TE Vfgh Erkenntnis 1980/3/15 B201/78

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Veröffentlicht am 15.03.1980
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Index

13 Staatsvertragsdurchführung, Kriegsfolgen
13/02 Vermögensrechtliche Kriegsfolgen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EntschädigungsG CSSR §6
Vermögensvertrag CSSR Art2 Abs2

Beachte

ebenso B330/78 vom gleichen Tag

Leitsatz

Entschädigungsgesetz CSSR; keine Bedenken gegen §6; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Die Tante des Beschwerdeführers, M. B. geborene R. (seit dem Jahre 1918 österreichische Staatsbürgerin) war als Gesellschafterin an der H. & Comp. Gesellschaft mbH in M.-S./CSSR und an der W., H. & Co. Kommanditgesellschaft in P./CSSR beteiligt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Vermögen der beiden Gesellschaften von der CSSR entschädigungslos enteignet. M. B. hat ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der CSSR in der Folge mehrmals beim Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung bzw. für Finanzen angemeldet.

Mit dem in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen Übergabsvertrag vom 21. August 1968 hat M. B. dem Beschwerdeführer (dem am 23. Juli 1948 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist) um ein "Abtretungsentgelt" von 1000 S die erwähnten Entschädigungsansprüche abgetreten.

M. B. ist am 11. Dezember 1973 verstorben. Der Nachlaß wurde aufgrund eines Testamentes nicht dem Beschwerdeführer, sondern Dr. H. R. eingeantwortet.

b) Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 17. Mai 1976 dem Bundesministerium für Finanzen von der erfolgten Abtretung der erwähnten Entschädigungsansprüche Mitteilung gemacht.

Dieses hat die Mitteilung als Entschädigungsantrag nach dem Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975 (EG-CSSR), aufgefaßt und an die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. weitergeleitet. Die Finanzlandesdirektion hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. August 1977 mitgeteilt, daß ihm gem. §6 EG-CSSR keine Entschädigung angeboten werden könne.

Der Beschwerdeführer hat sodann gem. §40 Abs1 Z2 EG-CSSR seinen Anspruch bei der Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen geltend gemacht. Diese hat mit Bescheid vom 27. Jänner 1978 den Antrag abgelehnt. Sie hat dies im wesentlichen damit begründet, daß gem. §6 EG-CSSR eine Entschädigung nur an den Rechtsnachfolger von Todes wegen zu leisten ist, nicht aber an einen Rechtsnachfolger aufgrund eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden.

2. Gegen diesen Bescheid der Bundesentschädigungskommission richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Nach dem am 19. Dezember 1974 in Wien unterzeichneten Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung bestimmter finanzieller und vermögensrechtlicher Fragen, BGBl. 451/1975 (im folgenden kurz: Vermögensvertrag CSSR), leistet die CSSR eine Globalentschädigung für österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die bis zum Tage der Unterzeichnung des Vertrages tschechoslowakischen Konfiskations-, Nationalisierungs- oder ähnlichen gesetzlichen Maßnahmen unterzogen worden sind. Nach Art5 des Vermögensvertrages CSSR werden durch die vollständige Leistung der im Art3 genannten Globalentschädigung die CSSR sowie die tschechoslowakischen physischen und juristischen Personen von den Verpflichtungen gegenüber der Republik Österreich und österreichischen physischen und juristischen Personen, die durch die oben erwähnten tschechoslowakischen Maßnahmen entstanden sind, in dem in der Anlage

I genannten Umfang befreit.

Art2 Abs1 des Vermögensvertrages CSSR legt fest, wer eine "österreichische Person" iS dieses Vertrages ist. Abs2 dieses Artikels lautet:

"Absatz 1 gilt sinngemäß für Rechtsnachfolger der oben genannten Personen, wenn diese Rechtsnachfolger am Tag der Unterzeichnung dieses Vertrages entweder als physische Personen die österreichische Staatsbürgerschaft oder als juristische Personen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt haben."

Das EG-CSSR regelt innerstaatlich die Entschädigung für Vermögenswerte, für die die CSSR aufgrund des Vermögensvertrages eine Globalentschädigung leistet. §5 des Gesetzes räumt bestimmten österreichischen Personen unter bestimmten Voraussetzungen einen individuellen Anspruch auf Entschädigung ihrer Vermögenswerte ein. §6 EG-CSSR lautet:

"Ist ein Geschädigter, der am 27. April 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat, vor dem 19. Dezember 1974 verstorben, so ist die Entschädigung Rechtsnachfolgern von Todes wegen entsprechend ihrer Quoten in der Rechtsnachfolge zu leisten, wenn sie am 19. Dezember 1974 österreichische Staatsbürger waren oder als juristische Personen an diesem Tag ihren Sitz im Gebiet der Republik Österreich gehabt haben."

b) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen §6 EG-CSSR (der den angefochtenen Bescheid in materieller Hinsicht vor allem trägt) keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Mit Erk. VfSlg. 7659/1975 hat der VfGH (unter Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 5572/1967) eine im §7 Abs2 des Verteilungsgesetzes Polen, BGBl. 75/1974, enthaltene Wendung deshalb als verfassungswidrig aufgehoben, weil damit die Anspruchsberechtigung enger gezogen worden war als im Vermögensvertrag Polen, BGBl. 74/1974. Der VfGH hat es als sachlich nicht gerechtfertigt und sohin gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstoßend erachtet, daß einerseits im Vermögensvertrag Polen die Ansprüche aller Rechtsnachfolger anerkannt und der Berechnung der Globalsumme zugrunde gelegt wurden, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen (Österreich sich also legitimiert gefühlt hat, für diese Personen zu sprechen und Ansprüche gegenüber Polen zu stellen, gleichgültig ob die Rechtsnachfolger vor Vertragsabschluß die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben oder nicht) und daß andererseits das Verteilungsgesetz Polen einen Teil der Rechtsnachfolger von der Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Globalsumme ausschließt, obgleich diese Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses österreichische Staatsbürger waren.

Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8422/1978 an diesem Grundgedanken festgehalten.

Diese Judikatur geht davon aus, daß das Gesetz den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen dürfe als der Vermögensvertrag. Derartige Bedenken bestehen hier nicht: Zwar spricht Art2 Abs2 des Vermögensvertrages CSSR von Rechtsnachfolgern schlechthin, §6 des EG-CSSR von "Rechtsnachfolgern von Todes wegen". Das Gesetz entscheidet damit aber lediglich, wer bei einer möglichen Konkurrenz von Rechtsnachfolgern (nämlich unter Lebenden oder von Todes wegen) der (sekundär) Anspruchsberechtigte sein soll. Das Gesetz gewährleistet damit, daß dann, wenn eine Rechtsnachfolge in den Ansprüchen gegenüber der CSSR eingetreten ist, auch ein Anspruch nach dem EG-CSSR begründet wird, sofern der Rechtsnachfolger nur zum Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft hatte. Eine derartige Entscheidung für die eine oder die andere Gruppe von Rechtsnachfolgern muß das Gesetz treffen, wenn verhindert werden soll, daß aufgrund einer primären Anspruchsberechtigung mehrere (konkurrenzierende) sekundäre Ansprüche abgeleitet werden. Die getroffene Regelung schließt den aufgrund des EG-CSSR bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch des Rechtsnachfolgers von Todes wegen für den Fall nicht aus, daß - wie hier - der primär Anspruchsberechtigte seine Ansprüche auf die in der CSSR befindlichen Vermögenswerte jemand anderem abgetreten hat; auch in diesem Fall behält der Erbe seinen Anspruch nach dem EG-CSSR.

Zwischen dem EG-CSSR und dem Vermögensvertrag CSSR besteht sohin in der hier maßgeblichen Hinsicht Kongruenz.

c) Der VfGH hat auch sonst gegen die den bekämpften Bescheid stützenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (s. o. II.1.) wäre er mit diesem Vorwurf nur im Recht, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Davon kann aber keine Rede sein. Die Behörde war offensichtlich bestrebt, eine richtige Entscheidung zu treffen. Die von ihr gefundene Auslegung des §6 EG-CSSR - wonach eine Entschädigung nur an den Rechtsnachfolger von Todes wegen zu leisten sei, nicht aber auch an einen Rechtsnachfolger aufgrund eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden - ist zumindest vertretbar, sodaß in dieser Interpretation keinesfalls ein Indiz für Willkür gesehen werden kann.

Der Beschwerdeführer ist somit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

3. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.

Dieses Recht könnte nur durch einen Eingriff in private Vermögensrechte verletzt werden, nicht aber durch Eingriffe in Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur. Mit der Verteilung der Globalsumme durch das EG-CSSR hat die Republik Österreich einer übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtung entsprochen. Diese Verteilung ist ausschließlich hoheitsrechtlich geregelt. Es handelt sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch. Ein Eingriff in das erwähnte Recht ist deshalb ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 5340/1966 und 5572/1967).

4. Schließlich bringt der Beschwerdeführer noch vor, in dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt worden zu sein.

Auch dieser Vorwurf ist unberechtigt.

Dieses Recht wird nämlich nur durch einen in die private Erwerbsbetätigung eingreifenden Bescheid verletzt (vgl. zB VfSlg. 7798/1976). Einen solchen Eingriff bewirkt aber der angefochtene Bescheid nicht.

5. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten (s. o. II.1.) verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Entschädigung CSSR

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B201.1978

Dokumentnummer

JFT_10199685_78B00201_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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