TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/18 V9/79

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Veröffentlicht am 18.06.1980
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
F-VG 1948 §7 Abs5
FAG 1973 §14 Abs3 litd
Linzer MarktgebührenO 1976 Abschnitt B Punkt 2 litc des Tarifes

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. 82/1980 am 31. Oktober 1980; s. Anlaßfall B120/78 v. 16. Oktober 1980

Leitsatz

Linzer Marktgebührenordnung 1976; Gebührenansatz für den Linzer Großmarkt widerspricht dem Äquivalenzprinzip

Spruch

Im Tarif zur Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 25. November 1976 über die Einhebung der Marktgebühren (Marktgebührenordnung), kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 23/1976, wird die Zahl "79.-" im Abschn. B Punkt 2 litc als gesetzwidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Verordnungsbestimmung ist auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht anzuwenden.

Die Oö. Landesregierung ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim VfGH ist zur Z B120/78 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen Bescheid der Oö. Landesregierung richtet. Mit diesem Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen einen im Gemeindeinstanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz abgewiesen, der für die Benützung eines 211 Quadratmeter großen ständigen Standplatzes in der Linzer Großmarkt-Halle durch den Beschwerdeführer für die Zeit ab 1. Jänner 1977 eine monatliche Marktgebühr von 16669 S festgesetzt hatte.

Der beim VfGH angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 25. November 1976 über die Einhebung der Marktgebühren, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz 23/1976 (im folgenden kurz: MarktgebührenO 1976). Nach Abschn. B Punkt 2 litc des Tarifes zu dieser Gebührenordnung beträgt ab 1. Jänner 1977 die monatliche Gebühr pro Quadratmeter für ständige Standplätze in Hallen im Großmarkt 79 S (ab 1. Oktober 1977 85 S und ab 1. Oktober 1978 90 S).

2. Beim VfGH sind bei Beratung über die erwähnte Beschwerde Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Gebühr von 79 S entstanden. Er hat daher beschlossen, gem. Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Zahl "79.-" im Abschn. B Punkt 2 litc des Tarifes zur MarktgebührenO 1976 zu prüfen.

Die Bedenken des VfGH gingen im wesentlichen dahin, daß die ab 1. Jänner 1977 mit 79 S festgelegte monatliche Benützungsgebühr aus den gleichen wie im hg. Erk. VfSlg 7583/1975 dargelegten Gründen dem Äquivalenzprinzip widerspreche.

3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz und die Oö. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung verteidigen.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens erwogen:

Die MarktgebührenO 1976 samt Tarif ist eine Rechtsverordnung (vgl. VfSlg. 7583/1979).

Der im Anlaßverfahren bekämpfte Bescheid wird in materieller Hinsicht auf jene Bestimmung des Tarifes zur MarktgebührenO 1976 gegründet, mit dem die Gebühr für die Benützung ständiger Standplätze in Hallen des Großmarktes für die Zeit zwischen 1. Jänner und 30. September 1977 mit 79 S monatlich je Quadratmeter festgelegt wird. Diese Gebühr wird im Tarif in Abschn. B Punkt 2 litc durch die Zahl "79.-" ausgedrückt.

Auch der VfGH hätte diese Verordnungsbestimmung im Anlaß-Beschwerdeverfahren anzuwenden. Sie ist daher präjudiziell.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Durchführung des von Amts wegen eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahrens zulässig.

III. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

1. Der VfGH hat in dem dieses Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß zunächst auf das hg. Erk. VfSlg. 7583/1975 verwiesen. Mit dieser Entscheidung hat der VfGH die für das Jahr 1972 geltende vergleichbare Tarifpost der Linzer Marktgebührenordnung 1969 deshalb als gesetzwidrig aufgehoben, weil die Gebühr entgegen dem Äquivalenzprinzip derart festgelegt war, daß die Gesamteinnahmen aus dem Betrieb des Linzer Großmarktes im Jahre 1972 erheblich höher waren als die sich bei richtiger Berechnung ergebenden Gesamtkosten.

Im Einleitungsbeschluß hat der VfGH das Bedenken geäußert, daß die ab 1. Jänner 1977 mit 79 S festgelegte monatliche Benützungsgebühr aus ähnlichen wie im zitierten Erk. dargelegten Gründen dem Äquivalenzprinzip widerspreche. Schon auf den ersten Blick sei bedenklich, daß die Steigerungsrate der Marktgebühr wesentlich über jener des Lebenshaltungskostenindex liege. Diese Bedenken werden - wie im Einleitungsbeschluß ausgeführt wird - dadurch verstärkt, daß sich aus der von der Landeshauptstadt Linz im Beschwerdeverfahren bekanntgegebenen Kostenrechnung ergebe, daß die darin angeführten Aufwendungen über jenen zu liegen scheinen, die einzusetzen wären, wenn dem hg. Erk. VfSlg. 7583/1975 gefolgt wird.

Die Landeshauptstadt Linz hat im Beschwerdeverfahren die sich aus dem Betrieb des Großmarktes in den Jahren 1973 bis 1977 offenbar ergebenden ständigen Überschüsse wie folgt gerechtfertigt: In den vorangegangenen Jahren habe sich aus dem Betrieb des Großmarktes ein Verlust ergeben; der Finanzierungsfehlbetrag in den Abgangsjahren sei aus den Gebarungsüberschüssen der übrigen Kostenstellen der Märkte zwischenfinanziert worden; aus dem Bereich des Großmarktes habe in den Jahren ab 1974 ein Rückfluß an die übrigen Kostenstellen der Märkte eingesetzt, und zwar in einer Periode, in der das Ergebnis der übrigen Kostenstellen Rücklagenentnahmen erfordert hätten.

Im Einleitungsbeschluß bezeichnete der VfGH diese Ausführungen als nicht geeignet, die gegen die Gesetzmäßigkeit der zu prüfenden Tarifbestimmung sprechenden Bedenken zu zerstreuen. Zunächst einmal hätten diese Umstände in gleicher Weise bereits in dem erwähnten, das Jahr 1972 betreffenden Verordnungsprüfungsverfahren, das mit dem hg. Erk. VfSlg. 7583/1975 abgeschlossen wurde, vorgebracht werden können; dies sei aber nicht geschehen. Im Verordnungsprüfungsverfahren werde zu klären sein, ob und unter welchen Umständen die Gebühren für den Großmarkt derart hoch festgelegt werden dürfen, daß sein Betrieb einen Gewinn ergibt, der dann zur Abdeckung des Verlustes aus dem Betrieb der anderen Märkte verwendet werden dürfe.

2. In der in diesem Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 26. April 1979 wird eine Kostenrechnung vorgeführt, nach der sich für das Jahr 1977 aus dem Betrieb aller Märkte ein Verlust von 309477,09 S ergeben habe; auch für einen längeren Zeitraum (nämlich für die Jahre 1973 bis 1977) habe sich ein Verlust ergeben, und zwar in der Höhe von 348745,58 S.

In der Äußerung wird zugestanden, daß sich aus dem Betrieb des Großmarktes ein Erfolg von 67767,79 S errechne, der aber bloß 4,8% der Gesamtkostensumme ausmache und daher innerhalb der Toleranzgrenze liege; im übrigen vermöge dieser geringe Gewinn bei weitem nicht die Verluste der anderen Kostenstellen des Gebührenhaushaltes der Märkte auszugleichen. Die interne Subventionierung zwischen den Kostenstellen sei eine in der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Fachliteratur anerkannte Vorgangsweise.

3. a) Die MarktgebührenO 1976 stützt sich auf §14 Abs3 litd Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. 445/1972 (FAG 1973). Mit dieser Gesetzesbestimmung, die sich verfassungsrechtlich unbedenklich auf §7 Abs5 F-VG 1948 gründet (vgl. zB VfSlg. 7583/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur) werden die Gemeinden - vorbehaltlich einer weitergehenden Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung - ermächtigt, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden (mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten), auszuschreiben.

b) Bereits im Erk. VfSlg. 7583/1975 wurde festgestellt, daß die Linzer Marktanlagen auf Grundstücken liegen, deren grundbücherlicher Eigentümer die Stadt Linz ist. Sie hat jedoch im Jahre 1969 ua. den Hafen der Stadt Linz (zu dem auch die in Rede stehende Großmarkthalle gehört) in das "wirtschaftliche Eigentum" der SBL - Stadtbetriebe Linz Gesellschaft m. b. H. übertragen, deren einziger Gesellschafter die Stadt Linz ist. Die SBL hat in der Folge das Gelände des Großmarktes der Stadt Linz vermietet.

Der Linzer Großmarkt ist ungeachtet dieses Umstandes eine "für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betriebene Gemeindeeinrichtung und -anlage" iS des FAG 1973 (vgl. VfSlg. 7583/1975).

c) Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 7583/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur) erkannt, es liege im Wesen der Gebühr iS des FAG, daß ihre Höhe der Leistung der Gemeinde äquivalent sein muß.

Der erwähnte Grundsatz gebietet, daß die gesamten Erträge der Gebühren für die Benützung solcher Einrichtungen und Anlagen zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürfen, als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwachsen, wobei jedoch eine gewisse Toleranz eingeräumt werden muß, weil die Höhe der Erträge einerseits und der Kosten andererseits im Zeitpunkt der Festsetzung der Gebühr vorausschauend nur im Schätzungsweg ermittelt werden können.

Das Äquivalenzprinzip gebietet, daß die Gemeinden ihre Einrichtungen, die sie für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betreiben - wie etwa Märkte - den Benützern zu angemessenen Preisen (Gebühren) zur Verfügung stellen. Das geschieht nur dann, wenn bei der Festsetzung der Gebühren von jenen Kosten ausgegangen wird, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Einrichtung tatsächlich erwachsen sind bzw. erwachsen würden. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde mit anderen Rechtssubjekten Verträge (hier mit der SBL einen Mietvertrag) abschließt.

Jedenfalls unter den oben geschilderten wirtschaftlichen Umständen ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip, daß die Stadt Linz in die Gesamtbetriebskostenrechnung als Bestandzins für die Überlassung des Marktgeländes höchstens jene Beträge einsetzen darf, die sie bei Beachtung der oben stehenden Grundsätze verrechnen dürfte, wenn sie die Markthalle nicht den SBL zur wirtschaftlichen Nutzung überlassen hätte (VfSlg. 7583/1975).

d) Der VfGH hat - da es zur Lösung der sich hier stellenden Fragen besonderer betriebswirtschaftlicher Sachkenntnisse bedarf - einen Sachverständigen bestellt und ihn beauftragt, ein Gutachten über folgendes Beweisthema zu erstatten:

"Klarstellung der kalkulatorischen Grundlagen, die der Berechnung der Höhe der für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 1977 für die Benützung des Linzer Großmarktes mit der am 25. November 1976 vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz beschlossenen Marktgebührenordnung (kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 23 und 24/1976) festgesetzten Gebühren zugrundeliegen, insbesondere, ob diese dem Äquivalenzprinzip (vgl. VfGH Slg. 7583/1975) entsprechen.

Hiebei ist auch zu klären

1. ob die einzelnen Märkte (zB der Großmarkt) gesondert kalkuliert wurden,

2. ob sich in früheren Jahren aus dem Betrieb des Großmarktes Verluste ergeben haben und wie diese (zunächst) abgedeckt wurden,

3. wie in den letzten Jahren ein allfälliger Überschuß aus dem Betrieb des Großmarktes verwendet wurde und

4. - sofern er anderen Märkten zugeflossen ist - ob diese defizitär gewirtschaftet haben."

Das vom Sachverständigen O. Univ.-Prof. Dipl.-Kfm. Dr. Peter S., Vorstand des Institutes für industrielle Unternehmensforschung an der Universität Graz, erstattete Gutachten vom 24. Dezember 1979 ist schlüssig; es wurden dagegen keine Einwände erhoben. Der VfGH hat daher dieses Gutachten seinen nachfolgenden Feststellungen zugrunde gelegt.

aa) Der folgenden Kostenberechnung liegt das Anschaffungspreis- und nicht das Wiederbeschaffungspreisprinzip zugrunde. Es genügt, hiezu auf das hg. Erk. VfSlg. 7583/1975 zu verweisen.

bb) Zur Kosten- und Erlössituation des Linzer Großmarktes im Jahre 1977:

Nach den Berechnungen des Sachverständigen sind im Jahre 1977 für den Linzer Großmarkt folgende Kosten entstanden:

a 1. Die bei der Stadt Linz direkt entstandenen Kosten:

                                                         S

Personalkosten inklusive anteilige Sozialaufwendungen

  und Pensionsbezüge ................................. 257263,10

Kosten der Bewirtschaftung ........................... 220652,94

Verwaltungskosten .................................... 196186,12

Abschreibungskosten ..................................  50900,-

                                                       ---------

Kostensumme .......................................... 725002,16

a 2. Die bei den SBL entstandenen Kosten:

Abschreibungskosten (kalk. Afa) ......................  56648,-

Zinskosten (kalk. Zinsen) ............................ 137675,-

Steuern ..............................................  11677,-

Straßenerhaltungsbeitrag .............................  69080,-

Instandhaltung einschließlich Reinigungs-

  und Betriebskosten WC ..............................  95610,-

                                                       --------

Zwischensumme ........................................ 370690,-

Verwaltungskosten (18% von der Zwischensumme) ........  67835,-

                                                       --------

Kostensumme .......................................... 438525,-

Die so ermittelten Kosten stellen nicht die Mietzinse dar, die zwischen der Stadt Linz und den SBL vereinbart wurden; vielmehr wurden als die für die Gebührenkalkulation relevanten Aufwendungen iS der obigen Ausführungen unter III.3.c) die Kosten der Leistungserstellung im wesentlichen - abgesehen von der Umsatzsteuer - so ermittelt, als ob die Großmarkthalle nicht den SBL zur wirtschaftlichen Nutzung überlassen worden wäre.

Auch in Ansehung der Abschreibung vom Lagerhaus folgt der VfGH dem Sachverständigen: Die SBL haben Ende 1974 eine Neuschätzung der Nutzungsdauer vorgenommen. Die Gesamtnutzungsdauer des Lagerhauses wurde von 80 Jahren auf 50 Jahre (ab 1955) herabgesetzt. Bei geänderter Nutzungsdauereinschätzung ist der (noch nicht abgeschriebene) Restbuchwert auf die nunmehr neugeschätzte Restnutzungsdauer zu verteilen. Im vorliegenden Fall ist daher ab 1975 ein Abschreibungssatz von 2,5% (Restbuchwert von 75% verteilt auf 30 Restnutzungsjahre) anzusetzen.

a 3. Der Überschuß der Einnahmen aus dem Großmarkt über die Kosten des Großmarktes im Jahre 1977:

Im Jahre 1977 wurde aus dem Großmarkt Linz folgender Überschuß erzielt:

                                                S           S

Gesamteinnahmen ..............................            1464055,47

Kosten bei der Stadt Linz (s. o. a. 1.) ...... 725002,16

Kosten bei den Stadtbetrieben (s. o. a. 2.) .. 438525,-

Mehrwertsteuer ...............................  48800,64  1212327,80

                                               ---------------------

Überschuß ................................................ 251727,67

Die Einnahmen aus dem Betrieb des Großmarktes haben sohin im Jahre 1977 die dem Betrieb der Markthalle zulässigerweise zuzurechnenden Kosten um zirka 252000 S, das sind rund 21% von den Gesamtkosten, überstiegen.

Anzumerken ist hinsichtlich des Ansatzes für die Mehrwertsteuer, daß die Mietzahlungen der Stadt Linz an die SBL bei letzterer mehrwertsteuerpflichtig sind, die Stadt Linz jedoch nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Die bei den SBL angefallenen Kosten verstehen sich dagegen netto Mehrwertsteuer.

cc) Die Kosten- und Erlössituation des Linzer Großmarktes im Zeitraum 1968 bis 1977:

Bei Festsetzung der Gebühren kann nur von Prognosewerten ausgegangen werden. Wenn nun etwa mehr als die vorhergesehenen Leistungen in Anspruch genommen werden, ist - insb. wenn hohe Fixkosten bestehen - das Entstehen eines Gewinnes unvermeidlich; anderenfalls würde notwendigerweise ein Verlust eintreten.

Das Äquivalenzprinzip erfordert somit nur, daß im zeitlichen Durchschnitt die Gebühren die Kosten der Leistungserstellung nicht übersteigen.

Der VfGH hat daher - gestützt auf die Feststellungen des Gutachtens des Sachverständigen - die Kosten den Gebührenerlösen für zehn Jahre (1968 bis 1977) mit folgendem Ergebnis gegenübergestellt:

Kosten

                                   Stadtbetriebe          Überschuß/

             Einnahmen  Stadt Linz     Linz       MWSt.    Verlust

1968 ........  230925     217377      340207              - 326659

1969 ........  429450     221967      339204              - 131721

1970 ........  479113     285820      339754              - 146461

1971 ........  493658     335675      339730              - 181747

1972 ........  940793     493925      351467                 95401

1973 ........ 1222536     545136      359722      43200     274478

1974 ........ 1248213     658431      361700      48801     197281

1975 ........ 1549990     760948      402438      48801     337803

1976 ........ 1733883     755261      395358      48801     534463

1977 ........ 1464055     725002      438525      48801     251727

              ----------------------------------------------------

Zwischensumme ............................................. 904505

Bereinigungen (Rück- und Nachzahlungen) ...................  61398

                                                            ------

Endsumme .................................................. 965903

Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß zwar 1968 bis 1971 aus dem Betrieb des Großmarktes ein erheblicher Verlust entstanden ist, während sich ab 1972 zum Teil erhebliche Gewinne ergaben. Insgesamt ist in der Zehnjahresperiode 1968 bis 1977 ein Überschuß von rund 966000 S entstanden.

dd) Die Kosten- und Erlössituation der gesamten Märkte der Stadt Linz im Zeitraum 1968 bis 1977:

Im Hinblick auf die Behauptung der Stadt Linz, daß sie bei der Gebührenfestsetzung für alle Märkte das Ziel verfolge, insgesamt Kostendeckung zu erreichen, wurden auch - wiederum dem Sachverständigengutachten folgend - die Gesamterträge aller Märkte den Gesamtaufwendungen für den Zeitraum 1968 bis 1977 mit folgendem Ergebnis gegenübergestellt:

      Gesamterträge   Gesamtaufwendungen   Überschuß/Verlust

Jahr     der Märkte       der Stadt Linz

1968 .... 2017000            2310207             - 293207

1969 .... 3229000            2356204               872796

1970 .... 3559000            2852754               706246

1971 .... 3792000            3212730               579270

1972 .... 4205000            4197467                 7533

1973 .... 4481000            4566722             -  85722

1974 .... 5240000            5333692             -  93692

1975 .... 6324000            6967430             - 643430

1976 .... 6575000            6898350             - 323350

1977 .... 8405000            7660517               744483

          -----------------------------------------------

Summe ........................................... 1470927

Diese Tabelle zeigt, daß das Gesamtergebnis der Märkte der Stadt Linz im Zeitablauf stark schwankt und oft gegenläufig zum Ergebnis des Großmarktes verläuft. Der Gesamtgewinn im Zehnjahreszeitraum von rund 1471000 S ist im Vergleich zu den Gesamtaufwendungen relativ gering. Er wandelt sich zudem in einen Verlust, wenn man kalkulatorische Zinsen für die Märkte (ausgenommen den Großmarkt) zu den Gesamtaufwendungen hinzuzählt. Sie werden in einem dem VfGH vorgelegten Bericht des Kontrollamtes der Stadt Linz für die letzten Jahre auf zirka 300000 S pro Jahr geschätzt. (Kalkulatorische Zinsen für den Großmarkt sind den Aufwendungen nicht mehr hinzuzurechnen; sie sind bereits in ihnen enthalten.)

Es hat somit - zumindest über eine längere Periode gesehen - ein kalkulatorischer Ausgleich zwischen den Märkten der Stadt Linz stattgefunden; in einigen Perioden gewinnbringende Märkte haben Verluste aus anderen Märkten gedeckt bzw. wurden in Verlustperioden von anderen Märkten "subventioniert".

Zu untersuchen ist, ob dieses Vorgehen dem sich aus dem FAG 1973 ergebenden Gebot gerecht geworden ist, daß die Gebühr für die Benützung einer Gemeindeeinrichtung der erbrachten Leistung äquivalent sein muß. Dem Äquivalenzprinzip wird nur entsprochen, wenn die sich aus dem Betrieb der Gemeindeeinrichtung ergebenden Einnahmen nicht die dabei entstehenden Kosten übersteigen; dem Benützer müssen die Leistungen der Gemeindeeinrichtung zu angemessenen (nicht höher als kostendeckenden) Preisen (Gebühren) zur Verfügung stehen.

Diese Verpflichtung erfordert, für jede Gemeindeeinrichtung gesondert zu kalkulieren, die eine von anderen Gemeindeeinrichtungen dem Typus nach unterschiedliche Leistung erbringt.

Der Großmarkt wurde von der Stadt Linz selbst bisher stets als eigene Gemeindeeinrichtung angesehen (vgl. die Gegenschrift, die vom Gemeinderat der Stadt Linz im Jahre 1974 in dem mit Erk. VfSlg. 7583/1975 abgeschlossenen Verordnungsprüfungsverfahren erstattet wurde). Im Tarif zur MarktgebührenO sind die Gebühren für die Detail- und Wochenmärkte, für den Großmarkt und für die periodischen Märkte in eigenen Abschnitten in verschiedener Höhe festgelegt. Der Großmarkt ist in einem eigenen Gebäude untergebracht.

Unbestritten ist, daß sich der Linzer Großmarkt von den anderen im Tarif angeführten Markttypen wesentlich unterscheidet; der ihn als Verkäufer und als Käufer benützende Personenkreis ist ein von jenem der anderen Markttypen wesentlich verschiedener.

Es ist durchaus zumutbar, für ihn gesondert zu kalkulieren. Dies ergibt sich auch schon daraus, daß tatsächlich bei der Stadt Linz eine eigene Kostenstelle für den Großmarkt mit weitgehend direkter Kostenzurechnung geführt wird.

Der einzige vom Vertreter des Linzer Gemeinderates (anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH) für die gemeinsame Kalkulation der Linzer Märkte ins Treffen geführte Umstand, daß alle Märkte von ein und derselben Abteilung des Magistrates verwaltet werden, spricht nicht dagegen, daß der Linzer Großmarkt eine eigene Gemeindeeinrichtung ist.

Jedenfalls unter den geschilderten Voraussetzungen hat es das Äquivalenzprinzip erfordert, für den Linzer Großmarkt gesondert zu kalkulieren. Es war daher unzulässig, die Gebühren für den Großmarkt derart hoch anzusetzen, daß sein Betrieb einen Gewinn abgeworfen hat, der dann zur zeitweisen Abdeckung des Verlustes aus dem Betrieb anderer Märkte verwendet wurde.

ee) Zusammenfassend ergibt sich, daß der Großmarkt der Stadt Linz im Jahre 1977 einen Überschuß von zirka 252000 S, das sind rund 21% von den dem Großmarkt zuzurechnenden Gesamtkosten, erzielt hat. Die Grenze der vom VfGH für die (kurzfristige) Berechnung der Gebühren zugebilligten Toleranz (vgl. VfSlg. 7227/1973 und 7583/1975) ist im vorliegenden Fall also wesentlich überschritten worden.

Das Äquivalenzprinzip wurde aber auch bei Betrachtung über einen längeren Zeitraum (1968 bis 1977) verletzt, da innerhalb dieses Zehnjahreszeitraumes ein Überschuß von rund 966000 S entstanden ist.

An diesem Ergebnis ändert nichts, daß die Gebühren für alle Märkte der Stadt Linz im Mehrjahresdurchschnitt die Aufwendungen für alle Märkte nicht wesentlich überschritten haben. Es war nämlich unter den hier gegebenen Umständen unzulässig, bei der Kalkulation der Gebühren für den Großmarkt auf die wirtschaftliche Entwicklung der anderen Märkte Bedacht zu nehmen.

Es war sohin die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, RechtsV, Marktgebühr, Äquivalenzprinzip, Gebühr (für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen), Finanzverfassung, Finanzausgleich, Abgaben Gemeinde-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:V9.1979

Dokumentnummer

JFT_10199382_79V00009_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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