TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/18 B418/76

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Veröffentlicht am 18.06.1980
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §41 Abs2
AVG §42
WRG 1959 §12 Abs2
WRG 1959 §102 Abs1 litb
WRG 1959 §107 Abs2

Leitsatz

WRG 1959; Rechtskraftwirkungen gegenüber übergangener Partei nach §107; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Im März 1967 reichte das Wasserbauamt Villach ein Projekt zur Sanierung des Drauufers ein. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines zur Draulände gehörigen Grundstückes im Sanierungsgebiet. Eine persönliche Ladung zu der über dieses Projekt gem. §§41, 99 Abs1 lita und 107 WRG iVm §§40 ff. AVG 1950 für den 11. Mai 1967 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde den Beschwerdeführern nicht zugestellt, obwohl innen im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren als Grundeigentümern Parteistellung zukam (§102 Abs1 iVm §12 Abs2 WRG). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß auch eine öffentliche Bekanntmachung der Verhandlung nicht stattfand.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1967 erteilte der Landeshauptmann von Ktn. der Republik Österreich - Wasserbauverwaltung - gem. §§41, 99 Abs1 lita und 111 Abs1 und 2 Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215 in der geltenden Fassung (WRG), die wasserrechtliche Bewilligung zur Vornahme von Schutz- und Regulierungsarbeiten an der Drau bei der sogenannten Sankt Martiner Rutschlehne in Villach nach dem Projekt des Wasserbauamtes Villach vom 7. April 1967. Für die Fertigstellung wurde eine Frist bis 31. Dezember 1970 eingeräumt, die Beendigung der Arbeiten war der Wasserrechtsbehörde anzuzeigen.

Auch der Bescheid vom 29. Mai 1967 wurde den Beschwerdeführern vorerst nicht zugestellt.

2. Im Juli 1976 ersuchten die Beschwerdeführer, welche damals Kenntnis von dem Bescheid vom 29. Mai 1967 erlangt hatten, um Zufertigung desselben, welchem Ersuchen von der Behörde auch entsprochen wurde.

3. Mit Bescheid vom 19. August 1976 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. vom 29. Mai 1967 erhobene Berufung gem. §66 AVG 1950 zurück. Zugegebenermaßen seien die Beschwerdeführer zu Unrecht zu der Bewilligungsverhandlung nicht geladen worden. Die Beschwerdeführer seien daher als übergangene Parteien anzusehen, denen, da der angefochtene Bescheid längst in Rechtskraft erwachsen sei, keine Parteistellung im Bewilligungsverfahren mehr zukomme.

4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Den Beschwerdeführern kam als Grundeigentümern gem. §102 Abs1 litb iVm §12 Abs2 WRG im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zu. Sie sind daher als im Verfahren übergangene Parteien zu werten, was auch von der belangten Behörde zugestanden wird.

Die Zurückweisung der von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wird von der belangten Behörde mit den sich aus §107 Abs2 WRG für die übergangene Partei ergebenden Rechtsfolgen gerechtfertigt. Damit wird von der belangten Behörde jedoch der Inhalt dieser Bestimmung verkannt.

§107 Abs2 WRG verweist ausdrücklich auf §41 Abs2 AVG. Diese Vorschrift enthält eine Regelung über den Inhalt der Bekanntmachung und die Notwendigkeit eines Hinweises auf die nach §42 AVG eintretenden Folgen. Nur in solchen Fällen folgt, wie der VfGH mit Erk. vom 18. Oktober 1979, B112/78, eingehend begründet hat, aus §107 iVm §26 Abs3 WRG, daß dem wasserrechtlichen Bescheid Rechtskraftwirkungen gegenüber einer übergangenen Partei zukommen.

Da weder eine persönliche Ladung der Beschwerdeführer noch eine öffentliche Bekanntmachung der für den 11. Mai 1967 anberaumten Verhandlung stattgefunden hat, ist für die Beschwerdeführer als übergangene Parteien die Möglichkeit, nachträglich Einwendungen zu erheben, offen geblieben. Die belangte Behörde war sohin nicht berechtigt, den Beschwerdeführern im Hinblick auf §107 Abs2 WRG eine Sachentscheidung zu verweigern.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (VfSlg. 7544/1975).

Da die belangte Behörde den Beschwerdeführern durch Zurückweisung der von ihnen erstatteten Berufung eine Sachentscheidung in gesetzwidriger Weise verweigert hat, wurden die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden, verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß es erforderlich war, auf das Vorbringen der Beschwerde im übrigen einzugehen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Partei übergangene, Verfahrenskonzentration, Parteistellung Wasserrecht, Bescheid Rechtskraft, Wasserrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B418.1976

Dokumentnummer

JFT_10199382_76B00418_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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