TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/17 B288/76

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Veröffentlicht am 17.06.1980
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
KAG §28
Oö KAG 1976 §44
Oö KAG 1976 §44a

Leitsatz

Oö. Krankenanstaltengesetz 1976; keine Bedenken gegen §44a, §44 Abs2 letzter Satz und §44 Abs7 letzter Satz; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Gem. §44 des mit Kundmachung der Oö. Landesregierung vom 12. Jänner 1976 wiederverlautbarten Oö. Krankenanstaltengesetzes, LGBl. 10/1976 (künftig: Oö. KAG 1976), sind, soweit in diesem Gesetz nichts besonderes bestimmt ist, die Beziehungen der Versicherungsträger zu den Rechtsträgern der öffentlichen Krankenanstalten, insb. das Ausmaß der von den Trägern der Sozialversicherung an die Rechtsträger der Krankenanstalten zu entrichtenden Pflegegebühren durch privatrechtliche Verträge zu regeln. Die Verträge sind zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Versicherungsträgern einerseits und dem Rechtsträger der öffentlichen Krankenanstalt andererseits abzuschließen. Die Verträge haben vorzusehen, daß die Versicherungsträger den Rechtsträgern der öffentlichen Krankenanstalten die Pflegegebührenersätze binnen sechs Wochen ab Erhalt der Abrechnung zu bezahlen haben und nach Ablauf dieser Frist Verzugszinsen in der Höhe von 8,5 vH zu zahlen sind.

Nachdem die Rechtsträger mehrerer Krankenanstalten Oberösterreichs den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Schreiben vom 8. Jänner 1975 zur vertraglichen Regelung der Pflegegebührenersätze für die Zeit ab 1. Jänner 1975 und mit einem weiteren Schreiben vom 29. Dezember 1975 zur vertraglichen Regelung auch der Pflegegebührenersätze für die Zeit ab 1. Jänner 1976 aufgefordert hatten, hierüber jedoch vertragliche Vereinbarungen innerhalb von zwei Monaten nicht zustande kamen, stellten sie am 30. Dezember 1975 bei der Schiedskommission gem. §44 Abs4 Oö. KAG 1976 den Antrag auf Festsetzung der strittigen Pflegegebührenersätze für das Jahr 1975 und am 16. März 1976 einen Antrag auf Festsetzung der Pflegegebührenersätze für die Zeit ab 1. Jänner 1976.

Die Schiedskommission setzte diese mit Bescheid vom 28. April 1976 fest und sprach in dessen Punkt 3 zusätzlich aus, daß von der Differenz zwischen den auf diese Pflegegebührenersätze bereits geleisteten Zahlungen und den festgesetzten Pflegegebührenersätzen gem. §44 Abs2 und 7 Oö. KAG 1976 nach Ablauf von sechs Wochen ab Erhalt der Abrechnung 8,5% Verzugszinsen jährlich zu entrichten seien.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger als Erstbeschwerdeführer und der Oö. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte als Zweitbeschwerdeführerin, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des Punktes 3 des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin zurückzuweisen, hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers abzuweisen. Auch die Beteiligten haben eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die belangte Behörde bezweifelt die Beschwerdelegitimation der Zweitbeschwerdeführerin mit der Begründung, §44 Oö. KAG 1976 bestimme, daß auf Seiten der Sozialversicherungsträger nur deren Hauptverband zur Antragstellung bei der Schiedskommission legitimiert sei. Gem. Abs4 leg. cit. habe er im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Sozialversicherungsträgern vorzugehen. Hieraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber, offensichtlich aus verfahrensökonomischen Gründen, die Rechtsstellung der einzelnen Sozialversicherungsträger "gewissermaßen ins Innenverhältnis" verwiesen habe. Die zweitbeschwerdeführende Oö. Gebietskrankenkasse sei daher nicht beschwerdelegitimiert.

Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, daß die Rechtsstellung der Zweitbeschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid offensichtlich berührt wird. Der VfGH hat auch in vergleichbaren Beschwerdefällen an der Beschwerdelegitimation eines Sozialversicherungsträgers gegen den Bescheid einer Schiedskommission keinen Zweifel gehegt (VfSlg. 7266/1974). Beide Beschwerdeführer sind demnach beschwerdeberechtigt.

Entscheidungen der Schiedskommission unterliegen gem. §44a Oö. KAG 1976 weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungsweg. Der Instanzenzug ist somit erschöpft.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Die Beschwerdeführer bekämpfen den angefochtenen Bescheid vorerst wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Gem. §28a des Krankenanstaltengesetzes vom 18. Dezember 1956, BGBl. 1/1957, idF der zweiten Nov. vom 3. Mai 1974, BGBl. 281/1974 (künftig wird die Legalabkürzung KAG zur Bezeichnung des Krankenanstaltengesetzes idF der zweiten Nov. verwendet), sei zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten insb. gem. §28 Abs6 KAG (dieser betrifft den Fall, daß der Neuabschluß eines Vertrages zwischen dem Rechtsträger der Krankenanstalt und dem Hauptverband innerhalb von zwei Monaten nicht zustandekommt) in jedem Land eine Schiedskommission zu errichten. Die Schiedskommission habe aus einem Richter des Oberlandesgerichtes, zu dessen Sprengel das Land gehöre, als Vorsitzenden und vier Beisitzern zu bestehen.

Die Schiedskommission, welche den angefochtenen Bescheid erlassen habe, habe in ihrer Zusammensetzung jedoch diesen Bestimmungen nicht entsprochen, obwohl es sich beim KAG um ein Grundsatzgesetz handle. Der belangten Behörde hätte wohl ein Richter des Oberlandesgerichtes Linz als Vorsitzender angehört, sie sei darüber hinaus jedoch nur mit zwei Beisitzern besetzt gewesen. Diese Zusammensetzung sei auf die grundsatzgesetzwidrige und damit verfassungswidrige Regelung des Oö. KAG 1976 zurückzuführen. §44a des Landesausführungsgesetzes sehe nämlich vor, daß die Schiedskommission in Dreiersenaten zu entscheiden habe. Dieser krasse Widerspruch zum Grundsatzgesetz sei auch nicht unter Berufung auf die Abänderung des Art12 B-VG zu rechtfertigen, da §28a KAG weder aufgehoben noch abgeändert worden sei. Die Ausführungsregelung des Landes führe zu einer Normenkollision und verletze auch den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung. Die Einrichtung, die Zusammensetzung und die Kompetenzen der Schiedskommission stünden in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten". Dieser sei ein so komplexer Begriff, daß darin auch die Gebarung dieser Anstalten und insb. auch ihre Beziehungen zu den Sozialversicherungsträgern eingeschlossen seien. Gerade aus diesem Grunde würden die Beziehungen der Sozialversicherungsträger zu den öffentlichen Krankenanstalten auch im ASVG selbst (§148) und ebenso in den Parallelbestimmungen der anderen Sozialversicherungsgesetze durch eine Grundsatzbestimmung iS des Art12 B-VG geregelt. Wenn aber die Beziehungen der Krankenanstalten zu den Sozialversicherungsträgern und die Abschlüsse von Verträgen dem Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" zugeordnet seien, dann müsse dieser Zusammenhang auch für jene Einrichtungen gelten, welche bei Nichtabschluß von Verträgen diese ersetzen sollen. Es handle sich hier nicht um die Organisation einer Landesbehörde, sondern in Wahrheit um eine Schiedsinstanz aus dem Bereich des Krankenanstaltenwesens. Damit sei dargetan, daß der angefochtene Bescheid nicht nur auf der Anwendung eines verfassungswidrigen Landesgesetzes beruhe, sondern darüber hinaus, daß durch die Zusammensetzung der belangten Behörde die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden seien.

b) Nach Lage des Beschwerdefalles käme entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine Verletzung des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nur dann in Betracht, wenn die belangte Kollegialbehörde unrichtig zusammengesetzt gewesen wäre. Wäre die für die Bildung und Errichtung der Schiedskommission maßgebliche Vorschrift des §44a Oö. KAG 1976 verfassungswidrig, dann würde eine Aufhebung dieser Bestimmung tatsächlich dazu führen, daß die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wären.

Der VfGH vermag jedoch die von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Bedenken nicht zu teilen.

Der Kompetenztatbestand des Art12 Abs1 Z1 B-VG idF vor der Nov. BGBl. 444/1974 - "Organisation der Verwaltung in den Ländern" - ermächtigte den Bund, in grundsatzgesetzlichen Regelungen Sonderverwaltungsbehörden für die Landesvollziehung vorzusehen. Mit Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1974, BGBl. 444 (künftig: B-VGN 1974), ist dieser Kompetenztatbestand weggefallen. Die Bildung und Errichtung von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Landesvollziehung ist mit Inkrafttreten der B-VGN 1974, das ist mit 1. Jänner 1975, ausschließlich Sache des Landesgesetzgebers nach Art15 Abs1 B-VG geworden. Da es sich bei Schiedskommissionen gem. §44a Oö. KAG 1976 um Landes-(Sonder-)Verwaltungsbehörden handelt (vgl. die auch im vorliegenden Fall maßgeblichen Ausführungen des VfGH VfSlg. 6672/1972), kann aus diesem Grunde eine Verfassungswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen eine grundsatzgesetzliche Bestimmung nicht vorliegen.

c) Die Beschwerdeführer sind jedoch der Ansicht, daß trotz des Wegfalles des Kompetenztatbestandes "Organisation der Verwaltung in den Ländern" der Bund dennoch, auch nach Inkrafttreten der B-VGN 1974 zur grundsatzgesetzlichen Regelung der Bildung und Errichtung der in Frage stehenden Schiedskommissionen berufen wäre, weil der Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" ein so komplexer sei, daß ihm auch jene Einrichtungen zugeordnet werden müßten, welche beim Nichtabschluß von Verträgen diese ersetzen sollen. §44a Oö. KAG 1976 sei also aus diesem Grunde verfassungswidrig. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da der Bezug der fraglichen Norm nicht zur konkreten Funktion, sondern zur abstrakten Organisation im Vordergrund steht (VfSlg. 8466/1978).

d) Zu keinem anderen Ergebnis führt auch die Rechtsfrage, welche Bedeutung der Übergangsregelung des ArtXI Abs1 B-VGN 1974 für grundsatzgesetzliche Bestimmungen zukommt.

Da grundsatzgesetzliche Bestimmungen den Landesgesetzgeber zum Adressaten haben, sind sie mit dem Inkrafttreten der B-VGN 1974 weggefallen (s. Rill, Sozialversicherung und Krankenanstaltenrecht I, ZAS 13. Jg., S 167).

e) Der VfGH sieht sich demnach nicht veranlaßt, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §44a Oö. KAG 1976 einzuleiten.

Da die belangte Behörde die Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides somit aufgrund einer aus der Sicht des Beschwerdefalles unbedenklichen Norm zu Recht in Anspruch genommen hat, wurden die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

3. a) Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, daß sie durch Punkt 3 des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden seien. §44 Abs2 letzter Satz Oö. KAG 1976 schreibe zwingend vor, daß die zwischen dem Hauptverband und Rechtsträgern von Krankenanstalten abzuschließenden Verträge Verzugszinsen in der Höhe von 8,5% vorzusehen hätten. Abs7 letzter Satz ordne an, daß diese Regelung im Falle der Festsetzung der Pflegegebührenersätze durch die Schiedskommission sinngemäß Anwendung zu finden habe. Die Bestimmungen über Verzugszinsen seien jedoch im Grundsatzgesetz nicht gedeckt. Dieses enthalte weder in seiner ursprünglichen Fassung noch in der Fassung der zweiten Nov. eine Regelung, welche den Landesgesetzgeber ermächtigen würde, eine zwingende Vorschrift zu erlassen, nach der Verzugszinsen in die abzuschließenden Verträge aufzunehmen seien, bzw. solche Verzugszinsen in den Entscheidungen der Schiedskommission anzuordnen. §28 Abs4 KAG bestimme, daß das Ausmaß der von den Trägern der Sozialversicherung an die Rechtsträger der Krankenanstalten zu entrichtenden Pflegegebühren unter Berücksichtigung der Abgeltung für therapeutische Behelfe und allfällige Sondergebühren sowie die Dauer, für welche die Pflegegebühren zu zahlen sind, abgesehen von den Fällen des Abs6 ausschließlich durch privatrechtliche Verträge zu regeln ist. Damit sei der Inhalt dieser Verträge vom Grundsatzgesetzgeber in eindeutiger Weise umschrieben und abgesteckt. Von einer zwingenden Vorschrift, in den Verträgen Verzugszinsen vorzusehen, sei keine Rede. Ebensowenig fände sich im §28 Abs6 KAG eine Ermächtigung, welche die Schiedskommission berechtigen würde, im Falle einer Festsetzung von Pflegegebührenersätzen Verzugszinsen vorzuschreiben. Verzugszinsen seien jedoch eine so wichtige und wesentliche Angelegenheit, daß sie nicht unter den Begriff "Ausmaß der zu entrichtenden Pflegegebühren" subsumiert werden könnten. Dem angefochtenen Bescheid liege daher in Ansehung eines Anspruches über die Verzugszinsen ein verfassungswidriges Landesausführungsgesetz zugrunde.

Die Beschwerdeführer seien aber auch durch eine denkunmögliche Anwendung des §44 Abs2 letzter Satz Oö. KAG 1976 im geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Die genannte Bestimmung gelte für abzuschließende Verträge. Im vorliegenden Fall sei es für die Jahre ab 1975 zu keinem Vertragsabschluß gekommen. Gem. §44 Abs5 Oö. KAG 1976 blieben bis zur Entscheidung der Schiedskommission alte Verträge vorläufig in Kraft. Daraus folge, daß kraft dieser gesetzlichen Bestimmung die Sozialversicherungsträger verpflichtet waren, die im aufgelösten Vertrag vorgesehenen Pflegegebührenersätze weiter zu zahlen. Die am gegenständlichen Streitfall beteiligten Rechtsträger der Krankenanstalten hätten sich aber keineswegs mit dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung begnügt, sondern den Sozialversicherungsträgern ohne jeden Rechtsgrund in ihren Abrechnungen den vollen amtlichen Pflegesatz in Rechnung gestellt, wie er von der Landesregierung für die Nichtsozialversicherungsträger festgesetzt wurde. Verzugszinsen könnten nun nach den Denkgesetzen nur in Frage kommen, wenn der Schuldner in Verzug komme. Die Sozialversicherungsträger seien jedoch niemals in Verzug geraten; sie hätten die im §44 Abs5 Oö. KAG 1976 festgelegten Pflegegebührenersätze ordnungsgemäß weiterbezahlt. In Ansehung der von der Schiedskommission im angefochtenen Bescheid festgesetzten Pflegegebührenersätze hätten sie gar nicht in Verzug kommen können, weil sie diese ja erst durch den Bescheid erfahren hätten. Vor der Zustellung des Bescheides habe für die Sozialversicherungsträger weder die Möglichkeit noch die Verpflichtung bestanden, diese Pflegegebührenersätze, deren Verzinsung ihnen nunmehr rückwirkend auferlegt werde, zu bezahlen. Von einem Verzug, der rückwirkende Verzugszinsen rechtfertigen würde, könne daher keine Rede sein. §44 Abs7 letzter Satz Oö. KAG 1976 könne hinsichtlich der Verzugszinsen sinngemäß nur so ausgelegt werden, daß solche zu entrichten seien, wenn die in dem Bescheid der Schiedskommission festgesetzten Beträge nach Ablauf von sechs Wochen nach der Zustellung des Bescheides nicht bezahlt würden. Ein Verzug vor diesem Zeitpunkte sei logisch ausgeschlossen. Die sinngemäße Anwendung des §44 Abs2 letzter Satz Oö. KAG 1976 schließe eine rückwirkende Verzugszinsenvorschreibung aus, eine solche sei denkunmöglich.

b) Der VfGH vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Wie er wiederholt ausgesprochen hat (VfSlg. 5921/1969, 6885/1972), ist der Kompetenztypus der Grundsatzgesetzgebung dadurch gekennzeichnet, daß die Wirksamkeit gesetzgeberischer Maßnahmen für den Bereich der Vollziehung zweier gesetzgeberischer Akte bedarf. Das Grundsatzgesetz, das an den Ausführungsgesetzgeber gerichtet ist, begrenzt zwar den Inhalt der Ausführungsregelung, ohne ihn aber durch Umschreibung der wesentlichen Merkmale zu bestimmen (VfSlg. 3649/1959). Ausschließlich dem Ausführungsgesetz obliegt als der für die Vollziehung maßgeblichen Rechtsgrundlage eine Determinierung iS des Art18 Abs1 B-VG; Angelegenheiten gem. Art12 B-VG können jedoch, soweit der Bundesgesetzgeber im Grundsatzgesetz keine Regelung getroffen hat, vom Lande frei geregelt werden.

Für die von der Schiedskommission zu fällende Entscheidung wurde durch §28 Abs8 KAG grundsatzgesetzlich bestimmt:

"(8) Bei der Festsetzung der Höhe der Pflegegebührenersätze nach Abs6 ist insbesondere auf die durch den Betrieb der Anstalt entstehenden Kosten, soweit sie bei der Ermittlung der Pflegegebühren zugrunde gelegt werden dürfen, sowie auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers der Krankenanstalt und der Krankenversicherungsträger Bedacht zu nehmen."

§44 Abs7 Oö. KAG 1976, durch welchen §28 Abs8 KAG ausgeführt wird, lautet:

"(7) Bei der Festsetzung der Höhe der Pflege-(Sonder-)gebührenersätze nach Abs4 ist insbesondere auf die durch den Betrieb der Anstalt entstehenden Kosten, soweit sie bei der Ermittlung der Pflege-(Sonder-)Gebühren zugrunde gelegt werden dürfen, sowie auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers der Krankenanstalt und der Krankenversicherungsträger Bedacht zu nehmen. Abs2 dritter und vierter Satz gilt sinngemäß."

Der vierte Satz des §44 Abs2 Oö. KAG 1976, auf den Abs7 verweist (der dritte Satz ist für die im Beschwerdefall relevanten Fragen unerheblich), lautet schließlich wie folgt:

"Die Verträge haben vorzusehen, daß die Versicherungsträger den Rechtsträgern der öffentlichen Krankenanstalten die in der Abrechnung oder allfälligen Zwischenabrechnung ausgewiesenen Pflege-(Sonder-)gebührenersätze binnen sechs Wochen ab Erhalt zu bezahlen haben und daß nach Ablauf dieser Frist Verzugszinsen in der Höhe von 8,5 v. H. zu zahlen sind."

Da §28 Abs8 KAG als die für den Landesführungsgesetzgeber maßgebliche Grundsatzregelung bloß bestimmt, daß die Schiedskommission bei der Festsetzung der Höhe der Pflegegebührenersätze auf die der Anstalt durch den Betrieb entstehenden Kosten sowie auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers der Krankenanstalt und der Krankenversicherungsträger Bedacht zu nehmen hat, ergibt sich schon hieraus, daß eine abschließende, für den Landesgesetzgeber verbindliche Regelung nicht vorliegt. Hinsichtlich der Verzugszinsen hat der Grundsatzgesetzgeber eine Regelung nicht getroffen. In dieser Hinsicht war der Landesgesetzgeber in der Ausführung somit frei.

Der VfGH sieht sich daher aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §44 Abs7 letzter Satz Oö. KAG 1976 einzuleiten. Gleiches gilt für §44 Abs2 letzter Satz leg. cit. als mittelbarer Inhalt des Abs7.

c) Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Normen könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hinsichtlich der zweitbeschwerdeführenden oberösterreichischen Gebietskrankenkasse - und nur hinsichtlich dieser Beschwerdeführerin, da ein Eingriff in das Eigentum des beschwerdeführenden Hauptverbandes durch den angefochtenen Bescheid gar nicht möglich ist - nur dann stattgefunden haben, wenn die belangte Behörde bei Anwendung des Gesetzes denkunmöglich vorgegangen wäre. Auch dies ist nicht der Fall. Punkt 3 des angefochtenen Bescheides bestimmt, daß von der Differenz zwischen den festgelegten Pflegegebührenersätzen und den bereits geleisteten Zahlungen nach Ablauf von sechs Wochen ab Erhalt der Abrechnung 8,5% Verzugszinsen jährlich zu entrichten sind. Der Bescheid führt aus, daß sich der Ausspruch der Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen auf §44 Abs2 und 7 Oö. KAG 1976 gründet. Abs7 der bezuggenommenen Bestimmung ordnet an, daß der vierte Satz des §44 Abs2 sinngemäß gilt, laut welchem die Versicherungsträger dem Rechtsträger die in der Abrechnung ausgewiesenen Pflege-(Sonder-)gebührenersätze binnen sechs Wochen ab Erhalt zu bezahlen haben, und daß nach Ablauf dieser Frist Verzugszinsen in der Höhe von 8,5 vH zu zahlen sind.

Der VfGH kann nicht finden, daß bei der nach Abs7 gebotenen sinngemäßen Anwendung der Verzugszinsenbestimmung des vierten Satzes des §44 Abs2 Oö. KAG 1976 der belangten Behörde eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes angelastet werden könnte.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat das Verfahren ebensowenig ergeben, wie eine Verletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Krankenanstalten, Kompetenz Bund - Länder Krankenanstalten, Pflegegebühren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B288.1976

Dokumentnummer

JFT_10199383_76B00288_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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