Index
13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verteilungsgesetz Polen; keine Bedenken gegen §7 Abs2 idF der Nov. BGBl. 155/1976Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger.
Sein Vater J. W. war Gesellschafter der C. W. OHG, Fischkonservenfabrik und Sägewerk in M.-D. bei K./Polen. Dieses Unternehmen wurde im Jahre 1948 verstaatlicht.
J. W. ist am 1. September 1951 unter Hinterlassung eines Testamentes verstorben. Den Beschwerdeausführungen zufolge sind dem Beschwerdeführer aufgrund dieses Testamentes als Vorausvermächtnis 5/6 tel des Anteiles seines Vaters an der C. W. OHG/Polen zugefallen.
Der Nachlaß des J. W. wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6. Mai 1954, 9 A 418/52-25, zu einem Viertel dem Beschwerdeführer rechtskräftig eingeantwortet.
b) Der Beschwerdeführer hat nach dem Anmeldegesetz Polen, BGBl. 235/1971, idF der Nov. BGBl. 327/1974, fristgerecht den Verlust von Kapitalanteilen an der C. W. OHG/Polen angemeldet.
Der Feststellungssenat bei der Bundesverteilungskommission beim Bundesministerium für Finanzen hat mit Bescheid vom 7. Juli 1978 entschieden, daß der angemeldete Anspruch teilweise zu Recht besteht und daß der den Anspruch begründende Verlust an sonstigem Vermögen mit 53715 S festgestellt wird.
Im wesentlichen wird diese Entscheidung damit begründet, daß der ursprünglich Anspruchsberechtigte J. W. vor dem 6. Oktober 1970 (Tag der Unterzeichnung des Vermögensvertrages Polen, BGBl. 74/1974) verstorben sei. Die Entschädigung sei nach §7 Abs2 des Verteilungsgesetzes Polen, BGBl. 75/1974, idF der Nov. BGBl. 155/1976 (im folgenden kurz: VGP), seinen Rechtsnachfolgern von Todes wegen entsprechend ihrer Quoten in der Rechtsnachfolge zu leisten. Wer Erbe bzw. Rechtsnachfolger des Verstorbenen sei, könne nur nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung beurteilt werden. Der Nachlaß des J. W. sei bloß zu einem Viertel dem Beschwerdeführer eingeantwortet worden. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers habe daher nicht berücksichtigt werden können, da bei der Berechnung der Entschädigung von den Feststellungen der Einantwortungsurkunde und nicht vom Testament des Erblassers mit den einzelnen Vermächtnissen auszugehen gewesen sei, und es dem Beschwerdeführer als Vermächtnisnehmer freistehe, seine allfälligen Ansprüche aus der letztwilligen Anordnung seines Vaters gegen die übrigen Erben geltend zu machen.
2. Gegen diesen Bescheid der Bundesverteilungskommission wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der ausschließlich behauptet wird, der Beschwerdeführer sei durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (§7 Abs2 VGP) in seinen Rechten verletzt worden.
Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Nach dem Vermögensvertrag Polen zahlt die Volksrepublik Polen an die Republik Österreich eine im Art3 bestimmte Globalentschädigung zur vollständigen und endgültigen Befriedigung bestimmter Ansprüche der Republik Österreich sowie österreichischer physischer und juristischer Personen gegenüber der Volksrepublik Polen sowie gegenüber polnischen physischen und juristischen Personen. Nach Art5 des Vermögensvertrages hat die vollständige Bezahlung der Globalsumme schuldbefreiende Wirkung für die Volksrepublik Polen sowie für polnische physische und juristische Personen gegenüber der Republik Österreich und den in Art1 angeführten österreichischen physischen und juristischen Personen hinsichtlich der unter Art1 fallenden Ansprüche.
Art1 Abs2 des Vermögensvertrages Polen legt fest, wer als "Österreichische Person" iS dieses Vertrages gilt.
Der folgende Abs3 lautet:
"Die in den Absätzen 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen gelten sinngemäß für Rechtsnachfolger der in Abs2 genannten Personen, wenn diese Rechtsnachfolger im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages entweder als physische Personen die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen oder als juristische Personen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich hatten."
Das VGP regelt innerstaatlich die Weitergabe der von Polen aufgrund des mit Polen abgeschlossenen Vermögensvertrages zu leistenden Globalentschädigung.
§7 Abs1 VGP legt fest, wer eine österreichische physische Person ist, der (ursprünglich) ein solcher Entschädigungsanspruch zukommt.
§7 Abs2 VGP lautet:
"Ist eine physische Person vor dem 6. Oktober 1970 verstorben und besaß sie sowohl am 27. April 1945 als auch zum Zeitpunkt der Maßnahme die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist die Entschädigung Rechtsnachfolgern von Todes wegen entsprechend ihrer Quoten in der Rechtsnachfolge zu leisten, wenn sie am 6. Oktober 1970 österreichische Staatsbürger waren oder als juristische Personen an diesem Tag ihren Sitz im Gebiet der Republik Österreich gehabt haben."
b) Mit Erk. VfSlg. 7659/1975 hat der VfGH - unter Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 5572/1967 - eine im §7 Abs2 VGP (in der Stammfassung) enthaltene Wendung deshalb als verfassungswidrig aufgehoben, weil damit die Anspruchsberechtigung enger gezogen worden war als im Vermögensvertrag Polen. Der VfGH hat es als sachlich nicht gerechtfertigt und sohin als gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstoßend erachtet, daß einerseits im Vermögensvertrag Polen die Ansprüche aller Rechtsnachfolger anerkannt und der Berechnung der Globalsumme zugrundegelegt wurden, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen (Österreich sich also legitimiert gefühlt hat, für diese Personen zu sprechen und Ansprüche gegenüber Polen zu stellen, gleichgültig ob die Rechtsnachfolger vor Vertragsabschluß die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben oder nicht) und daß andererseits das VGP einen Teil der Rechtsnachfolger von der Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Globalsumme ausgeschlossen hat, obgleich diese Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses österreichische Staatsbürger waren.
Der VfGH hat in den Erk. VfSlg. 8422/1978 und vom 15. März 1980, B201/78, an diesem Grundgedanken festgehalten.
Diese Judikatur geht davon aus, daß das Gesetz den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen dürfe als der Vermögensvertrag.
2. Der Beschwerdeführer behauptet, §7 Abs2 VGP idF der Nov. BGBl. 155/1976 sei verfassungswidrig. Die Behörde habe ihm bloß eine Entschädigung auf der Basis seiner Erbquote von einem Viertel unter Außerachtlassung des Vorausvermächtnisses bzw. seines Anteiles von 5/6 tel am Anteil des Erblassers am polnischen Unternehmen zuerkannt.
§7 Abs2 VGP verstoße gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz, weil diese Gesetzesstelle für den Fall des Todes eines (ursprünglich) Anspruchsberechtigten bestimme, daß die Entschädigung lediglich "den Rechtsnachfolgern von Todes wegen entsprechend ihren Quoten in der Rechtsnachfolge zu leisten ist". Dem Beschwerdeführer sei daher nicht jene Entschädigung geleistet worden, die jenem Anteil am (polnischen) Firmenvermögen des Erblassers entsprochen hätte, der dem Beschwerdeführer aufgrund des erwähnten Vorausvermächtnisses über seine Erbquote hinaus gebührt habe. §7 Abs2 VGP differenziere in sachlich nicht begründeter Weise zwischen dem Erwerb als Erbe und aufgrund eines Legates.
3. Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen §7 Abs2 VGP (auf den der angefochtene Bescheid in materieller Hinsicht vor allem gegründet ist) keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insb. besteht kein - gleichheitswidriger (s. o. II.1.b) - Widerspruch zwischen dem Vermögensvertrag und dem innerstaatlichen Durchführungsgesetz. Zwar spricht Art1 Abs3 des Vermögensvertrages davon, daß (sekundär) Geschädigte auch "Rechtsnachfolger" (schlechthin) sein können; §7 Abs2 VGP hingegen bestimmt, daß im Falle des Todes des primär Anspruchsberechtigten die Entschädigung seinen "Rechtsnachfolgern von Todes wegen nach ihren Anteilen in der Rechtsnachfolge zu leisten ist".
Ausgehend von der Auffassung, daß der Legatar Rechtsnachfolger des Verstorbenen ist, ergibt sich das Problem einer möglichen Konkurrenz zwischen Singular- und Universalsukzessor. Das Gesetz hat dann zu entscheiden, wer bei einer solchen Konkurrenz von Rechtsnachfolgern der (sekundär) Anspruchsberechtigte sein soll. Das Gesetz gewährleistet damit, daß dann, wenn eine Rechtsnachfolge in den Ansprüchen gegenüber Polen eingetreten ist, auch ein Anspruch nach dem VGP begründet wird, sofern der Rechtsnachfolger nur zum Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft hatte. Eine derartige Entscheidung für die eine oder andere Gruppe von Rechtsnachfolgern muß das Gesetz treffen, weil verhindert werden soll, daß aufgrund einer primären Anspruchsberechtigung mehrere (konkurrierende) sekundäre Ansprüche abgeleitet werden. Die getroffene Regelung schließt den aufgrund des VGP bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch der Erben für den Fall nicht aus, daß der verstorbene primär Anspruchsberechtigte seine Ansprüche auf in Polen befindliche Vermögenswerte zur Gänze oder zum Teil einem Legatar vermacht hat; auch in diesem Fall behalten die Erben ihren Anspruch nach dem VGP. Zwischen dem Vermögensvertrag Polen und dem VGP besteht sohin - auch wenn das Gesetz den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt hat - in der hier maßgeblichen Hinsicht Kongruenz (vgl. das die Übereinstimmung zwischen Art2 Abs2 des Vermögensvertrages CSSR und §6 des EG-CSSR feststellende hg. Erk. vom 15. 3. 1980 B201/78).
Die vom innerstaatlichen Durchführungsgesetz getroffene Auswahl unter den möglichen Nachfolgern ist aufgrund der oben angestellten Überlegungen durchaus sachlich. Dazu kommt, daß die getroffene Regelung im Interesse einer Verwaltungsökonomie liegt, erspart sie doch der Bundesverteilungskommission, eigene Überlegungen in Ansehung der Rechtsnachfolge zu treffen und ermöglicht ihr, sich auf die Einantwortungsurkunde zu beziehen.
4. Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen den bei Erlassung des bekämpften Bescheides angewendeten §7 Abs2 VGP keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die (ausschließliche) Behauptung des Beschwerdeführers, wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (nämlich des §7 Abs2 VGP) in seinen Rechten verletzt worden zu sein, trifft sohin nicht zu.
Die Beschwerde war daher abzuweisen, ohne daß zu untersuchen war, ob der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
Schlagworte
Entschädigung Polen, VfGH / Prüfungsmaßstab, RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B482.1978Dokumentnummer
JFT_10199394_78B00482_00