TE Vfgh Erkenntnis 1980/3/1 B248/79

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Veröffentlicht am 01.03.1980
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art18 Abs1
StGG Art4
StGG Art8
Vlbg SittenpolizeiG §4

Leitsatz

Vbg. Sittenpolizeigesetz; keine Bedenken gegen §4; keine denkunmögliche Anwendung dieser Gesetzesbestimmung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführerin wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vbg. Landesregierung vom 27. April 1979 schuldig erkannt, am 17. Mai 1978 in einem Haus in W. die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §18 Abs1 litc des Vbg. Sittenpolizeigesetzes, LGBl. 6/1976 (SPG), begangen zu haben. Über die Beschwerdeführerin wurde gem. §18 Abs3 dieses Gesetzes eine Arreststrafe in der Dauer von sieben Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von 8000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von sieben Tagen) verhängt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch von Kosten begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Die Beschwerdeführerin erhebt den Vorwurf, daß §4 SPG deshalb verfassungswidrig sei, weil diese Bestimmung das Verhalten der Behörde nicht in ausreichendem Maße vorausbestimme. Es werde der Vollziehung kein eindeutiger Befehl erteilt, welches konkrete Verhalten als "Unzucht" zu beurteilen sei.

b) Der VfGH hat gegen §4 SPG, der in materieller Hinsicht dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Diese Bestimmung lautet:

"(1) Die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu ist, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß §5 zugelassen sind, verboten.

(2) Soweit nicht Ausnahmen auf Grund einer Bewilligung gemäß §5 zugelassen sind, ist die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu untersagt.

(3) Gewerbsmäßig ist die Unzucht, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

(4) Anbieten im Sinne der Abs1 und 2 ist jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt."

Diese gesetzliche Regelung entspricht dem an den Gesetzgeber gerichteten Determinierungsgebot des Art18 B-VG. Es genügt, hiezu auf das hg. Erk. vom 1. Dezember 1978 B512 - 516/78, S 4, zu verweisen.

2. a) Der weitere, gegen das Gesetz gerichtete Vorwurf der Beschwerdeführerin geht dahin, daß §4 SPG ein Verhalten unabhängig davon unter Strafsanktion verbiete, ob es in die Öffentlichkeit dringt oder nicht, ob die Öffentlichkeit davon berührt oder gestört wird oder nicht. Dadurch werde Art8 MRK verletzt.

b) Auch zur Widerlegung dieses Vorwurfes genügt es, auf das hg. Erk. B512 - 516/78, S 4 f., zu verweisen; darin wird dargetan, daß §4 SPG nur solche Formen der Prostitution erfaßt, die der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung treten, und daß das Gesetz die dem Schutz des Art8 MRK unterliegende Privatsphäre gar nicht berührt.

3. a) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Beschwerdeführerin eine Freiheits- und eine Geldstrafe verhängt. Er greift daher in ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Person und auf Unversehrtheit des Eigentums ein.

Die Beschwerdeführerin macht außerdem geltend, durch ein Fehlverhalten der Behörde bei der Gesetzesvollziehung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt worden zu sein.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften (s. die vorstehenden Z1 und 2) wäre die Beschwerdeführerin in den erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nur verletzt worden, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe unzulässigerweise die Begriffe "unsittlich" und "unzüchtig" gleichgesetzt.

Wie der VfGH im mehrfach zitierten Erk. B512 - 516/78 ausgeführt hat, ist unter dem Begriff der "gewerbsmäßigen Unzucht" iS des §4 SPG die Prostitution im herkömmlichen Sinn zu verstehen, somit die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers an andere Personen zu deren geschlechtlicher Befriedigung.

Die Beschwerdeführerin kritisiert, daß die belangte Behörde angenommen habe, sie habe gewerbsmäßig Unzucht getrieben. Dieser Vorwurf weist keine denkunmögliche Gesetzesanwendung nach: Die belangte Behörde hat aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos W. vom 25. Mai 1978 festgestellt, daß die Beschwerdeführerin gegen Entgelt mit einem Mann geschlechtlich verkehrt hat. Die näheren in der Anzeige geschilderten Umstände sowie die Feststellung, daß die Beschwerdeführerin eine amtsbekannte Prostituierte sei, lassen den Schluß der belangten Behörde jedenfalls als vertretbar erscheinen, die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten gewerbsmäßig Unzucht ausgeübt.

Die Beschwerdeführerin ist daher in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht infolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung verletzt worden.

Bei diesem Ergebnis brauchte nicht untersucht zu werden, ob der angefochtene Bescheid überhaupt - wie es die Beschwerdeführerin behauptet - in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit eingreift.

4. Die Beschwerdeführerin ist sohin weder in den von ihr geltend gemachten noch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.

Die Beschwerdeführerin ist auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (s. o. II.1. und 2.).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Prostitution, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B248.1979

Dokumentnummer

JFT_10199699_79B00248_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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