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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Beachte
Anlaßfall zu G13/79 v. 17. Dezember 1979Leitsatz
Oö. Fremdenverkehrsgesetz, LGBl. 64/1964, idF der Nov. LGBl. 2/1976; keine denkunmögliche Auslegung des §7; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Beschwerdeführerin ist ein Versicherungsunternehmen. Sie betreibt eine Zweigniederlassung "Direktion für Österreich" in Wien. In Linz unterhält die Beschwerdeführerin eine Betriebsstätte. Ein angestellter Vertreter der Beschwerdeführerin ist für sie im Raum Gmunden tätig.
Mit Bescheid vom 23. September 1976 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Gmunden der B. Versicherungs-Gesellschaft, Filialdirektion für OÖ und Sbg. in Linz, gem. §7 des Oö. Fremdenverkehrsgesetzes 1965, LGBl. 64/1964, idF der Nov. LGBl. 2/1976 (künftig FremdenverkehrsG genannt), für das Jahr 1976 einen Fremdenverkehrs-Interessentenbeitrag von 400 S vor. Gmunden ist Kurort (s. die Verordnung der Oö. Landesregierung vom 11. Mai 1964, LGBl. 19/1964, iVm §§2 und 11 des FremdenverkehrsG). Gegen diesen Bescheid erhob die "Filialdirektion für Oberösterreich und Salzburg" Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden gab der Berufung mit Bescheid vom 1. März 1977 teilweise Folge und bestimmte den Fremdenverkehrs-Interessentenbeitrag mit 300 S.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welcher mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 10. Mai 1977 keine Folge gegeben wurde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gem. Art144 B-VG erhobene Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet.
II. Der VfGH hat aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Abs2 und 3 des §7 FremdenverkehrsG eingeleitet. Mit dem Erk. des VfGH vom 17. Dezember 1979, G13/79, wurden diese Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt.
a) Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden an die B.
Versicherungs-Gesellschaft, Filialdirektion für OÖ und Sbg. in Linz, ergangen sei, welcher keine Rechtspersönlichkeit zukomme. Aufgrund der Ausführungen über die mangelnde Passivlegitimation der Filialdirektion in Linz in der Berufung habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid gegen die Beschwerdeführerin (Direktion für Österreich in Wien) erlassen. Die belangte Behörde habe damit "gegen die Beschwerdeführerin in erster Instanz entschieden", sodaß dieser dadurch der Instanzenzug verkürzt worden sei.
Hierin kann kein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegen. Der erstinstanzliche Bescheid wurde an die Filialdirektion für OÖ und Sbg. in Linz gerichtet. Die Filialdirektion stellt (nur) eine organisatorische Ausgliederung innerhalb des Unternehmens der Beschwerdeführerin dar; der Bescheid ist somit der Beschwerdeführerin zugekommen.
b) Die Beschwerdeführerin erachtet sich auch deshalb im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil der angefochtene Bescheid nicht aufgrund eines Sitzungsbeschlusses der Oö. Landesregierung ergangen sei, obwohl nach der geltenden Geschäftsordnung der Oö. Landesregierung "das Ministerialsystem nicht eingeführt" sei.
Nach §2 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Verordnung der Oö. Landesregierung vom 11. August 1975 über die Besorgung von Geschäften der Landesregierung, LGBl. 41/1975, sind die in die Zuständigkeit der Landesregierung fallenden Geschäfte (mit Ausnahme einiger in §1 der Verordnung aufgezählter hier nicht in Betracht kommender Angelegenheiten) von den nach der jeweils geltenden, in der Amtlichen Linzer Zeitung kundgemachten Geschäftsverteilung der Landesregierung zuständigen Mitgliedern der Landesregierung namens der Landesregierung zu besorgen. Gegen eine derartige Regelung bestehen keine Bedenken (s. VfSlg. 7642/1975 und die dort angeführte Vorjudikatur). Es bedurfte zur Erlassung des angefochtenen Bescheides daher auch keines Beschlusses des Kollegiums der Landesregierung.
Es geht somit auch das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin ins Leere.
2. Der angefochtene Bescheid greift durch die Vorschreibung einer Geldleistung in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 6977/1973, 7212/1973) nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Die belangte Behörde geht davon aus, daß die Beschwerdeführerin durch ihren Angestellten in Gmunden eine Erwerbstätigkeit iS des FremdenverkehrsG ausübe. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin in Gmunden kein Versicherungsbüro bzw. keine eigene Betriebsstätte unterhalte, sei für die Beurteilung der Beitragspflicht unwesentlich, da das Gesetz nur auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bereich des Fremdenverkehrsverbandes abstelle.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, ihr Angestellter betreue im Raum Gmunden Versicherungsnehmer, jedoch stelle dies nur einen Teilbereich, nämlich den unmittelbaren Verkehr mit den Versicherungsnehmern, in der Tätigkeit der Beschwerdeführerin dar. Sämtliche anderen Bereiche des Geschäftsbetriebes der Beschwerdeführerin, zB Administration, Buchhaltung, Erledigung von Versicherungsfällen, Ausstellung von Versicherungsverträgen usw. würden im Büro der Beschwerdeführerin in Wien erledigt. Das FremdenverkehrsG sehe jedoch nicht vor, daß bereits einzelne Handlungen im Rahmen der Erwerbstätigkeit einen Anknüpfungspunkt zur Abgabepflicht bilden. Die Beschwerdeführerin entfalte daher in Gmunden keine Erwerbstätigkeit iS des §7 FremdenverkehrsG.
Gemäß §7 Abs1 FremdenverkehrsG haben die Fremdenverkehrsinteressenten an den Fremdenverkehrsverband, in dessen Bereich sie ihren Beruf oder ihre Erwerbstätigkeit ausüben, Interessentenbeiträge zu leisten.
Die belangte Behörde geht davon aus, daß die Beschwerdeführerin in Gmunden eine Erwerbstätigkeit ausübe, weil die Kunden im Raum Gmunden durch den angestellten Vertreter der Beschwerdeführerin geworben, aufgesucht, beraten und betreut werden.
Die Auslegung der Behörde, wonach es darauf ankommt, wo die Erwerbstätigkeit nach außen ausgeübt wird, kann nicht als denkunmöglich bezeichnet werden. In welcher Weise die Tätigkeit innerhalb des Unternehmens der Beschwerdeführerin organisatorisch verteilt wird, ist bei dieser Auslegung unerheblich (s. das in einem vergleichbaren Fall ergangene Erk. VfSlg. 8526/1979).
Die Beschwerdeführerin wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
3. Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist im Zuge des Verfahrens vor dem VfGH nicht hervorgekommen.
Die Beschwerdeführerin ist daher auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, Landesregierung, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B223.1977Dokumentnummer
JFT_10199491_77B00223_00