Index
80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Weingesetz 1961; keine Bedenken gegen §26 Abs2 (idF vor der Nov. 1976); Prüfungen eines Ersatzbescheides gem. §63 Abs1 VerwGGSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist Alleininhaber der im Handelsregister beim Landesgericht Innsbruck protokollierten Firma S. A., die einen Weinhandel betreibt. In diesem Unternehmen besteht ein Zollager iS des §98 ZollG.
Mit Straferkenntnis vom 29. Jänner 1976 wurde über den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eine Geldstrafe in der Höhe von 6000 S wegen Übertretung des §26 Abs4 Weingesetz 1961 verhängt, da er am 27. November 1975 dem Bundeskellereiinspektor anläßlich einer Amtsnachschau jede Auskunft über die zollamtlich verschlossenen Lagerbestände an Wein verweigert hatte.
Der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 9. März 1976 keine Folge.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wandte sich der Beschwerdeführer an den VwGH, der mit Erk. vom 31. März 1978, Z 1010/76, der Beschwerde Folge gab und den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol aufhob. Der VwGH vertrat die Ansicht, daß die Verwaltungsbehörde die Bestimmung des §26 Abs4 iZm §26 Abs2 WeinG 1961 - dieser idF vor der WeinG-Nov. 1976, BGBl. 300/1976 - zutreffend ausgelegt habe. Unbestrittenermaßen habe der Beschwerdeführer unter Zollverschluß stehende Weine in seinem Keller gelagert und anläßlich einer Nachschau dem Bundeskellereiinspektor hinsichtlich dieser Weine jede Auskunft verweigert.
Hingegen habe die belangte Behörde bei der Strafzumessung eine "Mißachtung der staatlichen Weinaufsicht" und damit ein Tatbestandselement als erschwerenden Umstand gewertet; damit sei der Bescheid in Widerspruch zu §19 VStG 1950 (in der in concreto maßgeblichen Fassung vor der Nov. BGBl. 117/1978) gestanden. Der Landeshauptmann hätte im Rahmen der Strafzumessung das Vorliegen mildernder Umstände verneint. Er hätte aber darauf Bedacht zu nehmen gehabt, daß die hier strittige Rechtsfrage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - also vor Inkrafttreten der WeinG-Nov. 1976 - vom Gesetzgeber nicht eindeutig beantwortet gewesen sei, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich bei der Gesetzesauslegung in einem Rechtsirrtum befunden, nicht von der Hand zu weisen gewesen wäre.
Der VwGH verwies schließlich darauf, daß gem. §44a litb VStG 1950 die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei (in concreto: §51 Abs2 litf WeinG 1961), anzuführen gewesen wäre.
3. Im daraufhin ergangenen Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. Juli 1978, Z IIa-6.319/4, wurde im Spruch die vom VwGH verlangte Zitierung des §51 Abs2 litf WeinG 1961 eingefügt und der Spruch hinsichtlich der Strafhöhe und des Kostenersatzes neu gefaßt. Dabei wurde das Strafausmaß von vorher 6000 S (Ersatzarreststrafe sechs Tage) auf 5000 S (Ersatzarreststrafe sechs Tage) herabgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides wird die neue Strafzumessung hinsichtlich der mildernden Umstände iS der Rechtsmeinung des VwGH gerechtfertigt. Als erschwerend wertete der Landeshauptmann die bereits mehrfach erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung weingesetzlicher Vorschriften und führte weiter aus:
"Eine weitere Herabsetzung der Strafe wegen des Vorliegens des Rechtsirrtums konnte wegen der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen nicht erfolgen."
4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung an den VwGH beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift aber im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis verzichtet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Da der angefochtene Bescheid nach einem stattgebenden Erk. des VwGH iS des §63 Abs1 VerwGG ergangen ist, hatte die belangte Behörde dem Gesetz den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Inhalt beizumessen. Von diesem Inhalt hat auch der VfGH bei der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ersatzbescheid auszugehen. Diese grundsätzliche Bindung des VfGH an das Erk. des VwGH, in dessen Folge der Ersatzbescheid ergangen ist (vgl. Erk. VfSlg. 1894/1949, 4250/1962, 4806/1964, 7330/1974, 8536/1979), ist jedoch keine umfassende: Im Erk. VfSlg. 7330/1974 hat der VfGH in Abkehr von seiner früheren Judikatur dargetan, daß er auch im Falle einer Beschwerde gegen den Ersatzbescheid aufgrund eines Erk. des VwGH nicht gehindert ist, die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit des angewendeten Gesetzes ohne Bindung an die Rechtsanschauung des VwGH zu beurteilen (zustimmend: Berchtold, ÖJZ 1975, 141 ff.; Groiss - Schantl - Welan, ÖJZ 1978, 57 ff., insb. 60; Azizi, ÖJZ 1979, 627 ff., insb. 632).
Im Erk. VfSlg. 8536/1979 ua., hat der VfGH eine Bindung auch für den Fall abgelehnt, in dem der VfGH zum Ergebnis kommt, daß infolge des Erfordernisses einer verfassungskonformen Interpretation ein Gesetz einen anderen als den vom VwGH unterstellten Inhalt haben muß. Trotz der von Azizi (aaO, 632) geäußerten Kritik hält der VfGH an dieser Rechtsansicht fest, weil eine auch diesbezüglich Bindung annehmende Auffassung in Widerspruch zu Art133 Z1 B-VG gelangt, der es verbietet, einem Erk. des VwGH die Bedeutung eines Abspruches über eine vom VfGH zu prüfende Frage beizumessen.
Aus der Judikatur des VfGH ergibt sich somit insgesamt, daß sich der VfGH bei Prüfung eines Ersatzbescheides bei unveränderter Rechtslage an die im Erk. des VwGH zum Ausdruck kommende Interpretation des von der Verwaltungsbehörde anzuwendenden Gesetzes gebunden erachtet, es sei denn, daß der VfGH Bedenken gegen das Gesetz hegt oder dem Gesetz ausschließlich aus Gründen der verfassungskonformen Interpretation ein anderer Inhalt, als ihn der VwGH dem Gesetz zugemessen hat, zukommen muß.
2. Der VfGH hat demnach zu prüfen, ob gegen die in Betracht kommende Regelung des §26 Abs, 2 WeinG 1961 bei dem ihr nach dem Erk. des VwGH zukommenden Inhalt verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Dies ist aber nicht der Fall:
a) Unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles sind beim VfGH keine Bedenken gegen das Gesetz, insb. auch nicht im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer behauptete mangelnde inhaltliche Determinierung des Verwaltungshandelns, entstanden.
§26 Abs2 WeinG 1961 hatte zum Zeitpunkt der Begehung der Verwaltungsübertretung sowie der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides folgenden Wortlaut:
"Eine Nachschau darf durchgeführt werden in Preßhäusern, Kellern oder wo sonst Getränke zum Verkauf bereit gehalten oder in Verkehr gebracht oder wo sie, um sie in Verkehr zu bringen, erzeugt oder gelagert werden."
Diese Formulierung ist unter dem Gesichtspunkt ausreichender Determinierung gem. Art18 Abs1 B-VG unbedenklich. In ihrer weiten Fassung ermächtigt sie jedenfalls auch dann zu einer Nachschau, wenn die Getränke in Zollagern gelagert werden, aus denen sie später in Verkehr gebracht werden sollen.
Durch die WeinG-Nov. 1976 vom 9. Juni 1976, BGBl. 300, kundgemacht am 25. Juni 1976, wurde §26 Abs2 WeinG geändert und hat nunmehr folgende Fassung:
"Eine Nachschau darf durchgeführt werden in Preßhäusern, Kellern, öffentlichen Zollagern, Zolleigenlagern oder wo sonst Getränke zum Verkauf bereit gehalten oder in Verkehr gebracht oder wo sie, um sie in den Verkehr zu bringen, erzeugt oder gelagert werden. Die Nachschau in öffentlichen Zollagern und Zolleigenlagern hat unter zollamtlicher Aufsicht zu erfolgen und ist, während die Lager für Zollamtshandlungen geöffnet sind, jederzeit zulässig."
Der Beschwerdeführer vermeint, diese Änderung zeige, daß die Formulierung von §26 Abs2 WeinG 1961 vor der WeinG-Nov. 1976 nicht ausreichend vorherbestimmt war und beruft sich zur Unterstützung seiner Behauptung auf die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur WeinG-Nov. 1976 (216 BlgNR, XIV. GP), in denen es heißt: "Mit der vorgesehenen Ergänzung sollen jegliche Zweifel darüber beseitigt werden, daß der Bundeskellereiinspektor in den bezeichneten Lagern eine Nachschau durchführen darf. Im Interesse einer lückenlosen Weinaufsicht ist diese Klarstellung erforderlich."
Der VfGH vermag die Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu teilen. Die durch die WeinG-Nov. 1976 erfolgte Erweiterung des Wortlauts des §26 Abs2 bringt zwar insofern eine Verdeutlichung mit sich, als sie nunmehr die Bereithaltung in öffentlichen Zollagern und Zolleigenlagern ausdrücklich hervorhebt und die Bereithaltung an diesen Orten neben der Bereithaltung in Preßhäusern, Kellern "oder wo sonst ..." als Voraussetzung für die Ermächtigung zur Nachschau anführt; sie hat jedoch keine Erweiterung des Inhalts der Norm bewirkt. Die durch die Nov. erfolgte Verdeutlichung bedeutet auch nicht, daß die Regelung vorher hinsichtlich der Orte unbestimmt war, in denen eine Nachschau zulässig gewesen ist. Denn auch vor der WeinG-Nov. 1976 war die Nachschau an allen derartigen Orten zulässig, was sich ganz klar aus der Formulierung "in Preßhäusern, Kellern oder wo sonst Getränke zum Verkauf bereit gehalten" ergibt.
Die Tatsache, daß der Gesetzgeber eine Klarstellung für erforderlich gehalten hat, beweist nicht, daß die Regelung früher unbestimmt war. Überdies ist zu bemerken, daß die ausdrückliche Erwähnung von öffentlichen Zollagern und Zolleigenlagern im ersten Satz des §26 Abs2 WeinG 1961 idF der Nov. 1976 auch dadurch erklärbar ist, daß im zweiten Satz dieses Absatzes für die Nachschau in öffentlichen Zollagern und Zolleigenlagern besondere Verfahrensvorschriften aufgestellt wurden.
b) Der Sache nach behauptet der Beschwerdeführer weiters, daß die Behörde und auch der VwGH der Bestimmung des §26 Abs2 WeinG 1961 (idF vor der Nov. 1976) deshalb einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätten, weil sie darunter auch ausländischen Wein subsumiert hätten, der möglicherweise wieder für das Ausland bestimmt sei, und für eine derartige Nachschau kein gleichartiges Interesse bestünde, wie für eine Nachschau betreffend österreichische Weine oder ausländische Weine, die für Österreich bestimmt seien.
Auch mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Es ist nichts hervorgekommen, was es dem Gesetzgeber verwehren würde, weinbehördliche Aufsichtsmaßnahmen in Zollagern zu ermöglichen. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Regelung der weinbehördlichen Nachschau dahin gehend frei, ob er schon die in Zollagern eingelagerten Weine einer derartigen Kontrolle unterwirft und damit möglicherweise auch den Durchfuhrhandel trifft oder ob er eine Nachschaumöglichkeit erst dann eröffnet, wenn der Wein aus den Zollagern gebracht wurde. Das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot verbietet keine dieser Regelungen.
c) Da §26 Abs2 WeinG 1961 (idF vor der Nov. 1976) nicht verfassungswidrig war und auch von der Behörde und vom VwGH dem Gesetz nicht fälschlicherweise ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt wurde, im übrigen aber, wie unter Punkt II.1. ausgeführt wurde, der VfGH an die Rechtsanschauung des VwGH gebunden ist, mußte der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.
3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sohin nicht stattgefunden. Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei der Vollziehung des Gesetzes willkürlich vorgegangen wäre, hat das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht ergeben. Da auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Verletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht hervorgekommen ist, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Bindung, Determinierungsgebot, WeinrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B489.1978Dokumentnummer
JFT_10199687_78B00489_00