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58 Berg- und EnergierechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz; keine Bedenken gegen §2 Abs1, §3 Abs1 und §8 Abs3; keine denkunmögliche Anwendung des §8 Abs3; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft hat mit Ansuchen vom 28. Jänner 1977, ergänzt mit Schreiben vom 6. April 1977, beim Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie den Antrag gestellt, ihr gem. §8 Abs3 des Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetzes, BGBl. 318/1976 (im folgenden kurz: EBMG), zu genehmigen, anstelle von Pflichtnotstandsreserven an Heizöl Reserven an Steinkohle und Steinkohlenkoks zu halten.
b) Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat mit Bescheid vom 6. Juli 1977 das Ansuchen abgewiesen und dies im wesentlichen wie folgt begründet:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß die Beschwerdeführerin die gewerblichen Berechtigungen zum Handel mit Brennstoffen aller Art und für das Handelsgewerbe gem. §103 Abs1 litb Z25 GewO 1973, beschränkt auf den Großhandel, besitze.
Im folgenden wird in der Bescheidbegründung ausgeführt:
"Im Jahre 1976 hat das Unternehmen folgende Umsätze getätigt:
Feste Brennstoffe:
Steinkohle und Steinkohlenkoks 20814 t, Braunkohle und Braunkohlenbrikette 13617 t = 34431 t.
Flüssige Brennstoffe:
Ofenöl extra leicht 19949 t, Heizöl leicht und mittel 38489 t, Heizöl schwer 86707 t = 145145 t.
Folgende Mengen an Erdölprodukten wurden im Jahr 1976 und von 1. Jänner 1977 bis 30. April 1977 importiert:
Ges. Importe im Jahr 1976: 73010 t Heizöl; Importe vom 1. Jänner 1977 bis 30. April 1977 18319 t Heizöl.
In rechtlicher Hinsicht ist zu bemerken:
Gemäß §2 Abs1 EBMG haben physische und juristische Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts, die Erdöl oder Erdölprodukte importieren (Vorratspflichtige), Pflichtnotstandsreserven an Erdöl oder Erdölprodukten zu halten. Die Höhe beträgt nach dem Schlüssel des §3 Abs1 derzeit 5% des Importes an Erdöl und den einzelnen Erdölprodukten im Jahr 1976. Auf Antrag des Vorratspflichtigen kann gemäß §8 Abs3 EBMG jedoch festgestellt werden, ob und inwieweit aus besonderen betrieblich begründeten Gegebenheiten an Stelle von Pflichtnotstandsreserven an Erdöl oder Erdölprodukten Reserven an anderen Energieträgern gehalten werden können. Dabei ist auf die jeweilige Lage der Energieversorgung und die Möglichkeit der Substitution Bedacht zu nehmen.
Die betriebliche Situation der Antragstellerin ist die, daß sie gleicherweise bei festen und flüssigen Brennstoffen im Handel tätig ist, wobei der Anteil der flüssigen Brennstoffe überwiegt. Was die von ihr dargetane Möglichkeit anlangt, durch Abschluß privatrechtlicher Verträge Steinkohle und Steinkohlenkoks bei anderen zu lagern, so ist darauf hinzuweisen, daß ihr dieselbe Möglichkeit auch für die Lagerung von Erdölprodukten zu Gebote steht (vgl. §4 Z3 und 4 EBMG).
Die Gesichtspunkte der Energieversorgung, unter deren Aspekte eine Entscheidung zu treffen ist, sind jene, daß bei einer von außen verursachten Störung der Mineralölimporte und der damit verbundenen kritischen wirtschaftlichen Situation die Energieversorgung wenigstens teilweise unter anderem auch dadurch aufrechterhalten werden kann, daß auf bereitgehaltene zusätzliche Lager von Rohöl oder Erdölprodukten gegriffen wird (vgl. dazu 12 der Beil. zu den sten. Prot. d. NR., XIV. GP., S. 14 f in Verbindung mit 1594 d. Beil. zu den sten. Prot. d. Nr., XIII. GP., S. 51 f). Dies setzt zwingend die Möglichkeit voraus, in diesen Krisensituationen raschest über die Vorräte disponieren zu können, wie dies auch in dem mit dem EBMG eine Einheit bildenden Energielenkungsgesetz, BGBl. 319/1976 vorgesehen ist. Sollen nun an Stelle der primär zum Einsatz bestimmten Erdölprodukte andere Energieträger für diesen Zweck verwendet werden, ist unter diesen Gesichtspunkten ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Es muß also unbedingt gesichert sein, daß in Krisenzeiten kurzfristigst Energieanlagen vom Betrieb mit Erdölprodukten funktionsfähig auf den Betrieb mit anderen Energieträgern umgestellt werden können, und zwar im Rahmen der faktischen und rechtlichen Möglichkeiten innerhalb der betrieblichen Sphäre des Lagerhalters selbst. Im gegenständlichen Fall ist dies bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Antragstellers nicht der Fall.
Was schließlich das von der Antragstellerin gebrachte Argument betrifft, daß die Importe an Heizöl schwer für den Westen Österreichs unbedingt erforderlich seien und keine Konkurrenzierung der ÖMV bedeuten, so ist es im gegebenen Zusammenhang unverständlich. Es läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß gerade die Notstandsreserven an Heizöl schwer im Westen Österreichs dringend forciert werden müssen."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Nach §2 Abs1 EBMG haben physische und juristische Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes, die Erdöl und Erdölprodukte importieren, nach Maßgabe der §§3 bis 10 Pflichtnotstandsreserven an Erdöl oder Erdölprodukten zu halten (Vorratspflichtige).
§3 Abs1 legt ua. fest, daß Vorratspflichtige ab 1. März 1977 je 5% (ab 1. März 1978 gelten andere Prozentsätze) des Importes an Erdöl und den einzelnen Erdölprodukten im vorangegangenen Kalenderjahr als Pflichtnotstandsreserven im Inland zu halten haben.
§8 Abs3 EBMG lautet:
"Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kann auf Antrag des Vorratspflichtigen durch Bescheid festlegen, ob und inwieweit aus besonderen betrieblich begründeten Gegebenheiten an Stelle von Pflichtnotstandsreserven an Erdöl oder Erdölprodukten Reserven an anderen Energieträgern oder an nur im Notstandsfall zu nützenden Produktionsmöglichkeiten an alternativen Energieträgern (Art2 der Anlage zum IEP-Übereinkommen) gehalten werden können. Dabei hat er auf die jeweilige Lage der Energieversorgung, die Möglichkeit der Substitution und die technischen Gegebenheiten der nicht genützten Produktionsmöglichkeiten sowie auf die Dauer ihrer Inbetriebsetzung Bedacht zu nehmen."
§8 Abs4 enthält den Umrechnungsschlüssel für die Berechnung der Ersatzmengen.
b) Die Beschwerdeführerin scheint zunächst der Meinung zu sein, daß §8 Abs3 EBMG das Verhalten der Verwaltungsbehörden nicht hinreichend vorausbestimme und daher dem Art18 B-VG widerspreche.
Der VfGH teilt diese Bedenken nicht:
Es trifft zwar zu, daß bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen, und zwar so, daß die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes in der Lage sind, die Übereinstimmung der Verwaltungsakte mit dem Gesetz zu überprüfen (s. die ständige Judikatur des VfGH, zB VfSlg. 8395/1978). Dieses Determinierungsgebot darf aber - gerade im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung wirtschaftlicher Tatbestände - nicht überspannt werden (vgl. zB VfSlg. 8203/1977).
Aus dem Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung und dem Ziel des Gesetzes, auch in Krisenzeiten die Energieversorgung zu sichern, lassen sich in einer dem Rechtsstaatlichkeitgebot des Art18 B-VG ausreichenden Weise Richtlinien dafür ableiten, unter welchen Voraussetzungen das Halten von Reserven an Ersatz-Energieträgern anstelle von Erdöl und Erdölprodukten zu bewilligen ist.
c) In der Beschwerde wird darauf verwiesen, daß die Verpflichtung, Reserven an Erdöl und Erdölprodukten zu halten, eine wirtschaftliche Belastung darstelle. Diese treffe "freie Importeure" härter als "staatliche Betriebe, bzw. Betriebe, an denen die Republik die Mehrheit hat" (ÖMV und Tochtergesellschaft). Dadurch werde das Gleichheitsgebot, das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Erwerbsbetätigungen verletzt.
Den über weite Strecken geradezu unverständlichen Beschwerdeausführungen ist zu entgegnen:
Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß die Sicherung der Energieversorgung Österreichs auch in Krisenzeiten ein wirtschaftspolitisches Ziel ist, dessen Erreichung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dem Sachlichkeitsgebot nicht widerstreitet. Wie sich aus den Erläuterungen zu den §§7 bis 13 der Regierungsvorlage betreffend das Energiesicherungsgesetz (12 BlgNR, XIV. GP) ergibt, deckt Österreich seinen Rohölenergiebedarf zu zirka 55 bis 60% aus Erdöl; eine ausreichende Reserve an Erdöl und Erdölprodukten bildet daher die Grundlage für die Sicherung des Wirtschaftsablaufes beim Auftreten von Importschwierigkeiten. Es ist daher verständlich, wenn der Gesetzgeber in erster Linie das Halten von Pflichtnotstandsreserven an Erdöl und Erdölprodukten vorgeschrieben hat. Er hat damit auch dem Art2 Z1 des Übereinkommens über ein Internationales Energieprogramm, BGBl. 317/1976, entsprochen, mit dem sich die Teilnehmerstaaten (darunter Österreich) verpflichtet haben, ausreichende Notstandsreserven an Öl zu unterhalten, um ohne Netto-Öleinfuhren den Verbrauch mindestens 60 Tage lang decken zu können. Aus diesen Gründen ist es sachlich durchaus begründet, daß die Reservehaltung an Ersatz-Energieträgern anstelle von Erdöl und Erdölprodukten nur in Ausnahmsfällen stattfinden soll.
Die grundsätzliche Verpflichtung, Pflichtnotstandsreserven an Erdöl und Erdölprodukten zu halten, trifft alle Importeure gleich; verstaatlichte Betriebe werden gegenüber privaten Importeuren in keiner Weise begünstigt. Alle Importeure haben dieselbe Möglichkeit, auf welche Weise sie ihrer Vorratspflicht nachkommen (§4 EBMG). Die Vorratspflicht belastet inländische Produzenten von Erdöl, die auch Erdöl (Erdölprodukte) importieren, und (bloße) Importeure wirtschaftlich gleich; für beide ergibt sich eine Kapitalbindung, für beide entstehen Lagerkosten.
Der VfGH hat also unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht das Bedenken, daß die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften gleichheitswidrig wären.
Das EBMG enthält Eigentumsbeschränkungen. Diese sind aber - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - unzweifelhaft im öffentlichen Interesse gelegen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß das Gesetz gegen das verfassungsgesetzlich verankerte Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verstößt.
Es ist der beschwerdeführenden Gesellschaft zuzugestehen, daß auch ein Gesetz das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzen kann; dies aber nur dann, wenn der Gesetzgeber - dem Wesensgehalt dieses Grundrechtes widersprechend - die in der Natur der zu regelnden Materie gelegenen Grenzen überschreitet (vgl. zB VfSlg. 7304/1974). Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß durch die Verpflichtung, Reserven an Erdöl und Erdölprodukten zu halten, der Wesensgehalt des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit nicht berührt wird.
d) Die beschwerdeführende Gesellschaft rügt schließlich noch, daß §8 Abs3 EBMG den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie zur Entscheidung über den Ausnahmeantrag beruft und daher ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist. Dadurch werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 B-VG), aber auch Art8 und 10 MRK verletzt.
Wie der VfGH in ständiger Judikatur (zB VfGH 30. 11. 1978 B239a, b/75) dargetan hat, verbietet es keine Verfassungsbestimmung, mit bestimmten Entscheidungen einen Bundesminister als erste und daher einzige Instanz zu betrauen, zumal dessen Entscheidungen der Rechtskontrolle durch die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unterliegen.
Unerfindlich ist, wieso - wie in der Beschwerde behauptet wird - die zitierte Gesetzesbestimmung den Art8 (Recht auf Privat- und Familienleben) und 10 MRK (Recht auf Meinungsfreiheit) widersprechen soll.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der VfGH gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat.
2. Für die in der - auch im übrigen vielfach unverständlichen - Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Bescheidbegründung sei nicht stichhältig und finde im Gesetz keine Deckung, fehlt jede Begründung.
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß im Bereich der Vollziehung Fehler unterlaufen wären, die in die Verfassungssphäre reichen würden.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist sohin weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Legalitätsprinzip, Energierecht, Erdöl-Bevorratung, Gewerberecht, Bundesminister Bundesministerium, Zuständigkeit VerwaltungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B286.1977Dokumentnummer
JFT_10199394_77B00286_00