TE Vfgh Erkenntnis 1980/3/20 G5/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.1980
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art18 Abs1
Tir JagdG 1969 §6 Abs2
Tir JagdG 1969 §36 Abs2

Leitsatz

Tir. Jagdgesetz 1969; die in §36 Abs2 zweiter Satz Tir. Jagdgesetz 1969 enthaltenen Worte "soweit nicht die Bezirksverwaltungsbehörde aus jagdwirtschaftlichen Gründen die Zusammenfassung mehrerer angrenzender Jagdgebiete zur gemeinsamen Abschußplanung" widersprechen nicht dem Art18 Abs1 B-VG

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim VwGH ist zur Z 2603/77 das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Tir. Landesregierung vom 14. November 1977 anhängig, mit dem gem. §36 Abs2 des Tir. Jagdgesetzes 1969, Anlage zur Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 1. April 1969, LGBl. 19 (künftig: TJG), bis auf Widerruf ab dem Jagdjahr 1977/78 aus jagdwirtschaftlichen Gründen die Zusammenfassung mehrerer Jagdgebiete zur gemeinsamen Abschußplanung bei Rotwild (Planungsring I) verfügt wurde.

Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens stellt der VwGH gem. Art140 B-VG den Antrag, die in §36 Abs2 zweiter Satz TJG enthaltenen Worte "soweit nicht die Bezirksverwaltungsbehörde aus jagdwirtschaftlichen Gründen die Zusammenfassung mehrerer angrenzender Jagdgebiete zur gemeinsamen Abschußplanung verfügt", als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Tir. Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie begehrt, dem Antrag des VwGH keine Folge zu geben.

II. Zur Frage der Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrages hat der VfGH erwogen:

Der VwGH ist der Ansicht, daß er im anhängigen Beschwerdeverfahren die in §36 Abs2 zweiter Satz TJG enthaltenen Worte "soweit nicht die Bezirksverwaltungsbehörde aus jagdwirtschaftlichen Gründen die Zusammenfassung mehrerer angrenzender Jagdgebiete zu gemeinsamer Abschußplanung verfügt" anzuwenden habe.

Es sind keine Umstände hervorgekommen, die gegen diese Annahme des VwGH sprechen.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist der Gesetzesprüfungsantrag zulässig.

III. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

1. §36 TJG, der die vom VwGH angefochtene Bestimmung enthält, findet sich in dem mit "Besondere jagdrechtliche Vorschriften" überschriebenen Abschn. VIII des Tir. Jagdgesetzes.

Gem. §36 Abs1 hat der Abschuß von Schalenwild - mit Ausnahme des Schwarzwildes -, von Auer- und Birkhahnen und Murmeltieren im Rahmen eines Abschußplanes zu erfolgen.

§36 Abs2 TJG lautet:

"(2) Der Abschußplan ist so zu erstellen, daß der für jedes Jagdgebiet mit Rücksicht auf seine Größe und Lage, auf die natürlichen Äsungsverhältnisse und auf die Interessen der Landeskultur zulässige Wildstand erreicht und erhalten, aber nicht überschritten wird. Der Abschußplan ist für ein Jagdjahr und für jedes Jagdgebiet zu erstellen, soweit nicht die Bezirksverwaltungsbehörde aus jagdwirtschaftlichen Gründen die Zusammenfassung mehrerer angrenzender Jagdgebiete zu gemeinsamer Abschußplanung verfügt."

2. Der VwGH trägt gegen die angefochtene Gesetzesstelle im wesentlichen folgende Bedenken vor:

a) Die Regelung lasse es offen, unter welchen Voraussetzungen die Zusammenfassung von Jagdgebieten zu gemeinsamer Abschußplanung zu verfügen sei. Der in dieser Gesetzesstelle verwendete Ausdruck "aus jagdwirtschaftlichen Gründen" sei im vorliegenden normativen Zusammenhang inhaltlich nicht hinlänglich bestimmt. Es sei also nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen von der Verfügung der Zusammenfassung zu gemeinsamer Abschußplanung Abstand zu nehmen und unter welchen Voraussetzungen eine solche Verfügung zu treffen sei. Schon aus diesem Grunde widerspreche der zweite Halbsatz des §36 Abs2 zweiter Satz TJG dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz des Art18 Abs1 B-VG.

b) Dem Jagdgesetz sei nicht zu entnehmen, welchen normativen Gehalt die Verfügung der Zusammenfassung mehrerer Jagdgebiete zu gemeinsamer Abschußplanung haben solle und welche Folgen sich aus einer solchen Verfügung für die Bescheidadressaten ergäben. Das Jagdgesetz enthalte keine Bestimmung darüber, wer, falls die Bezirksverwaltungsbehörde eine Verfügung iS des §36 Abs2 zweiter Halbsatz des zweiten Satzes TJG erläßt, anstelle des für jedes festgestellte Jagdgebiet Jagdausübungsberechtigten als Antragsteller aufzutreten habe, bzw. wer nach Genehmigung des Abschußplanes für dessen Einhaltung verantwortlich sei.

Das Gesetz stelle auch nicht klar, wie Jagdausübungsberechtigte, die zu gemeinsamer Abschußplanung zusammengeschlossen worden seien, vorzugehen hätten, ob die Planerstellung nach dem Prinzip der Einstimmigkeit zu erfolgen habe oder ob das Prinzip der einfachen oder einer qualifizierten Mehrheit maßgeblich sei. Demnach sei auch nicht erkennbar, ob ein von Amts wegen festgelegter Abschußplan für alle Jagdausübungsberechtigten zu gelten habe, wenn auch nur einer der Betroffenen einen gemeinsam erstellten Abschußplan nicht unterstütze.

Eine gleichwohl, dh. fakultativ, getroffene zivilrechtliche Regelung würde nur zwischen den beteiligten Personen wirken, da das TJG tatbestandsmäßig an solche Regelungen nicht anknüpfe.

Dies heiße mit anderen Worten, daß die angefochtene Regelung unvollziehbar sei; auch aus diesem Grunde widerspreche sie Art18 Abs1

B-VG.

3. Die Tir. Landesregierung hält den Ausführungen des VwGH entgegen, daß es sich bei den im zweiten Halbsatz des §36 Abs2 zweiter Satz TJG genannten "jagdwirtschaftlichen Gründen" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, der im Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes eine den Voraussetzungen des Art18 Abs1 B-VG entsprechende, ausreichend bestimmte Regelung umschreibe. Der Abschn. VIII des TJG stehe unter der Überschrift "Besondere jagdwirtschaftliche Vorschriften", dh. die in diesem Abschn. geregelten Lebens- und Sachbereiche seien denknotwendig dem Begriff "Jagdwirtschaft" zuzuordnen. Als "jagdwirtschaftliche Gründe" seien daher all jene Umstände zu bezeichnen, die im Hinblick auf eine geordnete Jagdwirtschaft wegen ihres untrennbaren Zusammenhanges mit der Jagd in diesem Abschnitt eine Regelung finden. In diesem Zusammenhange seien auch die Bestimmungen der §§6 und 7 der Verordnung der Landesregierung vom 1. April 1969 zur Durchführung des TJG 1969, LGBl. 20, idF der Verordnung der Landesregierung vom 30. März 1976, LGBl. 19, die wichtige jagdwirtschaftliche Vorschriften enthalten, zu berücksichtigen.

Unter Abschußplanung sei nach dem klaren Wortlaut nichts anderes zu verstehen, als nach bestimmten vorgegebenen Richtlinien einen künftigen Abschuß zu planen und aufgrund dieser Planung einen Abschußplan zu erstellen. Dieser habe darauf Bedacht zu nehmen, daß der für die zusammengefaßten Jagdgebiete - als Einheit betrachtete - zulässige Wildstand erreicht und erhalten, aber nicht überschritten werde.

Welchen normativen Inhalt die Verfügung der Zusammenfassung mehrerer Jagdgebiete zu gemeinsamer Abschußplanung haben solle, sei dem Jagdgesetz mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Aus dem Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen des §36 leg. cit. ergebe sich unzweifelhaft, daß im Falle der Zusammenfassung mehrerer angrenzender Jagdgebiete zu gemeinsamer Abschußplanung die Verpflichtung zur Erstellung des Abschußplanes die Jagdausübungsberechtigten der zusammengefaßten Jagdgebiete gemeinsam treffe. Sollte es zwischen den Parteien zu keiner Einigung kommen und der Abschußplan nicht vorgelegt werden können, so habe die Bezirksverwaltungsbehörde den Abschuß nach Anhören des Bezirksverwaltungsjagdbeirates von Amts wegen gem. §7 Abs2 der Durchführungsverordnung zum TJG festzusetzen. Auch das Problem der Verantwortlichkeit für die Einhaltung des Abschußplanes bereite keine Schwierigkeiten: Jeder der Jagdausübungsberechtigten sei in gleicher Weise für die Einhaltung des Abschußplanes verantwortlich.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei es nicht Aufgabe der Behörde, Einfluß auch auf die interne Verteilung der von ihr genehmigten Abschüsse auf die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft zu nehmen. Dies sei vielmehr eine - gleich dem Jagdrecht an sich - aus dem Grundeigentum erfließende Befugnis und daher auch nach Privatrecht zu beurteilen.

4. Die im Antrag des VwGH vorgebrachten Bedenken treffen nicht zu.

a) Ob in Fällen, in denen sich der Gesetzgeber unbestimmter Begriffe bedient, eine zureichende Determination vorliegt, hängt davon ab, ob - unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß ein unbestimmter Rechtsbegriff dem Vollzugsorgan stets einen gewissen Spielraum einräumt (zB VfSlg. 5107/1965) - das Gesetz entsprechend dem Art18 Abs1 B-VG das verwaltungsbehördliche Verhalten in einem solchen Maße vorherbestimmt, daß es objektiv möglich ist, die Übereinstimmung der individuellen Verwaltungsakte mit dem Gesetz zu überprüfen (zB VfSlg. 7163/1973).

b) Demgemäß ist aufgrund des vorliegenden Antrages des VwGH vom VfGH zu prüfen, ob dem Gesetz entnommen werden kann, was unter "aus jagdwirtschaftlichen Gründen" zu verstehen ist. Die Tir. Landesregierung hat in ihrer Äußerung eingehend dargelegt, welcher Inhalt dem Gesetz nach ihrer Ansicht beizumessen ist. Der VwGH hat repliziert, daß auch aus den Ausführungen der Tir. Landesregierung nicht ersichtlich sei, wo die Grenze zwischen den Fällen zu ziehen sei, in denen der Jagdberechtigte einen Anspruch hat, einen Abschußplan für sein Jagdgebiet zu erstellen und den anderen Fällen, in denen er einer Zusammenfassung seines Jagdgebietes mit angrenzenden Jagdgebieten zu gemeinsamer Abschußplanung nicht zu Recht entgegentreten könne.

Mit der Frage, welches Ziel eine Abschußplanregelung gem. §36 Abs2 erster Satz TJG zu verfolgen habe, hat sich der VwGH bereits mit VwSlg. 8808 A/1975 eingehend befaßt und hiezu ausgeführt: "Es soll einerseits für die Erhaltung eines gesunden, artenreichen Wildstandes Sorge getragen, andererseits aber die Wilddichte unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft geregelt werden."

Auch mit dem Begriff "Jagdwirtschaft" hat sich der VwGH bereits mit Erk. v. 20. Feber 1964, Z 1134/63, auseinandergesetzt und hiezu ausgeführt, daß nach dem herkömmlichen Begriff des "Bewirtschaftens" mehr verstanden werden muß als die Tatsache, daß in einem bestimmten Gebiet zureichende Einstands- und Äsungsverhältnisse gegeben sind. Der Begriff "Jagdwirtschaft" setze vielmehr eine planmäßige, auf Wildarten abgestimmte weidgerechte Hege und Erlegung des Wildes voraus. Wenn §6 Abs2 TJG als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Zerlegung eines Genossenschaftsjagdgebietes die jagdwirtschaftliche Rechtfertigung einer solchen Maßnahme begehre, dann könne darunter nicht bloß verstanden werden, daß beide Teilgebiete überhaupt bejagdbar sind, es komme vielmehr darauf an, ob sich die jagdwirtschaftlichen Verhältnisse durch die Zerlegung günstiger oder ungünstiger gestalten. Der VwGH hat als Maßstab dafür, wann gem. §6 Abs2 TJG ein Anspruch auf die Zerlegung einer Genossenschaftsjagd besteht, die Beantwortung der Frage angesehen, ob sich durch diese Maßnahme die jagdwirtschaftlichen Verhältnisse, nämlich die planmäßige, auf Wildarten abgestimmte weidgerechte Hege und Erlegung des Wildes, günstiger gestalten. Die vom VwGH mit diesem Erkenntnis erarbeiteten Kriterien finden sich in gleicher Weise verknüpft in §36 Abs2, wobei der Regelungszusammenhang es nahelegt, die im zweiten Halbsatz des zweiten Satzes des §36 Abs2 TJG verwendeten Worte "aus jagdwirtschaftlichen Gründen" dahin zu verstehen, daß sie das gleiche zum Ausdruck bringen wie die in §6 Abs2 TJG verwendete Wortfolge "jagdwirtschaftliche Rechtfertigung". Wird unter "aus jagdwirtschaftlichen Gründen" verstanden, daß eine Maßnahme jagdwirtschaftlich begründet sein muß, so ist dies ein in gleicher Weise mögliches Auslegungsergebnis wie die Deutung, die der VwGH dem in §6 Abs2 verwendeten Worten "jagdwirtschaftlich gerechtfertigt" angedeihen ließ. Aufgrund dieser, auf der Rechtsprechung des VwGH selbst beruhenden Überlegungen kommt der VfGH somit zu dem Ergebnis, daß der Auffassung des VwGH, die angefochtene Regelung sei inhaltlich nicht hinlänglich bestimmt, nicht gefolgt werden kann.

5. Die im Art18 Abs1 B-VG festgelegte Voraussetzung der Vollziehbarkeit eines Rechtsbegriffes betrifft ausschließlich die Frage, ob das in Vollziehung dieses Rechtsbegriffes gesetzte Verhalten der Behörde auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann. Die Ausführungen des VwGH, daß das TJG Regelungen über die interne Verteilung der aus der Zusammenfassung mehrerer Jagdgebiete zur gemeinsamen Abschußplanung resultierenden Rechte und Pflichten zwischen den mehreren Jagdberechtigten nicht enthalte, gehen aber an diesem Thema vorbei. Sie betreffen nicht die Frage, ob das Gesetz die Voraussetzungen der Zusammenfassung mehrerer Jagdgebiete zur gemeinsamen Abschußplanung hinlänglich determiniert, sondern die davon völlig verschiedene und hier nicht zu beantwortende Frage, ob das Gesetz die durch die Zusammenfassung herbeigeführte Situation ausreichend regelt. Es braucht daher auch nicht untersucht zu werden, ob die von der Tir. Landesregierung vorgetragene Ansicht darüber, wie diese Situation zu bewältigen ist, im TJG und in der zu seiner Durchführung erlassenen Verordnung eine Stütze findet.

6. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Antrag des VwGH nicht begründet ist, sodaß ihm keine Folge zu geben war.

Schlagworte

Rechtsbegriffe unbestimmte, Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, Jagdrecht, Jagdgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:G5.1979

Dokumentnummer

JFT_10199680_79G00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten