TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/18 B84/79, B255/79, B256/79, B257/79, B258/79, B259/79, B260/79, B261/79,

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Veröffentlicht am 18.06.1980
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art5

Beachte

Anlaßfälle zu VfSlg. 8806, 8807/1980

Leitsatz

Gebührengesetz; Gleichheits- und Eigentumsverletzung nach Aufhebung des §33 TP19 Abs1 idF BGBl. 668/1976 und nach Aufhebung des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 17. Juni 1977, Z 110750/2-IV/11/77, AÖFV 174/1977, betreffend Beurkundung gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte im Ausland

Spruch

Die Bescheide werden aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführerin A.-L. Stalltechnik GesmbH hat mit der Bank of America NT & SA im Ausland einen Kreditvertrag über 45 Mill. S abgeschlossen. Die Beurkundung erfolgte in der Form, daß aufgrund einer Kreditzusage der Bank of America, Zweigniederlassung W., am 24. Mai 1977 das Einverständnis der A.-L. Stalltechnik GesmbH mit der Vereinbarung vom 27. Mai 1977 in K. und das Einverständnis der Bank of America, Regionalbüro für Nordeuropa, F., namens der Zweigniederlassung W. am 1. Juni 1977 in F. vermerkt wurde, wobei die Urkunde in der Folge im Ausland blieb. Dennoch hat das Finanzamt mit einem am 24. November 1977 zugestellten Bescheid in Anwendung des Abs1 der TP19 des §33 GebG 1957 idF BGBl. 668/1976 für diesen Kreditvertrag eine Rechtsgeschäftsgebühr zuzüglich eines Erhöhungsbetrages vorgeschrieben. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde von der Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit des §33 TP19 GebG (in der geltenden Fassung), die Gesetzwidrigkeit des Erlasses des Bundesministers für Finanzen, AÖFV Nr. 174/1977, sowie die Gebührenfreiheit des Kreditvertrages wegen Auslandsbeurkundung geltend gemacht. Mit Bescheid vom 15. Jänner 1979 der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld., Z GA 11-711/1/78, wurde die Berufung abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, zu B84/79 protokollierte Beschwerde.

2. Der beschwerdeführende Spar- und Kreditverein der Angestellten und Freunde der J. M. AG reg. GenmbH hat mit verschiedenen Kreditunternehmern Kreditverträge im Ausland abgeschlossen. Die Beurkundung dieser Kreditverträge erfolgte mit Anbot und Annahme jeweils vom 23. Juni 1977 in M., wo sich vertretungsbefugte Organe der Vertragspartner anläßlich der Finanzverhandlungen aufhielten. Anbot und Annahme verblieben ausnahmslos in der Folge im Ausland. Dennoch schrieb das Finanzamt in Anwendung des Abs1 der TP19 des §33 GebG 1957 idF BGBl. 668/1976 mit Bescheiden vom 31. Oktober und 3. November 1977 für diese Kreditverträge Rechtsgeschäftsgebühren vor.

In den dagegen erhobenen Berufungen wurde die Verfassungswidrigkeit des §33 TP19 GebG (in der geltenden Fassung), die Gesetzwidrigkeit des Erlasses des Bundesministers für Finanzen, AÖFV 174/1977, sowie die Gebührenfreiheit wegen Auslandsbeurkundung geltend gemacht. Mit Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 11. Mai 1979, Z GA 11-44/7/79 bis GA 11-53/7/79, GA 11-54/9/79 und GA 11-55/4/79, wurden die Berufungen abgewiesen.

Gegen diese Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden zu B255 - 266/79 protokollierten Beschwerden.

3. Die belangte Behörde hat in allen Beschwerdefällen Gegenschriften erstattet und die Abweisung der Beschwerden beantragt.

4. Der VfGH hat beschlossen, die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle hat der VfGH gem. Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des Abs1 der TP19 des §33 GebG 1957, Anlage zur Kundmachung BGBl. 267 idF der Nov. BGBl. 668/1976, geprüft. Mit Erk. vom 8. Mai 1980, G1, 2/80, G 16 - 25/80, hat er diese Gesetzesstelle wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

III. Gleichfalls aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle hat der VfGH gem. Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 17. Juni 1977, Z 110750/2-IV/11/77, AÖFV 174/1977, geprüft. Mit Erk. vom 8. Mai 1980, V14/80, hat er diesen Erlaß als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß der aufgehobene Erlaß auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist.

IV. Gem. Art140 Abs7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz, gem. Art139 Abs6 B-VG eine von ihm aufgehobene Verordnung im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Da die angefochtenen Bescheide in Anwendung einer gleichheitswidrigen aufgehobenen Gesetzesbestimmung ergangen sind, verletzen sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Da durch die zitierten aufhebenden Erk. die Rechtsgrundlage für die in das Eigentum der Beschwerdeführer eingreifenden Bescheide weggefallen ist, sind die Beschwerdeführer auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B84.1979

Dokumentnummer

JFT_10199382_79B00084_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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