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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Wr. Bauordnung; keine denkunmögliche Anwendung des §129 Abs10; keine Willkür; kein Entzug des gesetzlichen Richters VVG 1950; keine Bedenken gegen §§4 und 10 Abs2 Wr. Stadtverfassung, LGBl. 28/1968; keine Bedenken gegen §132 Abs1Spruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Die Beschwerdeführer haben auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück 982/6 in EZ 560 KG A. eine Betonwanne aus Schalsteinen (zirka 30 m lang, 1 m tief) errichtet, ohne daß ihnen die hiefür erforderliche baubehördliche Bewilligung erteilt worden war.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. November 1975, Z MDR-B XXII-6/75, wurde ihnen gem. §129 Abs10 der Bauordnung für Wien (BauO), LGBl. 11/1930, in der geltenden Fassung der Auftrag erteilt, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Betonwanne beseitigen zu lassen.
b) Da die Beschwerdeführer diesem Auftrag nicht nachgekommen sind, erging im Zuge des Verfahrens zur Vollstreckung des Bescheides vom 20. November 1975 (lita) im Instanzenzug der Bescheid der Wr. Landesregierung vom 26. September 1977, Z MA 64-1739/77, mit dem den Beschwerdeführern gem. §4 Abs2 VVG 1950 der Auftrag zur Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme in der Höhe von 300000 S erteilt wurde. Der Bescheid wurde am 29. September 1977 den Beschwerdeführern zugestellt.
c) Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG von A. und H. K. erhobene, unter B370/77 protokollierte Beschwerde. Die Beschwerdeführer behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein. Sie beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.
2. a) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wr. Landesregierung vom 3. Oktober 1977, Z MA 64-1840/77, wurde die Ersatzvornahme der mit dem Bescheid vom 20. November 1975 (Z1 lita) aufgetragenen Maßnahmen angeordnet. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 6. Oktober 1977.
b) Gegen den Bescheid vom 3. Oktober 1977 richtet sich die von A. K. unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene und unter B404/77 protokollierte Beschwerde. Es wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
3. Die von den Beschwerdeführern angestrebte (nachträgliche) baubehördliche Bewilligung für die bereits auf dem Grundstück 982/6 errichtete Betonwanne wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 7. November 1977, Z MDR-B XXII-14/77, somit nach Erlassung der angefochtenen Bescheide, versagt. Dieser Versagungsbescheid ist mit dem Erk. des VfGH B6/78-7 vom 13. Oktober 1978 - nach der mit dem Erk. V7/78 vom 13. Oktober 1978 erfolgten Aufhebung des für das Grundstück 982/6 maßgeblichen Flächenwidmungsplanes (Beschluß des Wr. Gemeinderates vom 2. März 1928, RZ 707, Punkt 2, abgedruckt im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 19/1928, S. 249, Z4) wegen Gesetzwidrigkeit - aufgehoben worden. Nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung ist ein Ersatzbescheid nicht ergangen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gegen die angefochtenen Bescheide ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug ist erschöpft. Die Beschwerden sind, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.
2. Die angefochtenen Bescheide sind im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckung des in I.1.a) angeführten Titelbescheides ergangen. Sie stützten sich auf die §§4 und 10 Abs2 VVG 1950. Daß diese Bestimmungen in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich wären, ist in den Beschwerden nicht behauptet worden. Beim VfGH sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften nicht entstanden.
3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde den bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Eine Verletzung des Eigentumsrechtes könnte nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung bewirkt worden sein.
Den Vorwurf der Willkür und der denkunmöglichen Gesetzesanwendung begründen die Beschwerdeführer im besonderen damit, daß die angefochtenen Bescheide von der belangten Behörde erlassen worden seien, obwohl im Zeitpunkt der Erlassung über das Ansuchen um nachträgliche baurechtliche Bewilligung der Betonwanne noch nicht abgesprochen gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des VwGH dürfe ein Abtragungsauftrag nach §129 Abs10 BauO während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung nicht vollstreckt werden.
a) Nach §129 Abs10 BauO sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben, und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Der VwGH hat aus dieser Vorschrift iZm den Bestimmungen über das Vollstreckungsverfahren die Folgerung abgeleitet (VwGH 27. 6. 1977 Z 333/77), daß während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung ein Abtragungsauftrag nicht vollstreckt werden darf.
Dessenungeachtet ist nach Meinung des VfGH die Erlassung der angefochtenen Bescheide mit den darin angeordneten Vollstreckungsmaßnahmen vor dem Abspruch über den von den Beschwerdeführern gestellten Antrag auf nachträgliche Erteilung der Baubewilligung beim Wortlaut des §129 Abs10 BauO nicht in einer solchen Weise unrichtig, daß dies einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre.
Der Erlassung der angefochtenen Bescheide liegt somit eine denkunmögliche Gesetzesanwendung nicht zugrunde; die Beschwerdeführer sind im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.
Damit liegt das von den Beschwerdeführern zur Begründung der behaupteten Verletzung des Gleichheitsrechtes herangezogene Indiz der denkunmöglichen Gesetzesanwendung für ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht vor.
b) Die Beschwerdeführer begründen die behauptete Gleichheitsverletzung allerdings auch damit, daß in dem Bereich, in dem das in ihrem Eigentum stehende Grundstück 982/6 liegt, zahlreiche Baulichkeiten bestünden, die ohne Baubewilligung errichtet worden seien, und daß von der belangten Behörde nur gegen die Beschwerdeführer, nicht aber gegen die Eigentümer anderer, ebenfalls nicht bewilligter Baulichkeiten mit Vollstreckungsmaßnahmen vorgegangen werde.
Selbst wenn die Behauptungen der Beschwerdeführer zuträfen, könnten sie für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil sie aus einem Fehlverhalten der belangten Behörde in anderen Fällen nicht ein Recht auf ein gleichartiges Fehlverhalten ableiten können (VfSlg. 7306/1974).
Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer läßt sich der Vorwurf eines willkürlichen Vorgehens der belangten Behörde bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht begründen. Der VfGH findet aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Ablauf des Verwaltungsgeschehens keinen Anhaltspunkt, aus dem auf ein eine Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bescheide begründendes Verhalten der belangten Behörde geschlossen werden könnte; überdies trifft auch die Behauptung der Beschwerdeführer nicht zu, daß der Betrag der vorauszuzahlenden Kosten willkürlich, und zwar ohne jegliches Ermittlungsverfahren, festgesetzt worden sei. Diese Festsetzung beruht vielmehr auf einem von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Ob die angefochtenen Bescheide in richtiger Anwendung der Gesetze erlassen wurden, hat der VfGH nicht zu prüfen.
Es ergibt sich damit zusammenfassend, daß die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden sind.
4. a) In der Beschwerde B370/77 wird von den Beschwerdeführern auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht. Sie bringen hiezu vor, daß der erstinstanzliche Bescheid vom Stellvertreter des Abteilungsleiters der Magistratsabteilung 64, der zweitinstanzliche Bescheid vom Leiter der Magistratsabteilung 64 gezeichnet sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführer gewährleiste ein derartiger Instanzenzug vom Stellvertreter einer Magistratsabteilung zum Leiter dieser Magistratsabteilung der betroffenen Partei in Wahrheit keinen Instanzenzug, weil der Stellvertreter dieser Dienststelle gegenüber dem Leiter der Dienststelle weisungsgebunden sei und durch das Naheverhältnis innerhalb einer Abteilung auf diese Weise das Recht auf den gesetzlichen Richter ad absurdum geführt werde.
b) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ua. dann verletzt, wenn eine Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt, oder wenn sie eine ihr nach dem Gesetz zukommende Zuständigkeit ablehnt.
Der angefochtene Bescheid wurde im selbständigen Wirkungsbereich des Landes erlassen. In diesem Bereich ist zur Vollziehung der Stadtsenat als Landesregierung (Art108 B-VG) zuständig. Er kann in seiner Geschäftsordnung bestimmen, welche Geschäfte einzelnen seiner Mitglieder oder dem Magistrat als Amt der Landesregierung überlassen werden (§132 Abs1 der Wr. Stadtverfassung - WStV, LGBl. 28/1968, in der geltenden Fassung). Hierfür kommen gleichartige, häufig vorkommende Angelegenheiten und Gegenstände von geringerer Bedeutung in Betracht.
Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (VfSlg. 6849/1972).
Aufgrund dieser Bestimmung wurden durch Z1 der Verordnung der Wr. Landesregierung vom 30. Jänner 1973, LGBl. 9, dem Amt der Wr. Landesregierung alle jene Angelegenheiten, welche der Wr. Landesregierung als Berufungsbehörde oder sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde obliegen, zur Vollziehung überlassen.
Der angefochtene Bescheid ist vom Stadtsenat als Landesregierung, und zwar durch Organe des ihm zugeordneten Amtes der Landesregierung, und somit von der Behörde, die zur Entscheidung über die Berufung gegen den vom Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde (Vollstreckungsbehörde) ergangenen Bescheid zuständig ist, erlassen worden.
Durch den Bestand des Weisungsrechtes einer Oberbehörde an eine Unterbehörde nach Art20 B-VG wird die einer Behörde nach dem Gesetz zukommende Zuständigkeit überhaupt nicht berührt (VfSlg. 4233/1962).
Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sind die Beschwerdeführer durch den unter Z B370/77 angefochtenen Bescheid nicht verletzt worden.
5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide sind die Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.
Schlagworte
Verwaltungsvollstreckung, Ersatzvornahme, VfGH / Prüfungsmaßstab, Behördenzuständigkeit, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Weisung, Baurecht, Baupolizei, Bundeshauptstadt WienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B370.1977Dokumentnummer
JFT_10199682_77B00370_00