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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Absperrung eines Weges durch Einschlagen von Pflöcken); EigentumsverletzungSpruch
Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß Organe der Agrarbezirksbehörde Villach am 27. und 28. Oktober 1976 durch das Einschlagen von Pflöcken und deren Verspannung mit einem Absperrstreifen den Weg über das Grundstück 280/8 KG G. abgesperrt haben, in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Agrarbezirksbehörde Villach hat ein Verfahren zur Einzelteilung der Grundstücke der Agrargemeinschaft Nachbarschaft H. (im folgenden kurz als Agrargemeinschaft bezeichnet) eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens wurden für die zu errichtenden gemeinsamen Anlagen am 27. und 28. Oktober 1976 Vermessungsarbeiten auf dem im Eigentum der Agrargemeinschaft stehenden Grundstück 280/8 KG G. durchgeführt. Über dieses Grundstück führt ein Weg, den die Beschwerdeführerin mit Wissen der Agrargemeinschaft als Zugang zu ihrem zum Teil auf dem angrenzenden Grundstück 295 KG G. errichteten Haus H. 21 benützt hat; im Zusammenhang mit den Vermessungsarbeiten wurde dieser Weg durch das Einschlagen von Pflöcken und deren Verspannung mit einem Absperrstreifen abgesperrt und der Beschwerdeführerin damit die Benützung dieses Weges unmöglich gemacht.
2. In der beim VfGH am 26. November 1976 eingelangten Beschwerde hat die Beschwerdeführerin beantragt, der VfGH möge feststellen, daß sie durch diese Absperrung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt wurde. Sie sei "dem Einzelteilungsverfahren und dem Verfahren auf Servitutenablösung nicht als Partei beigezogen worden und daher als übergangene Partei anzusehen."
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Durch die (wenn auch stillschweigende) Duldung der Benützung des beschriebenen Weges ist zwischen der Agrargemeinschaft und der Beschwerdeführerin ein prekaristisches Rechtsverhältnis entstanden, demzufolge dieses jedenfalls bis zu einem (jederzeit möglichen) Widerruf zur Benützung des Weges berechtigt war.
Am Bestande dieses Rechtsverhältnisses vermag der vom Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Umstand, daß der Beschwerdeführerin die Zufahrt und der Zugang zum Grundstück 295 und zum Haus H. 21 auf anderen über das Grundstück 280/8 führenden Wegtrassen möglich gewesen wäre, nichts zu ändern.
Weder aus dem Vorbringen der belangten Behörde noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß von der Agrargemeinschaft die von ihr geduldete Benützung des Weges gegenüber der Beschwerdeführerin widerrufen und damit das Rechtsverhältnis beendet worden wäre. In das nach diesem Rechtsverhältnis bestehende Recht der Wegbenützung ist durch die von den Organen der Agrarbezirksbehörde ausgeführten, über die Vermessung hinausreichenden Absperrungsmaßnahmen eingegriffen worden. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die auch der Agrarbezirksbehörde Villach zuzurechnen ist. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Eine auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis beruhende Berechtigung zur Benützung einer Wegtrasse als Zugangs- und Zufahrtsweg zu einem Grundstück ist, gleichgültig, ob hiefür eine Gegenleistung zu erbringen ist oder nicht, jedenfalls für den Berechtigten ein Vermögensbestandteil und somit ein privates Vermögensrecht. Als solches steht es unter dem durch Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz der Unverletzlichkeit des Eigentums. Ein durch einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde oder durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bewirkter Eingriff in ein solches Recht ist dann verfassungswidrig, wenn er ohne gesetzliche Grundlage oder aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes oder in denkunmöglicher Anwendung eines verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzes vorgenommen wird.
Die von den Organen der Agrarbezirksbehörde Villach ausgeübte Tätigkeit kann sich insoweit auf keine Rechtsgrundlage stützen, als dadurch die Benützung des Weges verhindert wurde. Demnach ist ohne gesetzliche Grundlage in ein privates Vermögensrecht der Beschwerdeführerin eingegriffen worden. Sie wurde dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Der Beschwerde war daher Folge zu geben.
Bei diesem Ergebnis brauchte auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht weiter eingegangen zu werden.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Zivilrecht, Prekarium, WegeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B490.1976Dokumentnummer
JFT_10199697_76B00490_00