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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Wr. Anzeigenabgabegesetz; keine denkunmögliche Anwendung des §3 (iVm §149 Wr. Abgabenordnung); keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 21. Juni 1978 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gem. §149 Abs3 der Wr. Abgabenordnung (WAO), LGBl. für Wien 21/1962, idF der Gesetze LGBl. für Wien 12/1964 und 4/1974 (somit idF vor dem Inkrafttreten der mit 30. September 1978 wirksam gewordenen Nov. LGBl. 28/1978) iVm den §§1, 4 und 5 des Wr. Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. für Wien 14/1946, idF der Nov. LGBl. für Wien 10/1978, für die im Druckwerk "Bücher machen Freunde" enthaltenen Anzeigen für die Monate Jänner bis Dezember 1974 eine Anzeigenabgabe, gem. §104 WAO ein Verspätungszuschlag und gem. §§164 Abs1 und 166 WAO ein Säumniszuschlag vorgeschrieben. Die Vorschreibung der Anzeigenabgabe erfolgte auf Grund einer am 15. Jänner 1975 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgenommenen Revision. Auf Grund des Ergebnisses dieser Revision war im Bescheid festgestellt worden, daß sich eine größere Anzahl von Buchverlegern zur "Arbeitsgemeinschaft zur Verbreitung des Buches in Österreich" (im folgenden Arbeitsgemeinschaft), einer Gesellschaft iS der §§1175 ff. ABGB, zusammengeschlossen hatte, um mit Hilfe der Druckschrift (des Kataloges) "Bücher machen Freunde" auf gemeinsamer Rechnung eine Gemeinschaftswerbung durchzuführen. Mit der Durchführung (Herstellung und Versendung der Druckschrift) war die beschwerdeführende Gesellschaft betraut worden. Die Ausgaben für die Gemeinschaftswerbung waren den einzelnen, im Impressum des Kataloges ausdrücklich genannten Gesellschaftern anteilig unter der Bezeichnung "Titelgebühren" in Rechnung gestellt worden, da vereinbarungsgemäß das Ausmaß des jeweiligen Anteils an diesen Aufwendungen sich nach dem Raum zu richten hatte, den die Information über die einzelnen Buchtitel innerhalb des Kataloges beanspruchten.
Bei der Gründung der Gesellschaft war festgelegt worden, daß die gesamte steuerliche Abwicklung durch die beschwerdeführende Gesellschaft mit einer angegebenen Steuernummer beim Finanzamt für Körperschaften erfolgt.
Bei der Vorschreibung der Abgabe ist die erstinstanzliche und ihr folgend die belangte Behörde davon ausgegangen, daß nach Art und Inhalt des Auftrages zur Herausgabe der angeführten Druckschrift die beschwerdeführende Gesellschaft als Abgabenpflichtiger anzusehen sei. Bei den "Titelgebühren" handle es sich um das Entgelt für die Vornahme und Verbreitung einer Anzeige. Nach der in §19 Abs1 WAO normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei die beschwerdeführende Gesellschaft zur Entrichtung der Anzeigenabgabe (10% des Entgeltes) verpflichtet.
2. Gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission vom 21. Juni 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Es wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, im besonderen des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemacht und der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, für den Fall der Abweisung die Beschwerde dem VwGH abzutreten.
II. Mit dem Erk. vom 30. Jänner 1980, G107/78 und G49/79, hat der VfGH festgestellt, daß §149 Abs2 und 3 WAO, idF vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Juni 1978, LGBl. für Wien 28/1978, mit dem die WAO geändert wird, verfassungswidrig waren. Er hat ferner ausgesprochen, daß die Gesetzesstellen nicht mehr anzuwenden sind.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Gem. §1 Abs1 des Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. für Wien 14/1946, unterliegen Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Druckwerke (§2 des Preßgesetzes) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes.
Zur Entrichtung der Abgabe ist nach §3 Abs1 der Eigentümer des die Veröffentlichung oder Verbreitung der Anzeige besorgenden Unternehmens, bzw. der Verleger oder Herausgeber des Druckwerkes, in dem die Anzeige veröffentlicht oder mit dem sie verbreitet wird, ferner nach Maßgabe der Bestimmungen des §5 auch derjenige, der die Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen vermittelt (Annoncenagenturen, Annoncierungsinstitute u. dgl.), verpflichtet.
Nach §7 Abs1 hat der Abgabepflichtige für jeden Monat bis längstens
14. des darauf folgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich darnach ergebenden Abgabebetrag an die Stadtkassa bar oder mittels Überweisung einzuzahlen.
Im übrigen gelten für das Verfahren die Bestimmungen der WAO (§1 WAO).
2. Da es die beschwerdeführende Gesellschaft unterlassen hatte, die ihr von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft geleisteten "Titelgebühren" in der von ihr gem. §7 Abs1 des Anzeigenabgabegesetzes dem Magistrat vorzulegenden Abrechnung als Entgelte für die Vornahme und Verbreitung von Anzeigen anzugeben, wurde sie mit dem angefochtenen Bescheid in Anwendung des §149 Abs3 WAO zur Entrichtung einer Anzeigenabgabe in der Höhe von 10% des Gesamtbetrages der geleisteten Titelgebühren verpflichtet.
3. Der VfGH hat den angefochtenen Bescheid grundsätzlich nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Rechtslage zu beurteilen. Die erst nach diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Nov. LGBl. 28/1978 hat daher außer Betracht zu bleiben. Daraus folgt, daß §149 WAO der Entscheidung ohne die infolge des Erk. G107/78, G49/79 unanwendbar gewordenen Abs2 und 3 zugrunde zu legen ist und an deren Stelle nicht die novellierte Fassung tritt.
§149 WAO spricht also nur aus, daß die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die zugelassene Selbstbemessung festgesetzt gilt. Daneben ist jedoch auch §146 Abs1 WAO zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen, soweit die Abgabenvorschriften nichts anderes zulassen.
In ihrem Zusammenhalt ergeben diese Vorschriften, daß die Abgabenbehörde die Abgaben durch Bescheid festzusetzen hat, wenn der Abgabenpflichtige die zugelassene Selbstbemessung nicht vornimmt und die Einreichung der hiefür erforderlichen Erklärung unterläßt. Daß die unter anderem auch dies ausdrücklich aussprechende (und die Möglichkeit der Bescheiderlassung zugleich unsachlich beschränkende) Bestimmung des §149 Abs3 WAO aufgehoben wurde, hat auf die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdefalles bei sinnvoller Auslegung des verbliebenen Gesetzestextes keinen Einfluß (VfGH 22. 3. 1980 B267/77).
Die Beschwerdeführerin ist also ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der angewendeten Vorschrift durch deren Anwendung nicht in ihren Rechten verletzt worden.
Es ist daher auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen und zu prüfen, ob ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden ist.
4. Der angefochtene Bescheid greift durch die Vorschreibung einer Abgabe in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der verbliebenen Rechtsgrundlagen des Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 8531/1979 und die dort zitierte Judikatur) nur dann verletzt sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
a) Die belangte Behörde ist aufgrund der zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft bestehenden Regelung über die Herstellung und Verbreitung des Druckwerkes "Bücher machen Freunde" zu der Annahme gekommen, daß zwischen dem Entgelt für eine Vornahme und Verbreitung einer Anzeige und dem von der beschwerdeführenden Gesellschaft verwendeten Begriff "Titelgebühr" materiell kein Unterschied bestehe und daß sich aus dem Impressum des Druckwerkes kein zutreffender Schluß auf die Person des Abgabepflichtigen ziehen lasse, da die Aufnahme der zur Arbeitsgemeinschaft gehörigen Verleger in das Impressum als Scheinhandlung anzusehen sei, die nach §21 Abs1 WAO für die Verwaltung von Abgaben ohne Bedeutung sei. Die Aufnahme der inserierenden Verlage als Eigentümer, Herausgeber und Verleger in das Druckwerk durch die beschwerdeführende Gesellschaft verfolge als einzigen Zweck die Umgehung der Anzeigenabgabepflicht. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei nach §3 des Anzeigenabgabegesetzes ein die Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen iS des §1 besorgendes Unternehmen bzw. der Verleger oder Herausgeber des Druckwerkes, in dem die Anzeige veröffentlicht oder mit dem sie verbreitet werde; iZm der für die Vorschreibung von Abgaben normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§19 WAO) sei sie zur Entrichtung der Anzeigenabgabe verpflichtet.
b) In der Beschwerde wird der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht, nicht beachtet zu haben, daß das Druckwerk "Bücher machen Freunde" auf Rechnung der Arbeitsgemeinschaft und nicht auf Rechnung der beschwerdeführenden Gesellschaft hergestellt und vertrieben worden sei; entgegen der Meinung der belangten Behörde sei aus dem Impressum, in dem die zur Arbeitsgemeinschaft gehörenden Verleger angeführt seien, der Schluß zu ziehen, daß nur diese Arbeitsgemeinschaft und nicht die beschwerdeführende Gesellschaft als abgabepflichtige Person in Betracht kommen könne; aus dem Hinweis auf die steuerliche Abwicklung mit einer Steuernummer der beschwerdeführenden Gesellschaft könne nicht gefolgert werden, daß diese und nicht die Arbeitsgemeinschaft als Eigentümer, Herausgeber und Verleger des Druckwerkes anzusehen sei.
c) Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, ist an das "Verlagsbüro S." eine Druckkostenrechnung in der Höhe von zirka 700000 S für über 900000 Stück der Broschüre "Bücher machen Freunde" ergangen; weiters erfolgte die gesamte steuerliche Abwicklung durch die Verlagsbüro K.
S. GesmbH. Daraus ergibt sich, daß es zumindest nicht denkunmöglich war, anzunehmen, daß die Beschwerdeführerin das die Veröffentlichung der Anzeigen besorgende Unternehmen iS des §3 des Anzeigenabgabegesetzes ist. Selbst wenn mit dem Beschwerdevorbringen dargetan würde, daß eine andere als die im angefochtenen Bescheid getroffene Gesetzesauslegung richtig wäre, so ist doch die Denkunmöglichkeit dieser Auslegung damit noch nicht dargetan.
Ob aber das Gesetz auch richtig angewendet wurde, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht verletzt worden.
5. Zur Begründung der in der Beschwerde behaupteten willkürlichen Vorgangsweise der Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde in der mündlichen Verhandlung auf behauptete Verfahrensmängel hingewiesen; insb. sei dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben worden, Urkundenbeweise aus seiner Buchhaltung erbringen zu können.
Mit diesem Vorbringen wird, auch wenn es zutreffen sollte, nicht dargetan, daß die belangte Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren überhaupt unterlassen oder den konkreten Sachverhalt außer acht gelassen hätte. Mit diesem Vorbringen wird vielmehr nur eine einfache Gesetzwidrigkeit geltend gemacht, die nicht in die Verfassungssphäre reicht.
Da auch sonst kein Anhaltspunkt besteht, aus dem auf ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte, hat eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht stattgefunden.
6. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Anzeigenabgaben, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Feststellung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B463.1978Dokumentnummer
JFT_10199374_78B00463_00