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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; keine Bedenken gegen §6 Abs1 litc; keine denkunmögliche Anwendung dieser BestimmungenSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft m. b. H. mit dem Sitz in Innsbruck. Sie bezweckt "die Führung und Verwaltung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben; den Erwerb, die Pacht, die Verpachtung und die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen oder Unternehmensteilen; die Beteiligung und Übernahme der Geschäftsführung bei anderen Gesellschaften".
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat mit Kaufvertrag vom 24. September 1975 je einen Viertel-Miteigentumsanteil an den Liegenschaften EZ 55 I und 40 II, beide KG E., erworben. Als Kaufpreis wurde der Betrag von 1500000 S vereinbart.
2. Die Grundverkehrsbehörde E. hat mit Bescheid vom 11. November 1975 der Eigentumsübertragung gem. §4 Abs1 und §6 Abs1 litc und d des Tir. Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971, idF der Nov. LGBl. 6/1974 (GVG), die Zustimmung versagt. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung hat mit Bescheid vom 27. Jänner 1976 den dagegen vom Verkäufer und von der Käuferin (der Beschwerdeführerin in diesem Verfahren vor dem VfGH) erhobenen Berufungen keine Folge gegeben. Der VfGH hat mit Erk. vom 15. Juni 1977, B170/76 (= VfSlg. 8069/1977) über Beschwerde der Käuferin diesen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums aufgehoben.
Die Landesgrundverkehrsbehörde hat nunmehr mit Bescheid vom 16. Dezember 1977 nochmals über die oben erwähnte Berufung entschieden und ihr neuerlich keine Folge gegeben.
3. Gegen diesen Ersatzbescheid vom 16. Dezember 1977 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die beiden in Rede stehenden Liegenschaften weisen den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge 5,62 ha landwirtschaftliche Nutzflächen und 10,69 ha Wald auf. Mit den Liegenschaften sind außerdem Rechte verbunden, und zwar an landwirtschaftlichen Nutzflächen von 2,32 ha und an forstwirtschaftlichen Nutzflächen von 0,42 ha. Die kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile unterliegen daher gem. §1 Abs1 Z1 den Bestimmungen des GVG.
Die belangte Behörde war also zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig. Die Beschwerdeführerin wurde sohin nicht im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
2. a) Der Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde vom 27. Jänner 1976 hatte die Zustimmung zum Liegenschaftserwerb im wesentlichen mit der Begründung verweigert, daß das GVG nur den Erwerb land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke durch natürliche Personen zulasse und den Erwerb durch juristische Personen (absolut) ausschließe. Der VfGH hat mit dem diesen Bescheid wegen Verletzung des Eigentumsrechtes aufhebenden Erk. VfSlg. 8069/1977 eine solche Gesetzesanwendung als denkunmöglich erklärt.
b) Der nunmehr angefochtene Ersatzbescheid vom 16. Dezember 1977 begründet die neuerliche Verweigerung der Zustimmung zum Grundstückserwerb auf andere Weise. Die Behörde stützt den Bescheid auf §6 Abs1 litc GVG, wonach ua. einem Eigentumserwerb an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nicht zugestimmt werden darf, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke "einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb ohne zureichenden Grund entzogen bzw. jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird" Eine Selbstbewirtschaftung der Liegenschaftsanteile sei hier nicht möglich. Über die gegenständlichen Flächen bestehe ein Pachtvertrag, der ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer nicht aufzulösen sein werde. Die landwirtschaftlichen Grundstücke würden daher auch künftighin nur von den bisherigen Pächtern bewirtschaftet werden können. Aber selbst dann, wenn eine Auflösung des Pachtverhältnisses ermöglicht werden könnte, sei eine Eigenbewirtschaftung durch die Käuferin nicht anzunehmen. Diese sei eine Gesellschaft m. b. H. Ihre Geschäftsführer seien die Eheleute A. und E. K., die zwar mit landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut, jedoch aufgrund ihrer sonstigen Berufsausübungen schon zeitlich an der Selbstbewirtschaftung der Vertragsgrundstücke gehindert seien. Sie seien in F. wohnhaft, betrieben dort ein Transportunternehmen, einen Handel mit Baumaterialien sowie einen Steinmetz- und Fliesenlegerbetrieb; zudem führten sie auch ein Hotel in N. Die vertragsgegenständlichen Grundstücke seien vom Wohnort und den Orten der Berufsausübung der Eheleute K. über 150 km weit entfernt gelegen. Die Eheleute K. seien nicht einmal in der Lage, ihr eigenes landwirtschaftliches Gut in F. selbst zu bewirtschaften; sie hätten dieses vielmehr verpachtet.
Der angefochtene Bescheid wird außerdem auf §6 Abs1 litd GVG gegründet, wonach einem Rechtserwerb die Zustimmung zu versagen ist, wenn besorgt werden muß, daß "nur eine spekulative Kapitalanlage beabsichtigt ist". Dieser Versagungstatbestand liege deshalb vor, weil die Käufer die Liegenschaftsanteile nicht selbst bewirtschaften könnten. Der Kaufvertrag sei daher ausschließlich in der Hoffnung abgeschlossen worden, durch den Wertzuwachs von Grund und Boden einen Gewinn zu erzielen.
c) Der angefochtene Ersatzbescheid widerspricht nicht der vom VfGH in dem den ersten Bescheid aufhebenden Erk. VfSlg. 8069/1977 geäußerten Rechtsansicht. Eine Verfassungswidrigkeit des nunmehr angefochtenen Bescheides wegen eines solchen Widerspruches liegt sohin nicht vor.
3. Es ist jedoch zu untersuchen, ob der Bescheid aus einem anderen Grund ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt.
a) Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes mit der Begründung, daß sie vom Liegenschaftserwerb deshalb ausgeschlossen werde, weil sie eine juristische (und keine physische) Person sei.
Wie sich aus den obigen Ausführungen unter II.2.b) ergibt, wird der Bescheid nicht auf diese Weise begründet. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin gehen sohin ins Leere.
Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin aus anderen, von ihr nicht geltend gemachten Gründen im Gleichheitsrecht verletzt worden wäre, hat das Verfahren nicht ergeben.
b) In der Beschwerde wird weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht.
Dieses Recht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8069/1977) durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen wird oder wenn er gesetzlos ergangen ist, wobei die denkunmögliche Gesetzesanwendung ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.
Der angefochtene Bescheid gründet sich materiellrechtlich auf §6 Abs1 litc und d GVG. Er ist also nicht gesetzlos ergangen.
Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (insb. gegen die zitierten Bestimmungen des GVG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zB VfSlg. 7881/1976).
Die beschwerdeführende Gesellschaft begründet ihre Behauptung, die Behörde habe das Gesetz denkunmöglich angewendet, zunächst damit, daß das Gesetz keinen Unterschied zwischen juristischen und natürlichen Personen vorsehe. Wie bereits dargetan, macht der angefochtene Bescheid diese Unterscheidung nicht.
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, der Bescheid führe nicht aus, daß eine Selbstbewirtschaftung durch die Gesellschaft nicht möglich wäre. Die Gesellschaft beabsichtige die Bewirtschaftung der Kaufliegenschaft und sei auch in der Lage, diese selbst zu bewirtschaften. Auf die Gesellschafter komme es nicht an. Die Gesellschaft werde sich zur Bewirtschaftung entsprechender Personen bedienen.
Die Begründung des Bescheides stellt darauf ab, daß die beiden Geschäftsführer der die Liegenschaft kaufenden Gesellschaft m. b. H., die Eheleute A. und E. K., außerstande seien, das Grundstück selbst zu bewirtschaften.
Das GVG unterscheidet lediglich im §1 Abs1 Z2 ausdrücklich zwischen natürlichen und juristischen Personen. Diese Bestimmung gilt aber nur für den Ausländergrundverkehr. Hinsichtlich des Inländergrundverkehrs erwähnt das GVG die juristische Person nicht ausdrücklich, jedoch setzt §5 Z4 leg. cit. offenbar voraus, daß als (geeigneter) Erwerber auch eine juristische Person auftreten kann (vgl. VfSlg. 8069/1977). Juristische Personen sind daher nach dem GVG in Ansehung des Inländergrundverkehrs natürlichen Personen gleichgestellt; sie sind ihnen gegenüber weder benachteiligt noch bevorzugt. Für sie gilt ua. uneingeschränkt die oben zitierte Vorschrift des §6 Abs1 litc GVG. Eine juristische Person kann voraussetzungsgemäß niemals unter persönlichem Arbeitseinsatz ein Grundstück bewirtschaften. Es ist keineswegs denkunmöglich anzunehmen, daß aber auch in den Fällen des Grundstückerwerbes durch inländische juristische Personen eine persönliche Nahebeziehung iS des §6 Abs1 litc GVG vorliegen muß. Es kann daher in einem solchen Fall nur darauf ankommen, ob jene Menschen, die die Gesellschaft wirtschaftlich dominieren, zur Selbstbewirtschaftung der Liegenschaft willens und fähig sind.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei diesen Personen unbestritten um die Eheleute K., die alleinige Gesellschafter (und gleichzeitig die Geschäftsführer) der beschwerdeführenden Gesellschaft sind.
Es ist nicht denkunmöglich, unter den - unbestritten gebliebenen - Voraussetzungen anzunehmen, daß die Eheleute K. zur Selbstbewirtschaftung der kaufgegenständlichen Grundstücke außerstande sind.
Die Annahme der belangten Behörde, es liege der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc GVG vor, hat daher nicht den Denkgesetzen widersprochen. Es erübrigt sich sohin zu untersuchen, ob - wie die Behörde meint - auch der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litd GVG gegeben ist.
Die Beschwerdeführerin ist nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden.
c) Schließlich wird in der Beschwerde noch die Verletzung des durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, behauptet.
Es genügt, hiezu auf die ständige Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7539/1975) zu verweisen, wonach sich dieses Recht nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden dagegen durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen.
4. Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in Rechten verletzt worden wäre, hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B159.1978Dokumentnummer
JFT_10199696_78B00159_00