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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Tir. Wald- und Weideservitutengesetz; Ersitzung von Weiderechten; keine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Bescheid vom 7. Juni 1977 hat das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz gem. §38 Abs2 Wald- und Weideservitutengesetz, LGBl. 21/1952 (WWSG), den Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung, daß zugunsten der im Antrag näher bezeichneten Höfe der Beschwerdeführer nach dem WWSG zu behandelnde Weiderechte auf den Gp. 1945/1 und 1945/2, sowie einem Teil der Gp. 2009/1 der KG N. bestehen, als unbegründet abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat der Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 5. Oktober 1977 abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachten.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach dem Einleitungssatz des §7 Abs2 des Agrarbehördengesetzes 1950 idF der Nov. BGBl. 476/1974, ist eine Berufung an den Obersten Agrarsenat nur in bestimmten, im Gesetz aufgezählten Fällen und nur bei abändernden Erkenntnissen des Landesagrarsenates zulässig. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, der Instanzenzug ist daher erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Gem. §1 Abs1 litb WWSG gelten Weiderechte auf fremdem Grund und Boden als Nutzungsrechte (iS des WWSG). Gem. §2 Abs1 dieses Gesetzes können derartige Nutzungsrechte nicht ersessen werden. Eine bereits am 14. Juli 1853 vollendete Ersitzung wird dadurch nicht berührt.
In §38 Abs2 WWSG ist die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten festgelegt.
3. Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten das strittige Weidenutzungsrecht bereits am 14. Juli 1853 ersessen. Dies geht nach den Behauptungen der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nicht zuletzt daraus hervor, daß die Höfe der Beschwerdeführer viele Jahrhunderte alt seien und daß die in der Natur vorhandenen Begrenzungen der Weideflächen ebenfalls ein Alter aufwiesen, das dem Alter der Höhe entspreche. An der Existenz der Rechte könne daher kein Zweifel bestehen, genausowenig wie darüber, daß es sich bei diesen Rechten um seit altersher ausgeübte und ersessene Weidedienstbarkeiten handle, und nicht um Rechte, welche die Beschwerdeführer und ihre Rechtsträger als Angehörige der Gemeinde N. bzw. als Mitglieder der Agrargemeinschaft N. ausgeübt hätten. Die belangte Behörde verneine nicht, daß ein Weiderecht der Beschwerdeführer bestünde, vertrete aber die Auffassung, die Beschwerdeführer könnten dieses Recht "nicht kraft eigenen Rechtes ausüben", sondern nur aus dem Titel der Gemeindegutsnutzung als Mitglieder der Gemeinde N.
Die belangte Behörde habe die Beschwerdeführer "in eine Situation manövriert, die es ihnen unmöglich machte, die Richtigkeit ihrer Angaben zu beweisen". Es sei sicherlich wahr, daß es unmöglich sei, einen zeitgenössischen Zeugen zu vernehmen. Es hätte aber für die belangte Behörde die Möglichkeit bestanden, das Beweisverfahren, wie von den Beschwerdeführern beantragt, zu ergänzen, und zwar durch Einvernahme von Austragsbauern, die zT im vorigen Jahrhundert geboren wurden. Diese Personen hätten ihr von den Vorvätern erworbenes Wissen bezüglich der Weiderechte weitergeben können. Die Behörde habe es aber einerseits den Beschwerdeführern dadurch unmöglich gemacht, diesen Beweis anzutreten, daß ein entsprechendes Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet worden sei und behaupte andererseits, den Beschwerdeführern sei es nicht gelungen, ihr Recht zu beweisen.
4. Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind weder vorgebracht worden noch im Verfahren beim VfGH entstanden.
Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Bescheid - falls er in das Eigentum der Beschwerdeführer eingreift - nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) nur dann gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verstoßen, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Unter Eigentum iS des Art5 StGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8201/1977) jedes vermögenswerte Privatrecht zu verstehen.
Bei diesem Ergebnis, daß die Gesetzesanwendung denkmöglich ist, kann es dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Bescheid überhaupt in private Vermögensrechte der Beschwerdeführer eingreift (vgl. auch VfSlg. 7940/1976).
Die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten das umstrittene Weiderecht am 14. Juli 1853 nicht ersessen, ist nämlich keineswegs denkunmöglich. Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, daß weder der Umstand, daß ausschließlich die Beschwerdeführer ihr Vieh auf diese Weide getrieben hätten und dort Vieh anderer Höfe nicht geweidet haben soll, noch die Tatsache, daß die angesprochenen Weideflächen Umgrenzungen haben, die dem Alter der Höfe der Beschwerdeführer entsprechen, zwingend auf das Bestehen eines Weiderechtes nach dem WWSG schließen ließen. Die Beschwerdeführer stellten zwar die Behauptung auf, die Weiderechte bereits im Jahr 1853 ersessen zu haben, hätten aber keine geeigneten Beweise für den Bestand dieser Rechte geliefert; sie seien vielmehr auf die zutreffenden Argumente der Behörde erster Instanz in ihrer Berufung gar nicht eingegangen.
Gem. §4 des Kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853 - heißt es im angefochtenen Bescheid weiter - seien Weiderechte gegen Entgelt aufzuheben oder, falls die Ablösung nicht stattfinden kann, in allen Beziehungen, sohin rücksichtlich des Umfanges, des Ortes und der Art ihrer Ausübung, der Zeit, der Dauer und des Maßes des Genusses usw. dergestalt festzustellen, daß hiedurch die möglichste Entlastung des Bodens erreicht werde (Regulierung). In Entsprechung dieses Gesetzesauftrages hätten die Vorbesitzer der heutigen Eigentümer der Höfe bei der Grundlastenablösungs- und Regulierungslandeskommission den Antrag gestellt, daß zugunsten einer ihnen gehörigen Alpe in der EZ 329 II KG N. auf Teilen der Gp. 2009/1 das Servitutenweiderecht bestehe. Dieses Recht sei sodann auch mit der Servitutsregulierungsurkunde vom 6. November 1888 einreguliert worden. Es erscheine daher völlig unerklärlich, warum diese Berechtigten damals nicht auch eine Einregulierung ihrer Heimweiderechte beantragt haben, es sei denn, sie seien der Überzeugung gewesen, daß es sich bei ihren Heimweiderechten um Gemeindegutnutzungsrechte handelt. Darüber hinaus, wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, hätten sämtliche Beschwerdeführer (ausgenommen der Beschwerdeführer P. P.) am 10. März 1977 die Niederschrift einer mündlichen Verhandlung unterschrieben, in welcher festgehalten worden sei, daß außer Streit gestellt werde, daß die Bewohner des Weilers G. und zT auch die Bewohner des Weilers K. ihre Heimweide aufgrund der Zugehörigkeit zur Agrargemeinschaft N. und früher als Gemeindegutnutzungsberechtigte seit unvordenklichen Zeiten immer unbeanstandet ausgeübt haben und der Bestand dieses Gemeindegutnutzungsrechtes daher nicht bestritten sei.
Diese Argumentation der belangten Behörde zeigt, daß die belangte Behörde keineswegs in denkunmöglicher Weise zu ihren Feststellungen gelangt ist, was die Beschwerdeführer im übrigen auch gar nicht behaupten. Ob die Argumentation der belangten Behörde und damit der angefochtene Bescheid richtig ist, hat der VfGH aber nicht zu beurteilen.
5. Mit der Behauptung, die Behörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, werfen die Beschwerdeführer der Behörde Willkür vor. Der VfGH hat hiezu in ständiger Judikatur (vgl. zB VfSlg. 7775/1976 und die dort zitierte Vorjudikatur) ausgesprochen, daß ein willkürliches Verhalten der Behörde ua. vorliegt, wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig fällt, was insb. dann der Fall ist, wenn die Behörde trotz strittigen Sachverhaltes ohne jegliches iS des Gesetzes durchgeführte Ermittlungsverfahren entschieden hat; das Verfahren ist in solchen Fällen derart qualifiziert mangelhaft, daß nicht bloß die Verletzung einfach-gesetzlicher Verfahrensvorschriften, sondern ein Eingriff in die Verfassungssphäre vorliegt.
Auch davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführer haben - wie den Verwaltungsakten zu entnehmen ist - weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren irgendwelche konkreten Beweisanträge gestellt. Die Behörde hat, wie bereits oben unter Punkt 4 ausgeführt, eine Reihe von Umständen angeführt, auf Grund derer sie zur Schlußfolgerung gelangt ist, daß das von den Beschwerdeführern beanspruchte Weiderecht aus dem Titel der Gemeindegutsnutzung bzw. als eine agrargemeinschaftliche Nutzung ausgeübt wird.
Im Hinblick darauf kann keineswegs gesagt werden, daß die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig gefällt oder ohne jegliches Ermittlungsverfahren entschieden hätte. Ob die Entscheidung der Behörde richtig war, hat der VfGH - wie bereits oben erwähnt - nicht zu untersuchen.
Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
6. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Bodenreform, Servitutenregulierung, Wald- und WeideservitutenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B487.1977Dokumentnummer
JFT_10199393_77B00487_00