicht am 29.02.1980
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1972 §29 Abs2

Leitsatz

UStG 1972; keine Bedenken gegen §29 Abs2; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführerin hat nach eigenen Angaben im Jahre 1974 sechs Fahrmischer um 3769980 S angeschafft. Da für diese Fahrmischer infolge der hohen Abnutzung nur eine vierjährige Nutzungsdauer zum Ansatz kam, wurden die Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA 25%) und unter Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung (50%) und der Sonderabschreibung gem. §122 Einkommensteuergesetz 1972 - EStG 1972, BGBl. 440 (25%), im Jahre der Anschaffung zur Gänze abgeschrieben und von der Beschwerdeführerin aufgrund dessen nicht der Selbstverbrauchsteuer unterzogen. Das Finanzamt Klagenfurt vertrat demgegenüber die Ansicht, daß die in Frage stehenden Wirtschaftsgüter trotz des Umstandes, daß sie bereits im Jahre der Anschaffung zur Gänze abgeschrieben worden waren, der Selbstverbrauchsteuer zu unterziehen seien, und erhöhte demgemäß mit Bescheid vom 27. Feber 1976 im Zuge der Veranlagung 1974 die Bemessungsgrundlage für den Selbstverbrauch um die Anschaffungskosten der Fahrmischer.

2. Die Beschwerdeführerin hat gegen diesen Bescheid berufen. Sie vertrat die Ansicht, daß sich aus dem Wortlaut des §29 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. 223 (UStG 1972), iVm §109 EStG 1972 eindeutig ergebe, daß im vorliegenden Fall eine Selbstverbrauchsteuer nicht zu erheben sei.

3. Die Finanzlandesdirektion für Ktn. hat mit Berufungsentscheidung vom 12. August 1976, B 23-V-1976, die Berufung als unbegründet abgewiesen. §29 Abs2 UStG 1972 bestimme, daß nur solche Wirtschaftsgüter der Umsatzsteuer vom Selbstverbrauch unterliegen, "deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1967 im Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können". Dies treffe gem. §7 Abs1 EStG 1967 auf Wirtschaftsgüter zu, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecke. Ausgenommen seien gem. §6a leg. cit. lediglich sogenannte "geringwertige Wirtschaftsgüter", das sind solche, deren Wert 2000 S nicht übersteigt. Dies treffe auf die im Streitfall zu beurteilenden Wirtschaftsgüter nicht zu. Gem. §§109 und 122 EStG 1972 seien an die Stelle der Bestimmungen des EStG 1967 ab der Veranlagung für das Jahr 1973 "die entsprechenden Bestimmungen" des EStG 1972 getreten. Hierunter könnten nur solche verstanden werden, die im EStG 1967 ein Gegenstück haben. Da die Bestimmung im EStG 1967 kein Gegenstück habe, werde sie von der Übergangsregelung des §109 EStG 1972 nicht erfaßt. In der Berufungsentscheidung wird weiters darauf verwiesen, daß nach §29 Abs9 UStG 1972 die Steuerschuld beim Selbstverbrauch mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem der Verwendungstatbestand erfüllt werde, entstehe. Die somit bereits während des Jahres entstandene Steuerschuld könne nicht durch nachträgliche Maßnahmen am Jahresende beseitigt werden. Auch die Absicht des historischen Gesetzgebers (145 BlgNr, XIII. GP) und der Sinn und Zweck der Regelung sprechen nach Ansicht des Berufungssenates dafür, daß nur geringwertige Wirtschaftsgüter von der Selbstverbrauchsteuer ausgenommen seien, da dies der Zielsetzung der Übergangsregelung, für das Anlagevermögen einen Investitionsstopp im Übergangszeitraum möglichst weitgehend hintanzuhalten, entspreche.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ergebe sich schon aus dem "klaren Wortlaut" des §29 Abs2 UStG 1972 bei richtiger rechtlicher Auslegung, daß die unter Zuhilfenahme der Sonderabschreibung gem. §122 EStG 1972 bereits im Jahre der Anschaffung voll abgeschriebenen Wirtschaftsgüter von der Selbstverbrauchsteuer ausgenommen seien. Der Wortlaut des §29 Abs2 UStG 1972 beschränke die Freiheit von der Selbstverbrauchsteuer nicht ausdrücklich auf geringwertige Wirtschaftsgüter iS des §6a EStG 1967. Hätte der Gesetzgeber eine solche Beschränkung gewollt, so hätte er dies in den Gesetzestext aufgenommen. Die belangte Behörde übersehe des weiteren, daß es auch andere als geringwertige Wirtschaftsgüter gebe, die auch ohne Sonderabschreibung gem. §122 EStG 1972 bereits im Jahre der Anschaffung voll abgeschrieben werden könnten, zB, da einer weiteren Nutzung technische Entwicklungen entgegenstehen. Rechtswidrig seien auch die Ausführungen des angefochtenen Bescheides, daß das EStG 1967 keine dem §122 des EStG 1972 "entsprechende" Abschreibemöglichkeit enthalte. Gerade der Umstand, daß §109 EStG 1972 das Wort "entsprechend" verwendet, bedeute nach dem reinen Wortsinn die Vergleichbarkeit. Stoll (ÖStZ 1974, S 231) bemerke richtig, daß §122 EStG 1972 nichts anderes als eine Ausweitung des §8 EStG 1972 in ziffernmäßiger Höhe bedeute. Gerade das Wort "gilt" im §122 EStG 1972 beziehe diese Form der Abschreibungen eindeutig den im EStG 1972 vorgesehenen Sonderabschreibungen ein. Eine "Spalterei" sei rechtlich unzulässig.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuldigkeit (Voranmeldungstag) nicht von Bedeutung. Wie Stoll bemerke, beziehe sich das Wort "Kalenderjahr" der Anschaffung oder Herstellung (§29 Abs2 UStG 1972) nicht auf einen Zeitpunkt, sondern auf einen Zeitraum. Demnach komme es keinesfalls auf den Voranmeldungszeitpunkt an.

Auch nach den Gesetzesmaterialien zeige sich, daß die Absicht des Gesetzgebers nicht darauf gerichtet war, nur geringwertige Wirtschaftsgüter von der Selbstverbrauchsteuer auszunehmen. In den stenographischen Protokollen des Nationalrates (145 BlgNR, XIII. GP) laute es ausdrücklich: "Soweit im Jahre der Anschaffung oder Herstellung nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften eine volle Abschreibung möglich ist". Nur in Klammer - als Beispiel - seien die Worte: "... (geringwertige Wirtschaftsgüter) liegt kein Selbstverbrauch vor ..." angefügt.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin werde auch nicht dadurch widerlegt, daß danach alle beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, welche eine nur vierjährige Nutzungsdauer aufweisen, von der Selbstverbrauchsteuer befreit seien. Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung sei ja ein freiwilliger Akt und kein gesetzlicher Zwang. Sonderabschreibungen seien eben ein staatlicher Impuls, der durch die sich daraus ergebende Befreiung von der Selbstverbrauchsteuer noch verstärkt werde.

5. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. §29 UStG 1972 enthält eine das Anlagevermögen betreffende Übergangsregelung und bestimmt in Abs2 und 7, daß ua. im Kalenderjahr 1974 auch der Selbstverbrauch der Umsatzsteuer unterliegt und daß die Steuer hiefür in diesem Jahr 9 vH der Bemessungsgrundlage beträgt.

Im Anwendungsbereich des EStG treten gem. §109 die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes an die Stelle der im §29 Abs2 UStG 1972 bezogenen Vorschriften des EStG 1967.

2. Daß gegen diese Bestimmungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der VfGH in den Erk. VfSlg. 7513/1975, 7864/1976 und zuletzt mit Erk. vom 23. September 1978 B240/76 ausgesprochen. Die Beschwerdeführerin bringt nichts gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen vor, auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles sind Bedenken nicht entstanden.

Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides kann die Beschwerdeführerin im Eigentumsrecht nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hat (VfSlg. 6977/1973, 7212/1973); im Gleichheitsrecht wäre die Beschwerdeführerin nur dann verletzt, wenn die Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte (VfSlg. 7558/1975, 7996/1977). Für die Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes oder für Willkür finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgeschehen und die eingehende Begründung des angefochtenen Bescheides zeigen, daß die Behörde bemüht war, dem Gesetz die von ihr als richtig erkannte Geltung zu verschaffen. Zu prüfen bleibt nur, ob die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hat. Auch dies ist jedoch nicht der Fall.

In seiner inzwischen zu §29 Abs2 UStG 1972 ergangenen Rechtsprechung ist der VwGH zu der Rechtsauffassung gelangt, daß "Sinn und Zweck des strittigen Tatbestandselementes, wie er aus den Gesetzesmaterialien im Einklang mit der Zielsetzung der Selbstverbrauchsteuer hervorgeht, nämlich lediglich geringwertige Wirtschaftsgüter vom Selbstverbrauchtatbestand des §29 Abs2 UStG 1972 auszunehmen, in der Formulierung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung erkennbaren Ausdruck gefunden hat" (VwGH 19. 4. 1977 Z 1596/76, sowie das Erk. gleichen Datums Z 689/75). Der VwGH verwies insb. auch darauf, daß seine Auffassung, nur geringwertige Wirtschaftsgüter seien vom strittigen Tatbestandsmerkmal des §29 Abs2 UStG 1972 nicht erfaßt, sich auch im Schrifttum wiederholt finde, so bei Egger - Samer, Umsatzsteuergesetz 1972, S 119; Weiler, Investitionssteuer, SWK 1972 A II 65 ff.; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1972, Anm. 1 zu §29; Doralt - Hassler - Sauerland, Die österreichische Umsatzsteuer, S 259;

Hassler, Übergangsregelung für das Anlagevermögen, ÖStZ Nr. 1/1973;

Kranich - Siegl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Randziffern 47 ff. zu §29, sowie Mehrwertsteuerhandbuch, S 456 und 465; Huemer,

Die Besteuerung des Selbstverbrauches anhand von Beispielen, Finanzjournal Nr. 1/1974; Waba, Selbstverbrauchsteuer-Sonderabschreibung gem. §122 EStG 1972, ÖStZ Nr. 18/1974 uam. Der VwGH führte aus, er verkenne nicht, daß auch gewichtige Stimmen für einen gegenteiligen Standpunkt ins Treffen geführt werden könnten, so Stoll, Selbstverbrauchsteuerpflicht bei Vollabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahre der Anschaffung oder Herstellung, ÖStZ Nr. 20/1974, sowie Ruppe, Selbstverbrauchsteuerpflicht bei Sonderabschreibung gemäß §122 EStG, SWK 1974 A II 39 ua. Der VwGH sehe jedoch durch "diese gewiß beachtlichen Gegenmeinungen seine Auffassung nicht entkräftet, daß im gegebenen Rahmen nur eine Ausnahme für geringwertige Wirtschaftsgüter dem Sinn der Besteuerung des Selbstverbrauches gerecht wird, wobei diese Ansicht des Gesetzgebers nicht nur in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt, sondern nach Ansicht des Gerichtshofes auch aus dem Gesetzeswortlaut hinreichend deutlich erkennbar ist."

Der VfGH hat zu dieser Rechtsprechung des VwGH mit Erk. vom 26. Juni 1979 B471/76 ausgeführt, es könne nicht die Rede davon sein, daß die belangte Behörde, die im angefochtenen Bescheid zur selben Auslegung des Gesetzes gelangt ist wie später der VwGH, das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß das Erk. des VwGH nicht ohne Kritik geblieben ist (s. Gaier, "Investitionssteuerpflicht trotz Vollabschreibung", SWK 1977, S 49 f.).

Diese Ausführungen besitzen auch für den vorliegenden Fall Geltung. Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden ist.

3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Umsatzsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B434.1976

Dokumentnummer

JFT_10199771_76B00434_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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