Index
13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Entschädigungsgesetz CSSR; keine Bedenken gegen §5; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin.
Ihr wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 22. Dezember 1975, 2 A180/75, die Verlassenschaft nach der am 17. Feber 1975 verstorbenen L. L. eingeantwortet.
L. L. hatte im Jahre 1938 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen. Sie hatte am 1. Juli 1939 mit K. A. W. und (nach dessen Tod) am 2. Juli 1957 mit dem österreichischen Staatsbürger K. L. die Ehe geschlossen.
L. L. war Inhaberin eines Großhandels mit Brennmaterial in P., gewesen. Dieser Vermögenswert war nach 1945 konfisziert worden.
Am 16. Dezember 1975 stellte die Beschwerdeführerin bei der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. den Antrag auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975 (im folgenden kurz: EG-CSSR). Diese Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. Dezember 1977 mitgeteilt, daß ihr als Erbin nach L. L. keine Entschädigung angeboten werden könne, da diese am 27. April 1945 nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe.
Die Beschwerdeführerin hat sodann gem. §40 Abs1 Z2 EG-CSSR ihren Anspruch bei der Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen geltend gemacht. Diese hat mit Bescheid vom 18. Mai 1978 den Antrag auf Gewährung einer Entschädigung abgelehnt; sie hat dies - offenbar ausgehend von der Annahme, daß L. L. durch die im Jahre 1939 erfolgte Eheschließung mit K. A. W. die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erworben habe - im wesentlichen wie folgt begründet:
"Da die ursprünglich Geschädigte L. A. L. am 27. 4. 1945 nicht österreichische Staatsbürgerin war, erfüllte diese daher nicht die Stichtagsvoraussetzungen gemäß §5 Abs1 Entschädigungsgesetz CSSR. Es kann daher im Ergebnis auch der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der Geschädigten von Todes wegen eine Entschädigung für den genannten Vermögensverlust nicht gewährt werden. Da das Gesetz die Zuerkennung einer Entschädigung aus Billigkeitsgründen nicht vorsieht, war daher im Ergebnis spruchgemäß zu erkennen."
2. Gegen diesen Bescheid der Bundesentschädigungskommission richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8133/1977) kann eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
b) Die Beschwerdeführerin wirft der Behörde nicht Willkür vor. Sie behauptet, daß die den Bescheid in materieller Hinsicht tragenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien (s. u. litd) aa).
c) Nach dem am 19. Dezember 1974 in Wien unterzeichneten Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung bestimmter finanzieller und vermögensrechtlicher Fragen, BGBl. 451/1975 (im folgenden kurz: Vermögensvertrag CSSR), leistet die CSSR eine Globalentschädigung für österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die bis zum Tage der Unterzeichnung des Vertrages tschechoslowakischen Konfiskations-, Nationalisierungs- oder ähnlichen gesetzlichen Maßnahmen unterzogen worden sind. Nach Art5 des Vermögensvertrages CSSR werden durch die vollständige Leistung der im Art3 genannten Globalentschädigung die CSSR sowie die tschechoslowakischen physischen und juristischen Personen von den gegenüber der Republik Österreich und österreichischen physischen und juristischen Personen bestehenden Verpflichtungen, die durch die oben erwähnten tschechoslowakischen Maßnahmen entstanden sind, in dem in der Anlage
I genannten Umfang befreit.
Dem Art2 Abs1 des Vermögensvertrages CSSR zufolge sind österreichische Personen iS dieses Vertrages physische Personen, die am 27. April 1945 nach den Bestimmungen des §1 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949, BGBl. 276 (im folgenden kurz: StÜG), die österreichische Staatsbürgerschaft besessen und diese auch am Tag der Unterzeichnung dieses Vertrages besessen haben, sowie bestimmte juristische Personen.
Das EG-CSSR regelt innerstaatlich die Entschädigung für Vermögenswerte, für die die CSSR aufgrund des Vermögensvertrages eine Globalentschädigung leistet.
§5 des Gesetzes räumt österreichischen physischen Personen, in deren Vermögen der Verlust eingetreten ist (ursprünglich Geschädigte) einen individuellen Anspruch auf Entschädigung ein, wenn sie am 27. April 1945 und am 19. Dezember 1974 (das ist der Tag des Abschlusses des Vermögensvertrages) österreichische Staatsbürger waren.
§6 des Gesetzes begründet für bestimmte Rechtsnachfolger nach solchen ursprünglich Geschädigten, die vor dem 19. Dezember 1974 verstorben sind, einen Entschädigungsanspruch. Da die ursprünglich Geschädigte L. L. am 17. Feber 1975 verstorben ist, kann der Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin als Erbin nach L. L. nicht aus §6, wohl aber aus §9 EG-CSSR abgeleitet werden, wonach der Anspruch auf Entschädigung am 19. Dezember 1974 als entstanden gilt.
Unstrittig ist, daß die ursprünglich Geschädigte L. L. am 19. Dezember 1974 österreichische Staatsbürgerin war. Strittig ist jedoch, ob die Genannte auch am 27. April 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat.
Diese Frage ist anhand des §1 Abs1 StÜG zu beurteilen, wonach österreichische Staatsbürger am 27. April 1945 ua. Personen sind, die am 13. März 1938 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben; dies jedoch nur dann, wenn in ihrer Person vor dem 27. April 1945 kein Tatbestand eingetreten ist, mit dem nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. 285, über den Erwerb und den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft in der am 13. März 1938 geltenden Fassung der Verlust der Bundesbürgerschaft verbunden ist.
Nach §9 Abs1 des verwiesenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1925 verliert die Ehegattin durch Verehelichung mit einem Ausländer ihre bisherige Landesbürgerschaft, "sofern nachgewiesen, daß sie nach den Gesetzen des Staates, dem der Ehegatte angehört, durch die Verehelichung die Staatsbürgerschaft dieses Staates erwirbt."
d) aa) Die Beschwerdeführerin bringt gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides vor, daß die ursprünglich Geschädigte L. L., und damit im Ergebnis die Beschwerdeführerin als deren Rechtsnachfolgerin, im Gleichheitsgrundsatz verletzt worden sei, da nach dem StÜG 1949 iVm dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1925 wohl eine Frau durch Verehelichung mit einem Mann ausländischer Staatsbürgerschaft, nicht aber ein Mann durch Verehelichung mit einer Frau ausländischer Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe. Es seien daher auch das StÜG und das EG-CSSR insoweit verfassungswidrig, als im Ergebnis Staatsbürger männlichen und weiblichen Geschlechts verschieden behandelt werden.
bb) Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:
§5 EG-CSSR fordert, daß der Geschädigte an bestimmten Stichtagen (so am 27. April 1945) die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat. Diese Bestimmung knüpft an die für die Stichtage bestandene österreichische staatsbürgerschaftsrechtliche Situation an, auch wenn sie nicht ausdrücklich auf die in Betracht kommenden Gesetze (so hinsichtlich des Stichtages 27. April 1945 auf das StÜG) verweist.
Diese Anknüpfung an die zum Stichtag bestandene staatsbürgerschaftsrechtliche Regelung ist nicht unsachlich. Nur darauf aber kommt es im gegebenen Zusammenhang bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des EG-CSSR an. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die im StÜG enthaltene unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen staatsbürgerschaftsrechtlich gesehen dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen hat.
e) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine anderen Bedenken, daß die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften - auch wenn sie den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt haben - dem Gleichheitsgebot widersprechen oder aus anderen Gründen verfassungswidrig sind.
f) Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die belangte Behörde willkürlich vorgegangen wäre.
Die Behörde hat zwar weder geprüft, ob K. A. W., den die ursprünglich Geschädigte L. L. am 1. Juli 1939 geheiratet hat, tschechoslowakischer Staatsbürger war, noch ob - falls dies zugetroffen haben sollte - die Genannte durch diese Eheschließung die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erworben hat. Die Beschwerdeführerin ist im Administrativverfahren selbst davon ausgegangen, daß L. L. durch die im Jahre 1939 erfolgte Heirat die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat. Wenn unter diesen Umständen die Behörde dies offenbar als selbstverständlich und keines weiteren Nachweises bedürftig angesehen hat, kann ihr nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe jegliches iS des Gesetzes gelegene Ermittlungsverfahren unterlassen und damit Willkür geübt.
g) Die Beschwerdeführerin ist sohin nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
2. Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden ist, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Die Beschwerdeführerin ist auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (s. o. II.1.d).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Entschädigung CSSREuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B368.1978Dokumentnummer
JFT_10199373_78B00368_00