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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Oö. Gemeindeordnung 1965; keine Bedenken gegen §34 Abs5; Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einer Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt betreffend Sitzungsgelder; Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung des §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Verordnungsprüfungsantrag sowie der Gesetzesprüfungsantrag werden zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt, OÖ, beschloß in seiner Sitzung vom 8. Feber 1974 nachstehende (in der Folge durch Anschlag an der Amtstafel kundgemachte) Verordnung:
"Auf Grund des §34 Abs4 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1965, LGBl. Nr. 45, in der Fassung der Novellen LGBl. 39/1969 und 34/1973 wird verordnet:
§1
(1) Für die Teilnahme an Sitzungen des Gemeinderates, seiner Ausschüsse sowie des Stadtrates gebührt jedem Mitglied (Ersatzmitglied) des Gemeinderates sowie jenen Mitgliedern des Stadtrates, denen nach den Bestimmungen des §34 Abs2 und 3 der Oö. Gemeindeordnung 1965, LGBl. Nr. 45, i.d.F. LGBl. 39/1969 und 34/1973 eine Aufwandsentschädigung nicht zukommt, ein Bauschbetrag (Sitzungsgeld) von S 120,- je Sitzung des Gemeinderates und je Sitzung des Stadtrates, S 80,- je Sitzung eines Ausschusses des Gemeinderates.
(2) Das Sitzungsgeld erhöht sich in Zukunft im gleichen prozentuellen Ausmaß, in dem die Bezüge der Beamten im öffentlichen Dienst erhöht werden.
§2
Das Sitzungsgeld ist halbjährlich im nachhinein jeweils am 10. Jänner und 10. Juli auszuzahlen.
§3
Die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung beginnt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag."
2. Mit Schreiben vom 5. August 1974 teilte das Stadtamt der genannten Stadtgemeinde dem Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Stellung als Mitglied des Gemeinderates eine Abrechnung der ihm gebührenden Sitzungsgelder für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1974 mit dem Beifügen mit, daß ihm der Gesamtbetrag am 10. August 1974 im Wege eines bezeichneten Geldinstitutes angewiesen werden werde.
Der Beschwerdeführer vertrat hiezu in einer Eingabe vom 8. August 1974 den Standpunkt, daß das gesetzlich statuierte Verbot, auf Sitzungsgelder zu verzichten, verfassungswidrig sei, und beantragte die Erlassung eines Feststellungsbescheides dahin, daß er "auf die Annahme des Sitzungsgeldes nicht verzichten" (könne).
Mit Bescheid vom 31. Jänner 1975 sprach der Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwanenstadt aus, daß dem Beschwerdeführer ein betragsmäßig bestimmtes Sitzungsgeld gebühre sowie daß auf diese Entschädigung aufgrund des §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965, LGBl. 45/1965, idF LGBl. 34/1973 nicht verzichtet werden könne.
Gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters erhob der Beschwerdeführer Berufung, über die der Gemeinderat mit Bescheid vom 18. April 1975 entschied. Er änderte anläßlich dieses Rechtsmittels den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich der Höhe des gebührenden Sitzungsgeldes ab und gab im übrigen der Berufung keine Folge.
3. Die Oö. Landesregierung wies die sodann vom Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid ergriffene Vorstellung mit Bescheid vom 21. April 1976 ab. Unbestritten sei im Verfahren geblieben, daß der dem Beschwerdeführer gebührende Bauschbetrag für die Teilnahme an Gemeinderatssitzungen und Sitzungen von Ausschüssen des Gemeinderates hinsichtlich der Höhe den Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 8. Feber 1974 entspreche. Wenn der Beschwerdeführer geltend mache, daß die Bestimmung des §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965 verfassungswidrig sei, so wendet er sich im Grund nicht gegen die Anwendung der bezüglichen Bestimmungen der genannten Verordnung, sondern vielmehr gegen das sie tragende Gesetz selbst. Auf das gegen den Inhalt eines geltenden Gesetzes gerichtete Vorbringen im einzelnen einzugehen, sei der Vorstellungsbehörde jedoch verwehrt.
4. Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde an den VfGH mit dem Antrag, diesen Bescheid aufzuheben. Unter einem begehrt der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf Art140 Abs1 und 139 Abs1 B-VG, der "Verfassungsgerichtshof wolle die Bestimmung des §34/5 der Oö. Gemeindeordnung und die Verordnung der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 8. 2. 1974 insoweit als verfassungswidrig aufheben, als in diesen Verordnungen bestimmt wird, daß ein Gemeinderat auf die Auszahlung des Sitzungsgeldes nicht verzichten könne und er daher gezwungen werden kann, solche Sitzungsgelder anzunehmen".
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Verordnung vom 8. Feber 1974 sowie die Bestimmung des §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965 insoweit verfassungswidrig seien, als hierin bestimmt werde, daß ein Mitglied des Gemeinderates auf die Annahme des Sitzungsgeldes nicht verzichten und daher gezwungen werden könne, das Sitzungsgeld gegen seinen Willen anzunehmen. Ebensowenig wie ein Mitglied des Gemeinderates gezwungen werden könne, eine Entschädigung wegen der Ausübung eines Ehrenamtes zu beanspruchen, könne es nicht gezwungen werden, einen Bauschbetrag anstelle von Barauslagen bzw. eines Verdienstentganges anzunehmen. §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965 stehe mit dem Sinn und Zweck der Abs1 bis 4 dieses Paragraphen in Widerspruch.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Wie sich aus dem Zusammenhalt der Beschwerdeausführungen ergibt, will der Beschwerdeführer, wenn er vom "Recht auf Freiheit der persönlichen Entscheidung", vom "Recht des Staatsbürgers auf persönliche Freiheit" sowie vom "Recht der persönlichen Freiheit und Entscheidung" spricht, nicht etwa eine Verletzung verschiedener verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend machen; es liegt vielmehr eine unterschiedliche (zum Teil wohl auf bloßen Flüchtigkeiten beruhende) Bezeichnung eines einzigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes vor, das nach der Annahme des Beschwerdeführers (insb.) die Dispositionsfreiheit in Ansehung bestimmter Aufwandsentschädigungen verbürgt. Zu dieser nicht weiter begründeten Behauptung des Beschwerdeführers, der in diesem Zusammenhang auf keine einzige Verfassungsvorschrift Bezug nimmt, genügt die Feststellung, daß die österreichische Verfassungsordnung ein Recht der vom Beschwerdeführer gedachten Art nicht enthält.
2. Der VfGH findet im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen und das Verwaltungsgeschehen auch im übrigen keinen Anhaltspunkt, der die Annahme einer Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes begründen könnte.
3. Auch eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hat offenkundig nicht stattgefunden.
Die eingangs wiedergegebene Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt enthält keine Vorschrift, die einen Verzicht auf Sitzungsgelder verbietet. Soweit der Beschwerdeführer diese Verordnung als gesetzwidrig kritisiert, geht sohin sein Vorwurf ins Leere.
Auch die Bestimmung des (durch die Nov. LGBl. 45/1979 aufgehobenen) §34 Abs5 der Oö. Gemeindeordnung 1965 (derzufolge auf näher bezeichnete Entschädigungen - darunter auf den Bauschbetrag für die Teilnahme an einer Sitzung des Gemeinderates sowie seiner Ausschüsse - nicht verzichtet werden konnte) gibt keinen Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie begründete nicht etwa - wie der Beschwerdeführer anscheinend glaubt - die Verpflichtung, eine Entschädigung der betreffenden Art tatsächlich anzunehmen, sondern normierte bloß die Unwirksamkeit eines Verzichtes, also einer auf die Aufgabe des Entschädigungsanspruchs abzielenden Willenserklärung. Einer solchen gesetzlichen Anordnung steht jedoch keine Verfassungsvorschrift entgegen, insb. nicht das Gleichheitsgebot, das dem Gesetzgeber bloß sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrt (s. zB VfSlg. 6410/1971). Daß Vorschriften des in Rede stehenden Inhalts, also ein Verzichtsverbot in Ansehung von Ansprüchen gewählter Mandatare, unter verschiedenen Gesichtspunkten - so etwa dem der Beeinflussung der Wähler durch den Wahlwerber in der Auswahl der Kandidaten - gerechtfertigt werden kann, ist evident (s. dazu schon Pitamic, Das Recht der Abgeordneten auf Diäten, in: Wiener staatswissenschaftliche Studien, 1913, S 50).
4. Die Beschwerde war sohin abzuweisen, was gem. §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden konnte.
III.1. Die weiteren, auf Art139 und 140 B-VG gestützten Anträge auf Verordnungs- und Gesetzesprüfung waren zurückzuweisen.
Was den Antrag auf Aufhebung einer Bestimmung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 8. Feber 1974 anlangt, verkennt der Einschreiter, daß - wie oben schon erwähnt wurde - diese Verordnung eine Vorschrift über ein Verzichtsverbot überhaupt nicht enthält. Dem Verordnungsprüfungsantrag liegt sohin kein geeigneter Prüfungsgegenstand zugrunde.
Was hingegen den Gesetzesprüfungsantrag betrifft, übersieht der Antragsteller die für den Individualantrag iS des Art140 B-VG geforderte Voraussetzung, daß das angefochtene Gesetz für die antragstellende Person (insb.) ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Daß dies hier nicht zutrifft, bedarf im Hinblick auf den normativen Inhalt des angefochtenen Bescheides keiner weiteren Erörterung. Dem Einschreiter fehlt sohin die Antragslegitimation.
Schlagworte
Rechte verfassungsgesetzlich gewährleistete, Gemeinderecht, VfGH / Sachentscheidung Allg, Bezüge für Mandatare, Verzicht (Bezüge), VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B255.1976Dokumentnummer
JFT_10199771_76B00255_00