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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Nö. Flurverfassungs-Landesgesetz; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine willkürliche und keine denkunmögliche Anwendung des GesetzesSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Nö. Agrarbezirksbehörde hat am 30. Juli 1973 den Zusammenlegungsplan Obritzberg erlassen. Der Landesagrarsenat hat mit drei Bescheiden vom 7. Juli 1975 den gegen den Zusammenlegungsplan erhobenen Berufungen zT stattgegeben, den Zusammenlegungsplan abgeändert und im übrigen die Berufungen abgewiesen.
Den von den Beschwerdeführern gegen die Bescheide des Landesagrarsenates eingebrachten Berufungen wurde mit Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 6. Oktober 1976 in einem Punkt stattgegeben, im übrigen wurden die Berufungen abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend machen, sowie die Prüfung des §7 Abs1 des Nö. Flurverfassungs-Landesgesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit sowie der Verordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 11. April 1972 auf ihre Gesetzmäßigkeit anregen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (s. zB VfSlg. 8053/1977), Ebenso liegt eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes dann vor, wenn der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde in einer unrichtigen personellen Zusammensetzung erlassen wurde (s. VfSlg. 7293/1974 und 8268/1978).
Ein Verstoß gegen dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht läge auch dann vor, wenn die unrichtige Zusammensetzung einer Kollegialbehörde unterer Instanz von der in letzter Instanz zur Entscheidung berufenen Behörde nicht wahrgenommen wird (vgl. VfSlg. 8309/1978).
a) Die Beschwerdeführer erachten sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zunächst deshalb verletzt, weil an der Entscheidung des Landesagrarsenates entgegen der Bestimmung des §5 Abs2 litd des Agrarbehördengesetzes 1950, BGBl. 1/1951, der Regierungsforstdirektor nicht teilgenommen habe; es sei nicht zulässig, daß für den Regierungsforstdirektor ein Ersatzmann bzw. Stellvertreter fungiere.
Die Beschwerdeführer übersehen hiebei aber, daß nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Landesagrarsenates geltenden Rechtslage die Mitwirkung eines in forstlichen Angelegenheiten erfahrenen Landesbeamten des höheren Dienstes vorgesehen war (s. §5 Abs2 Z5 Agrarbehördengesetz idF der Nov. BGBl. 476/1974). Ein diese Qualifikation erfüllender Beamter hat in der Person des Mitgliedes Oberforstrat Dipl.-Ing. A. G. an der Beschlußfassung des Landesagrarsenates mitgewirkt.
Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer geht somit ins Leere.
b) Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, die Entscheidung erster Instanz über den Zusammenlegungsplan sei "insoferne von einer unrichtig zusammengesetzten Behörde gefällt worden, als diese Entscheidung im Zusammenwirken" der Agrarbezirksbehörde und des Amtes der Landesregierung erfolgt sei; die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang auf den im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung erster Instanz in Kraft gestandenen §95 Abs5 des Nö. Flurverfassungs-Landesgesetzes idF der Nov. LGBl. 221/1971.
Nach dieser - nicht mehr in Kraft stehenden - Fassung der Gesetzesstelle war das technische Operat vor der Erlassung des Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regelungsplanes von der Landesregierung hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften und stichprobenweise hinsichtlich der vermessungstechnischen und rechnerischen Richtigkeit zu überprüfen; das Ergebnis der Überprüfung war der Agrarbezirksbehörde mitzuteilen, die entsprechende Berichtigungen vorzunehmen hatte.
Dazu ist zu bemerken, daß diese Gesetzesbestimmung keine Anordnung enthielt, durch welche eine Bindung der Agrarbezirksbehörde an das Ergebnis der Überprüfung der Landesregierung zum Ausdruck käme. Aus einem Vergleich mit der Fassung der bezughabenden Bestimmung vor dem Inkrafttreten der Nov. LGBl. 221/1971 (§93 Abs3, 2. Satz, Flurverfassungs-Landesgesetz, LGBl. 208/1934, wonach die Landeshauptmannschaft das Ergebnis der Überprüfung der Agrarbezirksbehörde mit gleichzeitigen Weisungen bekanntzugeben hatte) ergibt sich ebenfalls, daß §95 Abs5 idF der Nov. LGBl. 221/1971 keine Bindung der Agrarbezirksbehörde an das Ergebnis der Überprüfung vorsieht. Es erübrigt sich daher darauf einzugehen, ob und welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen eine derartige Bindung allenfalls mit sich brächte.
Es trifft somit auch dieser Vorwurf der Beschwerdeführer nicht zu.
Die im Zusammenhang damit von den Beschwerdeführern aufgestellte Behauptung, §95 Abs5 des Nö. Flurverfassungs-Landesgesetzes habe keine grundsatzgesetzliche Deckung und sei somit verfassungswidrig, trifft deshalb nicht zu, weil Ausführungsgesetze gem. Art12 B-VG jene Angelegenheiten, für die der Bundes-Grundsatzgesetzgeber keine Grundsätze aufgestellt hat, frei regeln können (Art15 Abs6 B-VG); Ausführungsgesetze dürfen dem Grundsatzgesetz allerdings nicht widersprechen. Das ist aber hier nicht der Fall und wurde auch nicht behauptet.
c) Die Beschwerdeführer sehen sich auch deshalb im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil in "den Senaten" Sachverständige nicht nur mitabstimmen, sondern auch "gegen das Gutachten eines Sachverständigen einer anderen Fachrichtung oder für das Gutachten eines Sachverständigen einer anderen, fremden Fachrichtung urteilen". Diese Vorgangsweise "erachten die Beschwerdeführer zumindest für denkunrichtig iS der reibungslosen Funktionen der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, da dieselben durch die Agrarbehörde so ausgelegt werden, daß letztlich hierin der Entzug des gesetzlichen Richters zu erblicken ist".
Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß Art12 Abs2 B-VG die Mitwirkung von Sachverständigen als Mitglieder der Agrarsenate ausdrücklich vorsieht.
Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer trifft somit nicht zu.
d) Die Beschwerdeführer führen ferner aus:
"§2 des RFG (Reichsforstgesetzes) 1852 betreffend die Verwendung des Waldgrundes zu anderen als der Holzzucht gewidmeten Zwecken.
Im Zuge des Z-Verfahrens Obritzberg wurde ein Teil der Altparzelle 143, KG O., in der Natur Wald, gerodet. Dieser Teil der Parzelle wurde ohne gesetzliche Bewilligung gerodet und in das Z-Verfahren einbezogen.
Sowohl gemäß §88 FLG f. NÖ idF LGBl. 221/1971, als auch in der Fassung des §97 des LGBl. 6650 ex 1975, sind in den Angelegenheiten des Forstrechtes die Bestimmungen der einschlägigen Gesetze anzuwenden. Weder die Entscheidung der ABB noch die Entscheidungen der Senate der Landesregierung und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft haben über das forstrechtliche Problem abgesprochen. Weder die Grundeigentümer noch die Zusammenlegungsgemeinschaft als Vertreter der Grundeigentümer im Z-Verfahren haben um eine Bewilligung zur Verwendung des Waldgrundes zu anderen als der Holzzucht gewidmeten Zwecken angesucht.
Der Anspruch auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wurde daher verletzt."
Wie immer man dieses unklare Vorbringen deutet, ist nicht erkennbar, wieso dadurch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter oder eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes erfolgt sein soll.
Das gleiche gilt hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführer, daß landwirtschaftlicher Boden zur Errichtung von Windschutzgürteln aufgeforstet worden sei.
2. Die Beschwerdeführer regen an, §7 Abs1 des Flurverfassungs-Landesgesetzes idF der Nov. LGBl. 221/1971 bzw. idF der Wiederverlautbarung LGBl. 6650-0 auf seine Verfassungsmäßigkeit sowie die Verordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 11. April 1972, Z 339/78-72, auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Nach dieser Gesetzesstelle bilden die Eigentümer der Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen werden, die Zusammenlegungsgemeinschaft. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird mit Verordnung begründet. Sie ist mit Verordnung aufzulösen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllt hat.
Mit der Verordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 11. April 1972 wurde gem. §7 Abs1 Flurverfassungs-Landesgesetz idF der Nov. 221/1971 die Zusammenlegungsgemeinschaft Obritzberg begründet und gleichzeitig erklärt, daß der bereits bestehende Ausschuß und dessen Obmann als ordnungsgemäße Organe der Zusammenlegungsgemeinschaft iS des §8 Flurverfassungs-Landesgesetz zu gelten hätten.
Auf die Bedenken der Beschwerdeführer ist deshalb mangels Präjudizialität nicht einzugehen, weil die genannten Rechtsvorschriften die Errichtung und Gründung von Zusammenlegungsgemeinschaften betreffen, den Zusammenlegungsgemeinschaften jedoch keine Befugnisse hinsichtlich der Abfindung und Rechte der einzelnen Parteien zukamen (s. §8 Abs2 litb Flurverfassungs-Landesgesetz idF der Nov. LGBl. 221/1971 sowie §8 Abs2 litb Flurverfassungs-Landesgesetz 1975, LGBl. 6650-0).
3. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides wären die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7558/1975, 7996/1977) nur verletzt worden, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.
Die Beschwerdeführer erblicken ein "nahezu willkürliches" Verhalten der belangten Behörde darin, daß diese das Vorbringen der Vertreter der Zusammenlegungsgemeinschaft geglaubt habe, wonach auch vor der Zusammenlegung das Oberflächenwasser über die Grundstücke der Beschwerdeführer abgeflossen sei und die Hofstelle noch mehr gefährdet hätte, als dies heute der Fall sei. Die Beschwerdeführer betonen, daß sie vor dem Kommassierungsverfahren durch natürliche Abflüsse einen ausreichenden Wasserschutz gehabt hätten und es keinen Fall gegeben habe, in welchem das Wasser - wie dies nach der Kommassierung geschehen sei - sturzflutartig in das Anwesen bzw. die Hofstelle der Beschwerdeführer eingedrungen sei.
Hiezu ist festzuhalten, daß der Oberste Agrarsenat zusätzlich zu bereits vom Landesagrarsenat verfügten Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserabflußverhältnisse in seinem Erk. die Errichtung weiterer Anlagen im Bereich des Weges 348 angeordnet hat.
Dieses Verhalten der belangten Behörde zeigt, daß sie bemüht war, zu einer richtigen Lösung zu gelangen. Ob die Behörde auch tatsächlich eine richtige Lösung getroffen hat, hat der VfGH nicht zu entscheiden. Willkürlich hat die Behörde jedenfalls nicht gehandelt.
Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes durch den angefochtenen Bescheid liegt somit nicht vor.
4. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7458/1974, 8083/1977) durch den in das Eigentum der Beschwerdeführer eingreifenden Bescheid des Obersten Agrarsenats (vgl. VfSlg. 7290/1974) nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Die Beschwerdeführer erachten sich deshalb im Eigentumsrecht verletzt, weil das Abfindungsgrundstück 339 KG Obritzberg bei der provisorischen Übergabe zunächst dem Erstbeschwerdeführer und sodann im Bescheid des Landesagrarsenates sowie im angefochtenen Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin zugeteilt worden sei, sodaß dieses Grundstück beiden Beschwerdeführern "ersatzlos entzogen" worden sei.
Dieses Vorbringen geht deshalb ins Leere, weil die Parteien im Zusammenlegungsverfahren keinen Anspruch darauf haben, ihre alten Grundstücke - abgesehen von Grundstücken mit besonderem Wert - wieder zu erhalten oder gleich große Grundstücke zugewiesen zu bekommen, sondern nur darauf, mit dem Wert ihrer dem Verfahren unterzogenen Grundstücke in Grund und Boden abgefunden zu werden.
Von einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes durch die Behörde kann daher keine Rede sein.
5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Bodenreform, FlurverfassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B163.1977Dokumentnummer
JFT_10199681_77B00163_00