Index
10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §15 Abs2Leitsatz
Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrags des Rechtsnachfolgers mangels hinreichend konkreter Darlegung der Umstände für die Geltendmachung neuer Tatsachen bzw Beweismittel nach dem Tod der Beschwerdeführerin; Mängelbehebung nicht zulässigSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit Kaufvertrag vom 14.10.1963 erwarb die damalige Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsangehörige, eine aufgelassene Almhütte im Bereich der "Schwarzriesalm" samt ca. 1000 m² Umgebungsgrund aus der Liegenschaft EZ 105, GB Erl, die sie ihren eigenen Angaben zufolge zu Urlaubszwecken nutzen wollte. Mit Bescheid vom 15.5.1964 versagte die Grundverkehrsbehörde die Genehmigung des Kaufvertrags; die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.
1.2. Mit Vertrag vom 1.9.1964 pachtete die Beschwerdeführerin die betreffende Almhütte samt Umgebungsgrund für die Dauer von 99 Jahren. Die vereinbarte Pachtsumme für die gesamte Dauer des Pachtverhältnisses in Höhe von DM 3.500,-- wurde bereits bei Vertragsunterzeichnung bezahlt.
Mit Schriftsatz vom 24.8.1995 beantragte die Beschwerdeführerin - über Aufforderung der Grundverkehrsbehörde - bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des "Pachtvertrages" vom 1.9.1964.
2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission Kufstein ging von der Genehmigungspflicht dieses Vertrages aus, da eine solche gemäß §3 Abs1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz (im Folgenden: TGVG) 1983 bei einer Verpachtung dann vorgesehen sei, wenn das Grundstück das Ausmaß von 1 ha übersteige, bei geringerem Ausmaß dann, wenn sich darauf landwirtschaftliche Wohn- oder Wirtschaftsgebäude befinden oder der Pachtvertrag in das Grundbuch eingetragen werden solle oder die Bestanddauer mehr als 10 Jahre betrage. Da es sich bei dem Pachtobjekt um eine Almhütte handle und die Pachtdauer 99 Jahre betrage, sei von einer Genehmigungspflicht auszugehen. Eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung sei jedoch nicht gewährleistet, weshalb die Zustimmung zum Rechtserwerb versagt werden müsse.
3. Gegen diese Entscheidung erhob die Erwerberin Berufung und brachte insbesondere vor, dass die Frage der Genehmigungspflicht anhand der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Gesetze zu beurteilen sei. Die verpachtete Fläche liege weit unter der Größe von 2 ha, bei welcher eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung nach der damaligen Rechtslage erforderlich gewesen wäre. Es handle sich um keine landwirtschaftlich nutzbare Fläche; die Almhütte habe sich zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs bereits in einem halbverfallenen Zustand befunden, sodass eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich gewesen sei und sie kein landwirtschaftliches Gebäude mehr dargestellt habe.
4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) wies die Berufung mit Bescheid vom 18.1.1999 als unbegründet ab und führte begründend aus, dass es sich im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Vertragsbedingungen nicht um einen - gemäß §3 Abs1 litd TGVG 1954 nicht genehmigungspflichtigen - Pachtvertrag, sondern vielmehr um einen Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 lita bzw. b leg.cit. handle, der zu seiner Wirksamkeit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe. Aufgrund der Übergangsbestimmung des §40 Abs3 TGVG 1996 seien die materiellrechtlichen Vorschriften des TGVG 1983 anzuwenden; eine der Bestimmung des §6 Abs1 litc TGVG 1983 entsprechende Selbstbewirtschaftung sei jedoch nicht gewährleistet, und es bestünde auch kein zureichender Grund, die Liegenschaft ihrer landwirtschaftlichen Bestimmung zu entziehen.
5. Gegen diesen Bescheid brachte die damalige Beschwerdeführerin eine auf Art144 B-VG gestützte (zu B445/99 protokollierte) Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wurde.
6. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.6.2001, B445/99 (= VfSlg. 16.170/2001), wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. 1. Der Sohn der damaligen Beschwerdeführerin stellt nunmehr - als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter - einen der Sache nach auf §530 Abs1 Z7 ZPO gestützten (selbstverfassten) Antrag auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnis VfSlg. 16.170/2001 erledigten Beschwerdesache. Weiters begehrt er die kostenpflichtige Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides der LGVK.
Begründend wird u.a. ausgeführt, dass es nun gelungen sei, eine Urkunde aufzufinden, die nach Auffassung des Antragstellers neue Tatsachen vermittelt und im damaligen Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt wurde. Es handelt sich um den Einzelteilungsplan für die "Schwarzriesalpe" vom 29.10.1971, EZl. 86 II KG Erl, aus dem hervorgehe, dass die Aufteilung des betreffenden Gebietes, das bis dahin ein agrargemeinschaftliches Grundstück war, erst im Jahr 1971 - also lange Zeit nach dem beschwerdegegenständlichen Vertrag vom 1.9.1964 - erfolgt sei. Die Verbücherung habe wohl erst im Jahr 1975 stattgefunden.
Daraus folge, dass ein Rechtserwerb (im Sinne des §3 Abs1 lita bzw. b TGVG 1954), von dem die LGVK ausgegangen ist, aus tatsächlichen und logischen Gründen durch den beschwerdegegenständlichen Vertrag vom 1.9.1964 rechtsunwirksam gewesen wäre, da der damalige Verpächter bzw. Verkäufer über den Umgebungsgrund der Almhütte - anders als über die Almhütte - nicht verfügungsberechtigt war (keine Eintragung im Grundbuch). Die LGVK habe keine Ermittlungen darüber angestellt, um welche Fläche es sich bei dem "Umgangsgrundstück" überhaupt gehandelt habe; ebenso wenig habe sie sich mit der Frage auseinandergesetzt, wer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eigentumsrechtlich (bzw. pachtrechtlich) darüber verfügen konnte. Diese Vorgangsweise belaste den Bescheid der LGVK mit Willkür.
2.1. Der Wiederaufnahmeantrag ist nicht zulässig.
Für die Wiederaufnahme eines Verfahrens in den Fällen des Art144 B-VG gelten, da §34 VfGG keine näheren Regelungen trifft, nach §35 VfGG sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (§§530 ff.).
Demzufolge kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei (bzw. ihres Rechtsnachfolgers) wieder aufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde" (§530 Abs1 Z7 ZPO). Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Falle des §530 Abs1 Z7 ZPO ist aber nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§530 Abs2 ZPO).
Die neuen Tatsachen und Beweismittel stellen zudem nur dann einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn deren Berücksichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden - beschränkten - Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis (im vorliegenden Fall also unter dem Gesichtspunkt der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich erscheinen lässt (s. dazu etwa VfSlg. 6469/1971, 9126/1981, 14.858/1997, 14.930/1997).
2.2. Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens sind nicht gegeben:
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde zwar innerhalb der in §534 Abs1 ZPO vorgesehenen Frist von vier Wochen gestellt (Auffindung der Urkunde am 7.10.2004; Postaufgabe des Wiederaufnahmeantrags am 1.11.2004).
2.3. Mit dem vorliegenden Antrag wird jedoch - entgegen den gesetzlichen Bestimmungen - weder hinreichend konkret dargelegt, weshalb der Antragsteller (erst jetzt) in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt ist oder Beweismittel aufgefunden hat oder zu benützen in den Stand gesetzt wurde, noch weshalb er (bzw. vor ihrem Tod: seine Mutter als damalige Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) ohne Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes am 12.6.2001 geltend zu machen (der nunmehrige Antragsteller hat seine Mutter - ungeachtet ihrer rechtlichen Vertretung - bereits im Zuge des die Wiederaufnahme betreffenden Verfahrens unterstützt und mehrere selbstverfasste Schriftsätze beim Verfassungsgerichtshof eingebracht).
In sinngemäßer Anwendung des §15 Abs2 VfGG ist dieser Mangel einer Mängelbehebung nicht zugänglich (s. dazu etwa VfSlg. 11.419/1987, 14.858/1997).
3. Der Wiederaufnahmeantrag war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§34 2. Satz VfGG).
Schlagworte
VfGH / Wiederaufnahme, VfGH / Mängelbehebung, Rechtsnachfolger, GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B1345.2004Dokumentnummer
JFT_09939685_04B01345_00