TE Vfgh Beschluss 1980/6/26 B425/78, G95/78

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Veröffentlicht am 26.06.1980
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Index

L1 Gemeinderecht
L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
Nö KStrVG 1971 §4 Abs5 Z2 lita, §4 Abs5 Z2 litb
VfGG §19 Abs3 Z2

Leitsatz

Art144 B-VG; Tod des Beschwerdeführers; Rechtsnachfolge Art140 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung von Bestimmungen des §4 Abs5 des Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, LGBl. 264

Spruch

1. Die aufgrund des Gesetzesprüfungsantrages und der Beschwerde des

A. Sch. eingeleiteten Verfahren werden eingestellt.

2. Soweit der Gesetzesprüfungsantrag von den anderen Einschreitern eingebracht worden ist, wird er zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. §4 des Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, LGBl. 264 (im folgenden: KStrVG), bestimmt in seinem Abs5 Nachstehendes:

"(5) Im politischen Bezirk St. Pölten werden die Gemeinden Murstetten und Gerersdorf wie folgt aufgeteilt:

1. Die Gemeinde Murstetten:

.....

2. Die Gemeinde Gerersdorf:

a) die Katastralgemeinden Distelburg, Eggsdorf, Friesing, Gerersdorf, Grillenhöf, Hetzersdorf, Hofing, Stainingsdorf und Waitendorf werden in die Stadt mit eigenem Statut St. Pölten und

b) die Katastralgemeinden Loipersdorf, Salau und Völlerndorf werden in die Marktgemeinde Prinzersdorf

eingegliedert."

Die Gemeinde Gerersdorf hat gem. §5 Abs1 dieses Gesetzes mit dem Tag seines Inkrafttretens - das ist §9 zufolge der 1. Jänner 1972 - als eigene Gemeinde zu bestehen aufgehört.

Unter dem 14. Dezember 1971 hat die Nö. Landesregierung den Bescheid Z II/1-870-1971 mit folgendem Spruch erlassen:

"Gemäß §4 Abs5 Ziffer 2b) des Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, LGBl. Nr. 264, werden die Katastralgemeinden Loipersdorf, Salau und Völlerndorf in die Marktgemeinde Prinzersdorf eingegliedert.

Gemäß §6 Abs1 leg. cit. ist mit Inkrafttreten dieses Gesetzes der Gemeinderat der Marktgemeinde Prinzersdorf aufgelöst, da der durch die Änderung verursachte Zugang an Einwohnern die bisher auf ein Gemeinderatsmandat entfallende Anzahl von Einwohnern übersteigt.

Gemäß §6 Abs2 leg. cit. werden bis zur Angelobung des neugewählten Bürgermeisters zur Besorgung der unaufschiebbaren Geschäfte dieser Gemeinde bestellt:

Zum Regierungskommissär: .....

Zu Beiräten: ...... (es folgen sechs Namen)

Das Beiratsmitglied ......... wird zum Stellvertreter des

Regierungskommissärs bestimmt.

Die von der Gemeinde zu tragende Entschädigung des Regierungskommissärs wird mit 2308 S festgesetzt."

Keiner der Antragsteller und Beschwerdeführer wurde mit diesem Bescheid zum Regierungskommissär oder zum Beirat bestellt.

2. Der Ersteinschreiter A. Sch. war Vizebürgermeister, die übrigen Einschreiter waren Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Gerersdorf.

Der Ersteinschreiter ist am 11. November 1978 verstorben.

3. Mit dem auf Art140 B-VG gestützten, am 28. Juli 1978 zur Post gegebenen Antrag begehren die Einschreiter, §4 Abs5 Z2 lita und b KStrVG als verfassungswidrig aufzuheben.

Sie erheben überdies eine auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde gegen den zitierten Bescheid der Nö. Landesregierung vom 14. Dezember 1971 und behaupten, daß ihnen der Bescheid erst am 19. Juni 1978 inhaltlich zur Kenntnis gelangt sei. In der Beschwerde machen sie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend und begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Über eine Beschwerde kann, ungeachtet ihrer Zulässigkeit im Zeitpunkt der Einbringung, jedenfalls dann nicht mehr meritorisch entschieden werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung weder der Beschwerdeführer selbst noch ein Rechtsträger vorhanden ist, der die Rechtspersönlichkeit des (verstorbenen) Beschwerdeführers in Ansehung jener Rechte fortsetzt, deren Verletzung in der Beschwerde geltend gemacht worden ist und in die der angefochtene Bescheid eingreift (vgl. VfSlg. 6697/1972; VfGH 30. 11. 1978 B256/78).

Der angefochtene Bescheid hat die Rechtsstellung des (nach der Beschwerdeerhebung verstorbenen) Erstbeschwerdeführers A. Sch. insofern berührt, als diese Entscheidung die Feststellung in sich schließt, daß dieser Beschwerdeführer seine Funktion als Vizebürgermeister der Gemeinde Gerersdorf mit 1. Jänner 1972 verloren hat (vgl. VfSlg. 6697/1972, 6742/1972, 7830/1976, 8110/1977 und 8219/1977). In Ansehung dieser (für verloren erklärten) Funktion kommt eine Rechtsnachfolge jedoch nicht in Betracht.

Im Ergebnis Gleiches gilt für den vom Ersteinschreiter eingebrachten Individualantrag bezüglich der Möglichkeit, daß die bekämpften Gesetzesstellen in die Rechtssphäre eines Rechtsnachfolgers eingreifen.

Die Verfahren, die über die Beschwerde und den Antrag des Ersteinschreiters eingeleitet wurden, waren sohin einzustellen.

2. Zu dem von den anderen Einschreitern gestellten, auf Art140 B-VG gestützten Individualantrag ist folgendes festzuhalten:

Wie der VfGH in ständiger Judikatur - beginnend mit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausgesprochen hat, ist grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation, daß das bekämpfte Gesetz nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Antragsbefugnis zu. Vielmehr ist ein unmittelbarer durch das Gesetz erfolgter und (deswegen) die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Wahrung seiner Rechte nicht zur Verfügung steht.

Ein derartiger Weg besteht nun hier: Die Antragsteller, denen der Bescheid der Nö. Landesregierung vom 14. Dezember 1971 inhaltlich bekannt geworden war, waren legitimiert, diesen im Zuge der Kommunalstrukturverbesserung erlassenen, die Eingliederung von Teilen der ehemaligen Gemeinde Gerersdorf in die Marktgemeinde Prinzersdorf betreffenden Bescheid beim VfGH mit Beschwerde zu bekämpfen (vgl. VfSlg. 6697/1972, 6742/1972, 7830/1976, 8110/1977 und 8219/1977) und darin eine Gesetzesprüfung anzuregen. Sie konnten auf diese Weise die von ihnen angenommene Verfassungswidrigkeit der die Aufteilung der Gemeinde Gerersdorf betreffenden Bestimmungen des KStrVG geltend machen, und zwar sowohl was die Eingliederung einiger Gebiete in die Gemeinde Prinzersdorf als auch was die Eingliederung in die Stadt St. Pölten anlangt. Die Antragsteller haben von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht und die schon erwähnte Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben.

Jedenfalls unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihnen behaupteten Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesstellen nicht zur Verfügung gestanden wäre.

Ihr Antrag war sohin mangels Legitimation zurückzuweisen.

III. Der VfGH hat aufgrund folgender Erwägungen beschlossen, aus Anlaß des Verfahrens über die von den anderen als vom Erstbeschwerdeführer eingebrachte Beschwerde gem. Art140 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des §4 Abs5 des KStrVG, und zwar der Worte "und Gerersdorf" im Einleitungssatz dieses Absatzes sowie dessen Z2, einzuleiten:

.....

IV. Darüber, ob die angenommenen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind und die dargelegten Bedenken zutreffen, wird im Gesetzesprüfungsverfahren endgültig zu entscheiden sein.

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Individualantrag, Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B425.1978

Dokumentnummer

JFT_10199374_78B00425_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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