TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/21 WI-10/79

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Veröffentlicht am 21.06.1980
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0300 Landtagswahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita B-VG Art141 Abs1 vorletzter Satz
B-VG Art141 Abs2
Tir LandtagswahlO 1975 §30
Tir LandtagswahlO 1975 §33 Abs2
VfGG §67 Abs2
VfGG §70 Abs1, §70 Abs4, §70 Abs5
ZPO §274

Leitsatz

Tir. Landtagswahlordnung 1975; Zurückziehung von Unterstützungserklärungen nach §33 Abs2; Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens

Spruch

Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Das Verfahren betreffend die am 30. September 1979 durchgeführte Wahl zum Tir. Landtag wird in folgendem Umfang aufgehoben:

a) das Wahlverfahren im Wahlkreis Nr. 5 Ost von dem mit der Entscheidung der Kreiswahlbehörde über die Zulässigkeit des Wahlvorschlages der Wählergruppe "Tiroler Mittelstand" am 6. September 1979 beginnenden Teil,

b) das zweite Ermittlungsverfahren.

Dem Antrag, das Verfahren hinsichtlich der Wahlen zum Tir. Landtag am 30. September 1979 zur Gänze aufzuheben, wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Landtagswahlordnung 1975 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung, LGBl. für Tirol 21/1975, über die Wiederverlautbarung der Landtagswahlordnung 1965) - im folgenden LWO 1975 - bestimmt in §1 Abs1, daß das Land Tirol für die Wahl in den Landtag, der aus 36 Mitgliedern besteht, in fünf Wahlkreise, darunter den Wahlkreis Nr. 5 Ost, bestehend aus dem Gebiet des politischen Bezirkes Lienz, eingeteilt wird. Sie enthält in dem die Wahlwerbung betreffenden 4. Abschnitt (§§30 bis 38) ua. folgende Bestimmungen:

Wählergruppen haben ihre Wahlvorschläge spätestens am 30. Tag vor dem Wahltag bei den Kreiswahlbehörden einzureichen (§30 Abs1); jeder Wahlvorschlag muß von mindestens 100 Wahlberechtigten des Wahlkreises unterstützt sein (§30 Abs4). Die Kreiswahlbehörde hat bei den eingereichten Wahlvorschlägen unverzüglich zu prüfen, ob sie von mindestens 100 Wahlberechtigten des Wahlkreises unterstützt sind; sie hat, wenn ein Wahlberechtigter mehrere Wahlvorschläge unterstützt hat, die Unterstützungserklärung für den ersten eingelangten Wahlvorschlag als gültig anzuerkennen, die Unterstützungserklärungen für die anderen Wahlvorschläge gelten als nicht eingebracht (§33 Abs1). Die Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen nach Einlangen des Wahlvorschlages ist von der Kreiswahlbehörde nicht zur Kenntnis zu nehmen, es sei denn, daß der Unterstützer der Kreiswahlbehörde glaubhaft macht, daß er durch einen wesentlichen Irrtum, durch arglistige Täuschung oder durch Drohung zur Unterstützung des Wahlvorschlages bestimmt worden ist und die Zurückziehung der Unterstützungserklärung spätestens am 27. Tag vor dem Wahltag bis 18 Uhr erfolgt (§33 Abs2).

Am 24. Tag vor dem Wahltag hat die Kreiswahlbehörde über die Zulässigkeit der eingereichten Wahlvorschläge zu entscheiden; gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§35 Abs1). In der Niederschrift über die Sitzung der Kreiswahlbehörde sind die Entscheidungen mit ihren Gründen und das jeweilige Abstimmungsverhältnis festzuhalten (§35 Abs2). Die gänzliche oder teilweise Zurückweisung eines Wahlvorschlages ist dem Zustellungsbevollmächtigten unter Angabe der Gründe schriftlich bekanntzugeben (§35 Abs3). Wahlvorschläge, die nicht von mindestens 100 Wahlberechtigten unterstützt sind, sind zur Gänze ungültig und zurückzuweisen (§36 Abs1 litb).

Für die Wahl in den Landtag am 30. September 1979 war der 30. Tag vor dem Wahltag der 31. August 1979, der 27. Tag vor dem Wahltag der 3. September 1979 und der 24. Tag vor dem Wahltag der 6. September 1979.

Die Wählergruppe "Tiroler Mittelstand" hat ihren mit 154 Unterstützungsunterschriften versehenen Wahlvorschlag für den Wahlkreis Ost am 29. August 1979 eingereicht. Bis 3. September 1979 um 18 Uhr haben 77 Personen ihre Unterstützungserklärung zurückgezogen.

Die Kreiswahlbehörde Ost hat in ihrer Sitzung am 6. September 1979 entschieden, daß der Wahlvorschlag "Tiroler Mittelstand" iS des §36 Abs1 litb LWO 1975 zur Gänze ungültig und zurückzuweisen ist.

In der Niederschrift über die Sitzung ist festgehalten, daß die 75 (richtig: 77) Personen, die ihre Unterstützungserklärungen zurückgezogen haben, übereinstimmend angegeben haben, es sei beim Sammeln der Unterschriften ausdrücklich betont worden, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle. Der Beisitzer Gottfried S. (SPÖ) habe sich zu Wort gemeldet und mitgeteilt, daß eine Frau "auch in seiner Trafik um die Unterstützung des Wahlvorschlages geworben habe. Dabei sei nur vom Mittelstand die Rede gewesen und mit keinem Wort hätte diese Frau zu verstehen gegeben, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle. Er glaube daher nicht, daß bei den Personen, die ihre Unterschrift zurückgezogen haben, ein wesentlicher Irrtum vorliege". Über die Abstimmung ist in der Niederschrift festgehalten (an Stelle der in der Niederschrift und in der ihr folgenden Bekanntgabe enthaltenen Zahlen 75 und 61 wäre jeweils richtig 77 und 59 zu lesen): "Die Kreiswahlbehörde stimmt nun über diesen Punkt ab und nimmt gem. §33 Abs2 LWO mit 7 Stimmen ÖVP gegen 2 Stimmen SPÖ die Zurückziehung der 75 Unterstützungserklärungen zur Kenntnis. Somit weist dieser Wahlvorschlag nur mehr 61 gültige Unterstützungserklärungen auf." Die getroffene Entscheidung ist in der Niederschrift wie folgt festgehalten: "Mit 7 Stimmen ÖVP gegen 2 Stimmen SPÖ wird der Wahlvorschlag des Tiroler Mittelstandes gem. §36 Abs1 litb LWO zurückgewiesen, weil er nach der Zurkenntnisnahme von 75 Erklärungen über die Zurückziehung der gegebenen Unterschriften, sowie der Streichung von 18 Personen, nur mehr von 61 Wahlberechtigten des Wahlkreises unterstützt ist und daher nicht mehr die in §30 Abs4 LWO vorgeschriebene Zahl von wenigstens hundert Wahlberechtigten des Wahlkreises aufweist."

In der schriftlichen Bekanntgabe dieser Entscheidung an den Zustellungsbevollmächtigten heißt es:

"Der Wahlvorschlag 'Tiroler Mittelstand' war von 154 Personen unterstützt. Auf Grund der Prüfung der Wahlvorschläge gemäß §33 Abs1 LWO wurde festgestellt, daß 10 Personen unter der von ihnen angegebenen Adresse nicht im Wählerverzeichnis aufscheinen. Eine Person (Jahrgang 1961) ist noch nicht wahlberechtigt und eine Person hat mit dem Firmennamen unterzeichnet. Weiters haben 6 Personen bereits den Wahlvorschlag der FPÖ unterschrieben. Da dieser Wahlvorschlag vor dem des 'Tiroler Mittelstandes' eingelangt ist, waren diese Unterschriften nur für den Wahlvorschlag der FPÖ als gültig anzuerkennen (§33 Abs1 LWO).

Weiters haben 75 Personen gem. §33 Abs2 LWO bis 3. 9. 1979 um 18 Uhr fristgerecht ihre Unterstützungserklärung zurückgezogen.

Diese Erklärungen wurden von der Kreiswahlbehörde Ost in ihrer Sitzung vom 6. 9. 1979 zur Kenntnis genommen, weil diese Personen glaubhaft machten, daß sie durch einen wesentlichen Irrtum zur Unterstützung des Wahlvorschlages 'Tiroler Mittelstand' bestimmt worden sind. Übereinstimmend geben alle Personen, die ihre Unterschrift zurückgezogen haben, an, daß beim Unterzeichnen des Wahlvorschlages ausdrücklich betont worden sei, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle.

Somit ist der Wahlvorschlag des 'Tiroler Mittelstandes' nur mehr von 61 Wahlberechtigten unterzeichnet und weist daher nicht mehr die in §30 Abs4 LWO vorgeschriebene Zahl von wenigstens hundert Wahlberechtigten auf."

2. Die Wählergruppe "Tiroler Mittelstand", vertreten durch den Zustellungsbevollmächtigten, ficht die am 30. September 1979 stattgefundene Wahl zum Tir. Landtag gem. Art141 B-VG iVm dem VerfGG 1953, insb. mit dessen §§67 ff., vor dem VfGH an und beantragt, der VfGH möge

a) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der Wahlanfechtung stattgeben und das Wahlverfahren hinsichtlich der Wahlen zum Tiroler Landtag am 30. September 1979 zur Gänze, jedenfalls aber in folgendem Umfang für nichtig erklären und aufheben:

Das Wahlverfahren im Wahlkreis Nr. 5 Ost ab der Entscheidung der Kreiswahlbehörde über die Zurückweisung des Wahlvorschlages "Tiroler Mittelstand" inklusive derselben gem. §36 LWO und inklusive die Kundmachung der Wahlvorschläge gem. §37 LWO; ferner das Wahlverfahren insgesamt ab dem 2. Ermittlungsverfahren gem. §65 LWO;

b) erkennen, daß das Land Tirol gem. §71a Abs1 iVm mit §88 VerfGG bei Zwang schuldig ist, der Wählergruppe "Tiroler Mittelstand" zu Handen ihres Zustellungsbevollmächtigten die Kosten des Wahlanfechtungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die anfechtende Wählergruppe führt zur Rechtzeitigkeit der Wahlanfechtung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 1348/1930, 3794/1960, 1904/1950 und 2037/1950) aus, daß das endgültige Wahlergebnis der Wahl zum Tir. Landtag am 30. September 1979 gem. §65 Abs8 LWO 1975 am 8. Oktober 1979 im "Boten für Tirol" kundgemacht worden sei und die vierwöchige Frist zur Einbringung der Anfechtung gem. §68 Abs1 VerfGG 1953 sohin gewahrt sei.

Zur Legitimation der Wahlanfechtung führt die anfechtende Wählergruppe aus, es ergebe sich aus der Rechtsprechung (VfSlg. 3482/1958, 4992/1965 und 5166/1965), daß dann, wenn die Frage der Gültigkeit des Wahlvorschlages entscheidend für die Wahlanfechtung sei - was vorliegendenfalls zutreffe -, die Anfechtungslegitimation nicht davon abhängig sei, daß der rechtzeitig vorgelegte Wahlvorschlag auch rechtswirksam eingebracht worden sei. Im übrigen habe die anfechtende Wählergruppe auch in den übrigen Wahlkreisen - und dort rechtswirksam - Wahlvorschläge eingebracht, sodaß sie in jedem Falle anfechtungslegitimiert sei.

Zur Sache führt die anfechtende Wählergruppe aus, es liege auf der Hand, daß die im folgenden erwiesenen Rechtswidrigkeiten, die zur ungerechtfertigten Zurückweisung des Wahlvorschlages der Wählergruppe im Wahlkreis Nr. 5 geführt hätten, im gesamten Bundesland Tirol auf das Wahlergebnis von entscheidendem Einfluß sein konnten (Hinweis auf VfSlg. 256/1923, 327/1924, 391/1925, 447/1925, 888/1927, 6207/1970, 6424/1971, 7784/1976). Denn die Wahlen hätten mit voller Sicherheit ein anderes Ergebnis gezeitigt, hätte die Wählergruppe "Tiroler Mittelstand" auch im Wahlkreis Nr. 5 Ost als wahlwerbende Alternative auftreten können.

Die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergebe sich aus folgenden - hier auf das Wesentliche zusammengefaßten - Überlegungen:

Nach Einbringung des Wahlvorschlages "Tiroler Mittelstand" seien der ÖVP nahestehende bzw. ihr angehörende Personen organisiert und systematisch an die Unterstützer im Wahlkreis Nr. 5 Ost zwecks Zurückziehung ihrer Unterstützungserklärung herangetreten, wobei der Zurückziehung vorgefertigte Vordrucke zugrunde gelegt worden seien.

Die Namen (und Adressen) der Unterstützer seien den Vertrauensleuten der ÖVP zu Unrecht und unter Verletzung bestehender Rechtsvorschriften zugänglich gemacht worden. Der anfechtenden Wählergruppe sei das Erk. VfSlg. 3102/1956 bekannt. Beim gegenwärtigen Sachverhalt könne jedoch die Besonderheit der Umstände nicht außer Erwägung bleiben: In Art20 Abs3 B-VG idF BGBl. 302/1975 sei die Amtsverschwiegenheit generell verfassungsgesetzlich verankert. Daß Kreiswahlbehörden nach §11 LWO 1975 mit Aufgaben der Landesverwaltung betraute Organe seien, bedürfe keiner weitwendigen Erörterung. Vorliegendenfalls seien die Namen der Unterzeichner von Mitgliedern der Wahlkreisbehörde oder ihren Hilfsorganen den Vertrauensleuten der ÖVP weitergegeben worden, ohne daß allerdings bisher von der anfechtenden Wählergruppe die undichte Stelle hätte aufgedeckt werden können. Der Grundsatz des geheimen Wahlrechtes umfasse nicht nur die Stimmabgabe, sondern jede Wahlbeeinflussung:

nur so könne das Erk. VfSlg. 6087/1969 verstanden werden. Die Verwaltungsbehörden seien ohne Zweifel an Art20 Abs3 B-VG gebunden. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Wahlwerbung nicht durch die Unterzeichner, sondern durch die Wahlwerber öffentlich erfolge. Unter "Partei" iS des Art20 Abs3 B-VG sei nicht nur eine Partei iS der Verfahrensgesetze, sondern jede Person zu verstehen, die aus irgendeinem Anlaß mit Behörden in Berührung komme. Daraus ergebe sich nicht nur das Interesse an der Geheimhaltung der Unterzeichner von Seite der Wählergruppe "Tiroler Mittelstand", sondern angesichts jedenfalls der besonderen politischen Verhältnisse in Osttirol, wo jeder jeden kenne und wo die Bekanntgabe der Unterzeichner bestimmter Wahlvorschläge durchaus gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Sanktionen nach sich ziehen könne, insb. das Geheimhaltungsinteresse der Unterzeichner selbst. Angesichts dessen sei die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens schon aus diesem Grunde gegeben.

Sofern die Meinung Walters (Österreichisches Bundesverfassungsrecht, S 754), daß Grund für eine Wahlanfechtung nur eine Verletzung einer der bestehenden Wahlvorschriften sein könne, zutreffen sollte, dürfe der Begriff Wahlvorschrift nicht einschränkend ausgelegt werden, da Art141 B-VG iZm dem VerfGG nicht von der Verletzung von Wahlvorschriften, sondern der Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens spreche. Das werde deutlich, wenn man sich vergegenwärtige, daß etwa das StGB 1975 in seinen §§261 ff. Regelungen über strafbare Handlungen bei Wahlen und Volksabstimmungen enthält. Für den konkreten Zusammenhang komme insb. §310 StGB in Betracht. Es müsse deshalb von einer Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gesprochen werden.

Das Wahlverfahren erweise sich aber auch deshalb als rechtswidrig, weil auf jene Personen, an welche systematisch und organisiert um Zurückziehung der Unterstützungserklärung herangetreten worden sei, zumindest zum Teil nicht unerheblicher Druck ausgeübt worden sei.

Die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergebe sich aber vor allem auch aus dem Umstand, daß die Kreiswahlbehörde darauf verwiesen habe, es hätten 75 Personen einen wesentlichen Irrtum glaubhaft machen können; übereinstimmend hätten alle Personen angegeben, daß beim Unterzeichnen des Wahlvorschlages ausdrücklich betont worden sei, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle. Die Behörde habe keinerlei Erhebungen angestellt, sondern sich ausschließlich auf vorgelegte, auf vorgefertigten Formularen vorgenommene Zurückziehungen sowie auf zwei Niederschriften gestützt. Es sei also ein Massenverfahren, keinerlei Einzelprüfung erfolgt. Die Behörde sei einer bloßen, nicht näher spezifizierten Behauptung ohne jede Überprüfung gefolgt.

Inhaltlich sei das Vorliegen eines Irrtums, noch mehr aber eines wesentlichen Irrtums mit aller Sicherheit auszuschließen. Materiell bekenne sich der "Tiroler Mittelstand" zu den Grundsätzen der ÖVP (Salzburger Programm). Formell sei aber immer klar gewesen, daß sich der "Tiroler Mittelstand" als eigene wahlwerbende Gruppe der Wahl stellen werde.

Zur Sache sei noch hinzugefügt, daß eine Koppelung mit der ÖVP angestrebt worden sei, daß langwierige Verhandlungen geführt worden seien und schlußendlich diese Koppelung zwar noch intern realisiert worden sei, daß aber die rechtswirksame Koppelung an technischen Tücken gescheitert sei.

Von jenen Personen, die die Unterstützungserklärungen eingesammelt hätten, sei keineswegs behauptet worden, daß es sich beim "Tiroler Mittelstand" um eine ÖVP-Liste handle, vielmehr sei höchstens und dies nicht immer, aber jedenfalls durchaus mit Recht auf das inhaltliche Nahverhältnis zur ÖVP aufmerksam gemacht und die Notwendigkeit einer ideellen und insb. personellen Erneuerung hervorgehoben worden.

Kein wesentlicher Irrtum iS der LWO 1975 liege offenkundig bei jenen Personen vor, die ihre Unterstützungserklärung mit der Begründung zurückgezogen hätten, daß keine Koppelung zustande gekommen sei. Im Zeitpunkt der Zurückziehung (3. September 1979) sei das Nicht-Zustandekommen der Koppelung noch gar nicht absehbar gewesen. Darüber hinaus sei die allfällige Koppelung in der LWO 1975 eigens vorgesehen und müsse erst nach Vorlage der Unterstützungsunterschriften bekanntgegeben werden.

3. Die Landeswahlbehörde hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

Die Wählergruppe ÖVP hat in einer Äußerung zur Wahlanfechtung Stellung genommen und beantragt, der Wahlanfechtung keine Folge zu geben. Mit einer weiteren Äußerung legte diese Wählergruppe (für den Fall, daß der VfGH der Rechtsmeinung sei, es bedürfe einer Beweisaufnahme über die Vorgänge, die zur Abgabe der Unterstützungsunterschriften und zu deren Zurückziehung geführt haben) vorsorglich ein Schreiben des Bezirksparteisekretärs der ÖVP in Lienz vor, in dem die Vorgänge bei Sammlung der Unterstützungserklärung durch die anfechtende Wählergruppe dargestellt werden.

Auch die Wählergruppe SPÖ hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, der Anfechtung der Wählergruppe "Tiroler Mittelstand" im Umfang ihres Eventualbegehrens stattzugeben.

Die Wählergruppe FPÖ hat in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, der Wahlanfechtung stattzugeben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gem. §67 Abs2 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958 sind zur Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde Wahlvorschläge rechtzeitig vorgelegt haben.

Der VfGH hat - abweichend von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 3482/1958, 3611/1959) - in der seit dem Erk. VfSlg. 4992/1965 ständigen Rechtsprechung (zB VfSlg. 5166/1965, 6087/1969, 7387/1974, 7850/1976) den Standpunkt vertreten, daß die Anfechtungsberechtigung jedenfalls dann, wenn die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages für das Ergebnis der Wahlanfechtung entscheidend ist, nicht überdies davon abhängt, ob der Wahlvorschlag auch rechtswirksam eingebracht worden ist. Gleiche Überlegungen gelten auch für die Anfechtungsberechtigung von Wählergruppen, die einen Wahlvorschlag rechtzeitig eingebracht haben, wenn dafür abgegebene Unterstützungserklärungen nachträglich zurückgezogen worden sind und die Frage, ob solche Zurückziehungen rechtswirksam erfolgen konnten, für das Ergebnis der Wahlanfechtung entscheidend ist.

Bei dieser Rechtslage braucht nicht untersucht zu werden, ob sich in einem Fall wie dem vorliegenden die Anfechtungsberechtigung auch daraus ergeben könnte, daß die anfechtende Wählergruppe in den anderen Wahlkreisen Wahlvorschläge rechtswirksam eingebracht und an der Wahl teilgenommen hat.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2. Eine der von der wahlanfechtenden Wählergruppe behaupteten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens (§67 Abs1 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958) liegt darin, daß die Kreiswahlbehörde Ost entschieden habe, der eingebrachte Wahlvorschlag sei zur Gänze ungültig und zurückzuweisen, da er nur von 61 Wahlberechtigten unterzeichnet sei.

Der Umstand, daß 18 der 154 Unterstützungserklärungen aus anderen Gründen als der Zurückziehung nicht als gültig anerkannt worden sind, ist nicht Gegenstand des Streites. Es geht allein um die Frage, ob die Wahlbehörde rechtswidrig handelte, als sie die Zurückziehung von 75 (richtig: 77) Unterstützungserklärungen zur Kenntnis genommen hat.

a) Die Zurückziehung erfolgte in vier Fällen durch niederschriftliche Erklärung bei der Kreiswahlbehörde Ost, in den anderen Fällen durch Überreichung schriftlicher Erklärungen bei dieser Behörde.

In 63 Fällen wurde die Zurückziehung damit begründet, daß der Unterstützer irregeführt worden sei, da ihm gesagt wurde, es handle sich um eine ÖVP-Liste, dies aber nicht der Fall sei. Diese 63 Zurückziehungserklärungen sind durch Unterschreiben vorbereiteter Schriftsätze abgegeben worden (44 auf einem hiefür vervielfältigten Formular, 10 auf einem wörtlich damit fast übereinstimmenden anderen vervielfältigten Formular, 9 auf einer damit gleichfalls fast wörtlich übereinstimmenden Maschindurchschrift).

In den anderen Fällen ist als Grund für die Zurückziehung angeführt, daß bei Einholung der Unterstützungsunterschrift die Erklärung, es handle sich um eine ÖVP-Gruppe bzw. ÖVP-Liste, zu einem auf einer falschen Information beruhenden Irrtum führte (zwei Fälle); daß der Unterstützer durch die Erklärung, es handle sich um eine ÖVP-Liste, getäuscht wurde (zwei Fälle); daß der Unterstützer durch die Erklärung, es handle sich um eine ÖVP-Liste, irregeführt und arglistig getäuscht wurde (ein Fall); daß der Unterstützer sich durch zu wenig Information in einem wesentlichen Irrtum befunden bzw. durch falsche Information getäuscht wurde (ein Fall); daß der Unterstützer durch die Erklärung, mit dem Wahlvorschlag werde die ÖVP unterstützt, getäuscht wurde, weil es sich um keine ÖVP-Liste handle und auch keine Koppelung eingegangen werde (ein Fall); daß die Erklärung, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle und/oder mit der ÖVP-Liste Eduard Wallnöfers eine Koppelung eingegangen werde, eine Täuschung war (zwei Fälle); daß die Erklärung, mit der ÖVP werde eine Koppelung eingegangen, eine auf einer falschen Information beruhende Täuschung war (ein Fall); daß die Erklärung der Koppelung mit der ÖVP eine falsche Information gewesen ist (ein Fall); daß, weil die Koppelung mit der ÖVP nicht eingegangen worden sei, ein wesentlicher Irrtum vorliegt (ein Fall); schließlich (in zwei Fällen), weil die zugesicherte Koppelung mit der ÖVP nicht eingehalten wurde.

b) In §33 Abs2 LWO 1975 ordnet der Gesetzgeber an, daß die Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen nach Einlangen des Wahlvorschlages von der Kreiswahlbehörde nicht zur Kenntnis zu nehmen ist, es sei denn, daß der Unterstützer der Kreiswahlbehörde glaubhaft macht, daß er durch einen wesentlichen Irrtum, durch arglistige Täuschung oder durch Drohung zur Unterstützung des Wahlvorschlages bestimmt worden ist. Im vorliegenden Fall ist nur von Bedeutung, ob die Kreiswahlbehörde eine solche Glaubhaftmachung bezüglich eines wesentlichen Irrtums oder einer arglistigen Täuschung zu Recht bejaht hat.

Soweit die Zurückziehung damit begründet ist, daß mit der ÖVP keine Koppelung (§32 LWO 1975) eingegangen worden ist, kann von vornherein ein wesentlicher Irrtum oder eine arglistige Täuschung bei der Abgabe der Unterstützungserklärung nicht dargetan werden. Dies ergibt sich schon aus der zeitlichen Abfolge, die die LWO 1975 vorsieht, denn diese zeigt, daß die Koppelung von Wahlvorschlägen in keiner notwendigen Beziehung zu ihrer Einreichung und Unterstützung steht:

Wahlvorschläge sind - mit den erforderlichen Unterstützungserklärungen versehen - spätestens am 30. Tag vor dem Wahltag bei der Kreiswahlbehörde einzureichen (§30 Abs1). Die Koppelung von Wahlvorschlägen ist spätestens am 27. Tag vor dem Wahltag bis 18 Uhr zu erklären (§32 Abs1) und kann bis spätestens am 25. Tag vor dem Wahltag bis 18 Uhr aufgelöst werden (§32 Abs2). Der 27. Tag vor dem Wahltag um 18 Uhr ist aber auch der Zeitpunkt, bis zu dem spätestens die Zurückziehung der Unterstützungserklärung erfolgen muß (§33 Abs2).

Soweit die Zurückziehung mit Irrtum oder Täuschung begründet ist, wird einmal eine arglistige Täuschung (durch die Erklärung, es handle sich um eine ÖVP-Liste), einmal ein wesentlicher Irrtum (durch zu wenig Information) und ein weiteres Mal ein wesentlicher Irrtum (weil die Koppelung mit der ÖVP nicht eingegangen worden sei) behauptet. In den anderen Fällen wird in der Zurückziehungserklärung nur behauptet, daß in der Erklärung, es handle sich bei dem Wahlvorschlag des "Tiroler Mittelstandes" um eine ÖVP-Liste oder eine ÖVP-Gruppe, Irreführung, Irrtum oder Täuschung liegt. Es ist also zu prüfen, ob bei diesem Sachverhalt die Glaubhaftmachung eines wesentlichen Irrtums oder einer arglistigen Täuschung rechtmäßig angenommen werden konnte.

Bei Auslegung des §33 Abs2 LWO 1975 sind die Grundsätze anzuwenden, die der VfGH in seiner Rechtsprechung zum Wahlverfahren herausgearbeitet hat. Demnach sind die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen strenge gebunden; die Bestimmungen der Wahlordnungen müssen strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden, soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden (vgl. zB VfSlg. 1904/1950, 2157/1951, 3796/1960, 4168/1962, 5861/1968, 6750/1972, 7392/1974, 7435/1974, insb. aber 6207/1970, S 371). Es ist somit davon auszugehen, daß die Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen nach Einlagen des Wahlvorschlages von der Kreiswahlbehörde grundsätzlich nicht, sondern nur bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände und nur, wenn die Zurückziehung innerhalb bestimmter Frist erfolgt, zur Kenntnis genommen werden darf. In den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des späteren Gesetzes LGBl. 6/1975, mit dem die Landtagswahlordnung 1965 geändert wird (zu Beilage 3 der stenografischen Berichte des Tir. Landtages, VII. Periode, 27. Tagung vom 28. November 1974) wird dies - objektiviert - mit den Worten ausgedrückt, daß die Zurückziehung einer Unterstützungserklärung grundsätzlich nicht möglich sein soll. Zu den Ausnahmetatbeständen gehört ua., wenn der Unterstützer der Kreiswahlbehörde glaubhaft macht, er sei durch einen wesentlichen Irrtum oder durch arglistige Täuschung zur Unterstützung des Wahlvorschlages bestimmt worden. Eine solche Bestimmung verfolgt offensichtlich den Zweck, eine Wahlbeeinflussung durch Vereitelung der Bewerbung bestimmter Wählergruppen zu vermeiden (vgl. dazu das Erk. VfSlg. 4223/1962, S 313, das zu einer Rechtslage ergangen ist, die sich von der im vorliegenden Fall anzuwendenden nur dadurch unterscheidet, daß die Wahlbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zurückziehung in einem einwandfreien Verfahren zu klären hatte, während sie sich hier mit einer Glaubhaftmachung begnügen kann).

Zur Bedeutung des Begriffes der Glaubhaftmachung ist, da die LWO 1975 darüber keine Aussage trifft, dessen Auslegung in anderen Rechtsbereichen heranzuziehen. Im Bereich der ZPO (§274) hat die Glaubhaftmachung das Ziel, der Behörde die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln, wobei ein summarisches Verfahren bei der Tatsachenermittlung genügt und Beweisaufnahmen, die sich nicht sofort ausführen lassen, ausgeschlossen sind (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, III. Bd., S 290 ff. mit weiteren Literaturhinweisen). Auch im Bereich des Verwaltungsverfahrens wird unter Glaubhaftmachung verstanden, die Richtigkeit einer Tatsache bloß wahrscheinlich zu machen (so schon Herrnritt, Das Verwaltungsverfahren, 1932, S 89).

Die bloße Behauptung des Unterstützers, der seine Erklärung zurückziehen will, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zurückziehung gegeben seien, genügt also nicht (vgl. auch dazu VfSlg. 4223/1962, S 313).

Dem von der anfechtenden Wählergruppe bei der Kreiswahlbehörde am 29. August 1979 eingereichten Wahlvorschlag (die Wählergruppe hat unter der gleichen Bezeichnung auch in allen andern Tir. Wahlkreisen Wahlvorschläge eingereicht) sind die gem. §30 LWO 1975 erforderlichen Unterstützungserklärungen auf neun Unterschriftsblättern beigefügt, von denen jedes die Kopfbezeichnung trägt: "Mit meiner Unterschrift auf dieser Liste unterstütze ich die Wählergruppe 'Tiroler Mittelstand' bei den Tiroler Landtagswahlen am 30. 9. 1979". Die Bezeichnung des Wahlvorschlages enthält keinen Hinweis darauf, daß es sich um eine ÖVP-Liste handle. Sie unterscheidet sich deutlich von der Bezeichnung der von der Wählergruppe "Österreichische Volkspartei - ÖVP" in allen Tir. Wahlkreisen (im Wahlkreis Nr. 5 Ost am 10. August 1979) eingereichten Wahlvorschläge. Gleichwohl war die Öffentlichkeit durch die Tagespresse (zB "Tiroler Tageszeitung" vom 27. Juli 1979) und durch Wahldruckschriften davon unterrichtet, daß die Spitzenkandidaten ÖVP-Mitglieder sind (der erstgereihte Wahlwerber übt auch das der Wählergruppe "ÖVP-Innsbrucker Mittelstand" bei der Wahl des Innsbrucker Gemeinderates im Jahre 1977 zugefallene Mandat aus) und sich die Wählergruppe zu den Grundsätzen der ÖVP bekennt.

Bei dieser Rechts- und Sachlage vermag die Behauptung in der Zurückziehungserklärung, daß der Unterstützer durch die Aussage einer Person, bei dem Wahlvorschlag "Tiroler Mittelstand" handle es sich um eine ÖVP-Liste, irregeführt worden sei, nicht darzutun, worin überhaupt der Irrtum oder die Täuschung bestanden hat, noch viel weniger kann eine solche Behauptung als Glaubhaftmachung gewertet werden, daß der Unterstützer durch einen wesentlichen Irrtum oder eine arglistige Täuschung zur Unterstützung bestimmt worden sei.

Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, den Gesetzesbefehl, daß die Zurückziehung von Unterstützungserklärungen grundsätzlich nicht zur Kenntnis zu nehmen sei, zur völligen Unwirksamkeit umzudeuten.

Die behauptete - in der Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtenden Wählergruppe liegende - Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ist somit erwiesen.

3. Gem. Art141 Abs1 B-VG und §70 Abs1 VerfGG 1953 hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluß war. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976).

Im Wahlkreis Ost sind bei der Landtagswahl am 30. September 1979 bei 29972 Wahlberechtigten 26641 gültige Stimmen abgegeben worden. Es waren drei Mandate zu vergeben. Die Wahlzahl im ersten Ermittlungsverfahren betrug 6661.

Auf die drei als gültig anerkannten Wahlvorschläge entfielen

                      Mandate im ersten

         Parteisumme   Ermittlungsverfahren   Reststimmen

ÖVP ....... 20082               3                 99

SPÖ .......  5643               0               5643

FPÖ .......   916               0                916

Dieses Wahlergebnis zeigt, daß bei einer Teilnahme der anfechtenden Wählergruppe an der Wahl durchaus die Möglichkeit bestanden hätte, daß nicht alle im Wahlkreis zu vergebenden Mandate schon im ersten Ermittlungsverfahren vergeben hätten werden können (§62 LWO 1975), sondern daß auch in diesem Wahlkreis ein Restmandat verblieben wäre, das im zweiten Ermittlungsverfahren von der Landeswahlbehörde zu vergeben gewesen wäre (§65 LWO 1975). Es braucht daher nicht erörtert zu werden, ob der Ausschluß einer Wählergruppe von der Teilnahme an einer Wahl in jedem Fall auf das Wahlergebnis von Einfluß sein kann (vgl. VfSlg. 3977/1961).

Die in der Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtenden Wählergruppe liegende Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens führt somit dazu, daß der Wahlanfechtung stattzugeben war.

Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf die von der anfechtenden Wählergruppe behaupteten weiteren Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens einzugehen.

4. Die erwiesene Rechtswidrigkeit bestimmt auch den Umfang der Aufhebung des Wahlverfahrens:

Es waren aufzuheben das Wahlverfahren im Wahlkreis Nr. 5 Ost von dem mit der Entscheidung der Kreiswahlbehörde über die Zulässigkeit des Wahlvorschlages der anfechtenden Wählergruppe beginnenden Teil und das zweite Ermittlungsverfahren.

Bei der dadurch erforderlichen teilweisen Wiederholung der Wahl des Tir. Landtages gem. Art141 Abs2 B-VG idF BGBl. 409/1975 und §70 Abs, 4 und 5 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 wird auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen sein:

Die Kreiswahlbehörde Ost hat am 6. September 1979 (dem 24. Tag vor dem Wahltag) gem. §35 Abs1 LWO 1975 über die Zulässigkeit der eingereichten Wahlvorschläge entschieden und dabei die Wahlvorschläge der ÖVP, der SPÖ und der FPÖ für zulässig erklärt, dagegen den von 154 Personen unterstützten Wahlvorschlag des "Tiroler Mittelstandes" gem. §36 Abs1 litb LWO 1975 zurückgewiesen, weil er ua. nach Zurkenntnisnahme von 75 (richtig: 77) Erklärungen über die Zurückziehung der gegebenen Unterschriften nicht mehr die in §30 Abs4 LWO 1975 vorgeschriebene Zahl von mindestens 100 Wahlberechtigten des Wahlkreises aufweist.

Die Kreiswahlbehörde Ost wird nun nach Aufhebung ihrer Entscheidung über die Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtenden Wählergruppe in Bindung an die Entscheidungsgrundlagen, wie sie im Zeitpunkt der rechtswidrigen Zurückweisung vorgelegen sind und in Bindung an die Rechtsanschauung des VfGH (§70 Abs4 VerfGG 1953) über die Zulässigkeit des Wahlvorschlages der anfechtenden Wählergruppe zu entscheiden haben. Sie wird dabei von dem in der Niederschrift vom 6. September 1979, GZ I-140/10-1979, dargestellten Sachverhalt auszugehen haben, mit der Modifikation, daß die in §33 Abs2 LWO 1975 als Voraussetzung für eine wirksame Zurückziehung von Unterstützungserklärungen verlangte Glaubhaftmachung nicht erfolgt ist, diese Zurückziehungserklärungen also nicht zur Kenntnis genommen werden dürfen. Sie wird daher den Wahlvorschlag der anfechtenden Wählergruppe für zulässig erklären müssen und sodann die schon am 6. September 1979 für zulässig erklärten Wahlvorschläge und den Wahlvorschlag der anfechtenden Wählergruppe gem. §37 LWO 1975 unverzüglich kundzumachen haben.

5. Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 (vgl. dazu auch §27 VerfGG 1953) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

Schlagworte

Wahlen, Wahlvorschlag, Auslegung, Zivilprozeß, Beweise, Verwaltungsverfahren, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:WI10.1979

Dokumentnummer

JFT_10199379_79WI0010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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