TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/7 B421/78

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Veröffentlicht am 07.06.1980
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

StGG Art5
BStG 1971 §4 Abs1
BStG 1971 §7
BStG 1971 §17
BStG 1971 §20 Abs1

Leitsatz

BStG 1971; die Annahme, daß einer Enteignung zum Zweck einer Verbreiterung und Begradigung einer Bundesstraße unter Verwendung der bisherigen Trasse die Erlassung einer Verordnung nach §4 Abs1 nicht voranzugehen braucht, ist nicht denkunmöglich; keine Bedenken gegen §17; keine denkunmögliche Anwendung dieser Bestimmung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Aufgrund eines Projektes des Amtes der Oö. Landesregierung - Bundesstraßenverwaltung wurde ein bundesstraßenrechtliches Enteignungsverfahren zum Zweck der Enteignung der für die Durchführung des Bauloses "Aschach I" der Bundesstraße 131, Aschacher Straße, von km 13,020 bis km 13,730 erforderlichen Grundstücke zum Zweck der Begradigung und Verbreiterung der Straße und der Herstellung eines Gehsteiges durchgeführt. Mit Enteignungsbescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 24. November 1977 wurde sodann - entgegen den im Verfahren vorgetragenen Einwendungen - im projektierten Umfang auch ein Liegenschaftsteil des Beschwerdeführers im Ausmaß von 760 Quadratmeter enteignet.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Bundesminister für Bauten und Technik mit Bescheid vom 7. Juni 1978, Z 890693/2-III/9/78, ab.

2. Gegen diesen, den erstinstanzlichen Bescheid in vollem Umfang bestätigenden Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik wendet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletztlichkeit des Eigentums, "hilfsweise" auch die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und "auf Durchführung eines ordentlichen Verfahrens vor dem gesetzlichen Richter bzw. vor der gesetzlichen Behörde" gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshofbeantragt wird.

Die belangte Behörde beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Auch der Landeshauptmann von OÖ hat für die Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung als Beteiligter eine Äußerung erstattet, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. a) Die Bundesstraßenverwaltung hat eine Umgestaltung der Aschacher Bundesstraße derart geplant, daß diese Straße teilweise iS des §4 Abs1 BStG umgelegt, teilweise unter Beibehaltung und Weiterverwendung bestehender Verkehrsanlagen verbreitert und begradigt werden sollte. Für den umzulegenden Teil bestimmte die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik, BGBl. 291/1977, den Straßenverlauf neu; für den übrigen Teil ergibt sich die Bestimmung des Trassenverlaufes schon aus der vorhandenen und wiederzuverwendenden Verkehrsanlage.

Die vom angefochtenen Bescheid bestätigte Enteignung betrifft Liegenschaftsteile in jenem Bereich der Umgestaltung der Aschacher Bundesstraße, der sich lediglich als eine Verbreiterung und Begradigung unter Verwendung der bisherigen Trasse, nicht aber als darüber hinausgehende Umgestaltung darstellt.

b) Wie der VfGH in VfSlg. 8223/1977 ausgeführt hat, ist es jedenfalls denkmöglich, anzunehmen, daß einer Enteignung zum Zweck einer solchen baulichen Umgestaltung die Erlassung einer Verordnung nach §4 Abs1 BStG über die Festlegung des Straßenverlaufes nicht voranzugehen braucht. Die Enteignung kann sich verfassungsrechtlich unbedenklicherweise unmittelbar auf die gesetzliche Bestimmung des §17 BStG stützen, die - iZm §7 und §20 Abs1 BStG - zur Enteignung auch für Maßnahmen der Verbreiterung und Begradigung unter Verwendung der bisherigen Trasse ermächtigt, sofern diese den in §7 leg. cit. genannten Grundsätzen und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Bauausführung entspricht.

Bedenken gegen die herangezogenen gesetzlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Auch der VfGH hat aus der Sicht des vorliegenden Falles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der zitierten Gesetzesbestimmung.

2. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums könnte bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der gesetzlichen Grundlagen nur durch eine denkunmögliche Anwendung der Rechtsgrundlagen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt sein. Der Beschwerdeführer vermeint, eine solche darin zu erblicken, daß die Enteignung in einer nicht durch das öffentliche Interesse geforderten Weise vorgenommen wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist eine Enteignung nur dann verfassungsrechtlich erlaubt, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen (vgl. VfSlg. 3666/1959 und die dort zitierte Vorjudikatur): Es muß demnach ein konkreter Bedarf vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, es muß weiter das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet sein, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß schließlich unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken.

b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, daß das Gesetz nicht in einer diesen Anforderungen des Eigentumsschutzes gerecht werdenden Weise angewendet wurde:

aa) Er bestreitet das Vorliegen eines konkreten Bedarfes nach Begradigung und Verbreiterung der Straße und macht damit geltend, daß die vorgesehenen Maßnahmen unter Bedachtnahme auf die gefahrlose Benützung der Straße nach den Erfordernissen des Verkehrs und der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges nicht erforderlich gewesen wären.

Der VfGH vermag aber den durch Sachverständigenäußerungen untermauerten Argumenten der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, daß insbesondere infolge der hohen Verkehrsfrequenz und der Verkehrsmischung (auf dem in Rede stehenden Straßenstück findet ein starker Kfz-Verkehr mit Schwerlastanteil vermischt mit einem starken Fußgänger- und Radfahrverkehr statt) ein Bedarf nach den geplanten Maßnahmen besteht.

bb) Weitere Bedenken gegen eine verfassungskonforme Gesetzesanwendung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, wenn er meint, daß eine von ihm vorgeschlagene Alternative denselben Effekt bewirken könnte, ohne daß im vorgesehenen Umfang in sein Eigentum eingegriffen werden müßte. Er meint, daß insb. eine Verbreiterung an der anderen, also der seinem Grundstück gegenüberliegenden Straßenseite, neben der ein Eisenbahngleis verläuft, geeigneter wäre.

Auch diesbezüglich vermag der VfGH den Argumenten der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, die - wie auch das Gutachten des technischen Amtssachverständigen im Verwaltungsverfahren erster Instanz - ausführt, daß eine solche Verlegung in noch größerer Nähe neben die Bahntrasse aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht in Betracht gezogen werden konnte. Was aber eine, ebenfalls empfohlene, lagemäßige Verlegung von Gleis und Straße anlangt, so ist den Argumenten der Bundesstraßenverwaltung beizupflichten, daß eine solche Verlegung nur auf eine größere Länge erfolgen könne, da dann auch der über das vorliegende Projekt hinausgehende Bestand mit einbezogen werden müßte, wobei zusätzlich Grünflächen bzw. Parkanlagen und hochbauliche Anlagen in Anspruch genommen werden müßten und daß eine solche Möglichkeit daher schon aus wirtschaftlichen Überlegungen auszuscheiden war.

c) Es ergibt sich somit insgesamt, daß der VfGH unter dem Blickwinkel des Eigentumsschutzes gegen die Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides keine Bedenken hat.

3. Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde zur Entscheidung nicht zuständig war, daß sie einen schweren, in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensfehler begangen oder sonst Willkür geübt hätte, sind im Verfahren vor dem VfGH ebensowenig hervorgekommen wie die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Es war daher die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Enteignung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B421.1978

Dokumentnummer

JFT_10199393_78B00421_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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