Index
32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Umsatzsteuergesetz 1972; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Auslegung des §23Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Dem Beschwerdeführer wurde für das Kalenderjahr 1973 Umsatzsteuer in der Höhe von 9010,32 S vorgeschrieben. Nach Abzug der Vorsteuern von 9163,14 S verblieb eine Umsatzsteuer-Gutschrift von 153 S. Einen Kürzungsbetrag gem. §23 UStG 1972 rechnete das Finanzamt nicht ab.
Die vom Beschwerdeführer wegen der Nichtanwendung des §23 UStG 1972 erhobene Berufung wies die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. mit Bescheid vom 6. Dezember 1976 als unbegründet ab.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den VfGH, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gem. §23 Abs1 UStG 1972 in der für das Veranlagungsjahr 1973 geltenden Fassung sind Unternehmer, deren Gesamtumsatz (§17 Abs5) den Betrag von 150000 S nicht übersteigt, berechtigt, die für den Veranlagungszeitraum zu entrichtende Steuer nach Maßgabe des Abs2 zu kürzen. Nach Abs2 beträgt das Ausmaß der Kürzung bei einem Gesamtumsatz von mehr als 100000 S, aber nicht mehr als 150000 S, 10 vH. der Steuer, die der Unternehmer für den Veranlagungszeitraum zu entrichten hat.
2. Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtene Bescheid sei deshalb verfassungswidrig, weil die belangte Behörde einer verfassungskonform interpretierbaren Gesetzesbestimmung einen Inhalt gebe, welcher mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar sei.
Wenn die belangte Behörde meine, unter "zu entrichtende Steuer" in §23 Abs1 UStG 1972 könne nur der nach Vorsteuerabzug verbleibende Betrag verstanden werden, dann sei es vom Zufall abhängig, ob und inwieweit die Begünstigungsbestimmung dem Kleinunternehmer tatsächlich zugute komme. Dem System des Vorsteuerabzuges sei es immanent, daß die in den Geschäftsausgaben enthaltenen Umsatzsteuerzahlungen berücksichtigt werden. Die Auswirkung der Vorsteuerbeträge sei jedoch mit Ausnahme der im vorliegenden Fall von der belangten Behörde vertretenen Version immer die Minderung der Umsatzsteuerpflicht. Nur im Falle des §23 UStG 1972 solle nach Meinung der belangten Behörde die Wirkung der Vorsteuerbeträge genau umgekehrt sein. Die in dieser Norm vorgesehene Begünstigung solle dem Vorsteuerpflichtigen umsoweniger zugute kommen, je mehr Vorsteuerbeträge er geleistet habe, wobei zu beachten sei, daß es sich bei diesen Vorsteuerbeträgen um nichts anderes handle als um eine Umsatzsteuer, die der Steuerpflichtige anderen Unternehmern ersetzt habe.
Es stehe dem Gesetzgeber sicher frei, in der von ihm geschaffenen Regelung unterschiedliche Zielvorstellungen zu verwirklichen. Die von der belangten Behörde hier vertretene Auffassung gehe jedoch über die Grenzen der Gestaltungsfreiheit hinaus. Die Abgrenzung der Begünstigungsregelung verstoße gegen das Gleichheitsgebot. Im Umsatzsteuersystem drücke sich in der grundsätzlichen Behandlung der Vorsteuerbeträge das Prinzip aus, daß die indirekt, durch Ersatz der von anderen Unternehmern geleisteten Umsatzsteuerbeträge, entrichtete Umsatzsteuer gleichermaßen die Steuerschuld tilge, wie die direkt an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes für den vorliegenden Fall wäre sachlich nicht zu rechtfertigen. Der Vorsteuerabzug sei im Prinzip nichts anderes als eine Verrechnungsmodalität. Es wäre auch denkbar, die Steuer zunächst voll zu zahlen und dann eine Rückverrechnung aus den Vorsteuerbeträgen vorzunehmen. Ein Nachteil, der von einer derartigen, bloß die Schuldtilgungsmodalität betreffenden Unterschiedlichkeit ausgehe, sei sachlich nicht zu rechtfertigen und daher gleichheitswidrig.
3. a) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8184/1977 ausgesprochen, daß gegen §23 UStG 1972 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Solche wurden vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall auch nicht geäußert.
b) Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7558/1975) im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren.
Der VfGH hat bereits in dem oben angeführten Erk. VfSlg. 8184/1977, wo ebenso wie im vorliegenden Fall die Frage strittig war, was unter dem Begriff der "Steuer, die der Unternehmer für den Veranlagungszeitraum zu entrichten hat", zu verstehen ist, ausgeführt, daß eine denkunmögliche Anwendung des §23 UStG 1972 schon deshalb nicht vorliegt, weil der Wortlaut und die Rolle des Vorsteuerabzuges im Mehrwertsteuersystem die Auffassung der belangten Behörde stützen. Daß der Ausschußbericht (382 BlgNR, XIII. GP, S 7) bloß von der steuerlichen Entlastung von Kleinunternehmen spreche und keine näheren Hinweise auf die von der belangten Behörde ins Treffen geführte besondere Zielsetzung enthalte, schließe eine solche nicht aus.
Die Auffassung der belangten Behörde, daß die zu entrichtende Steuer iS des §23 UStG 1972 jenen Umsatzsteuerbetrag darstellt, der sich nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergibt, findet ihre Stütze in der Rechtsprechung des VwGH (s. VwSlg. 4927/F, VwGH 10. 4. 1978 Z 416/78). Auch in der Literatur (s. zB Kranich - Sigl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer III, Anm. 1 bis 3 zu §23; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1972, Bd. I, S 216; Doralt - Hassler - Sauerland,
Die Österreichische Umsatzsteuer, S 233 f.) wird die Auffassung der belangten Behörde vertreten.
Es liegt somit weder eine denkunmögliche Auslegung des §23 UStG 1972 durch die belangte Behörde noch Willkür vor.
Der VfGH kann auch nicht finden, daß §23 UStG 1972 in der von der belangten Behörde angenommenen Bedeutung gleichheitswidrig wäre (s. Slg. 8184/1977).
4. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
UmsatzsteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B31.1977Dokumentnummer
JFT_10199699_77B00031_00