TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/3 B150/77

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Veröffentlicht am 03.10.1980
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/07 Grenzüberwachung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
StGG Art8
GrenzkontrollG §9 lita
ÜbertragungsG 1967 §6 Abs1

Leitsatz

Art8 StGG, in der Notwendigkeit, bis zum Schluß der Amtshandlung zuzuwarten, liegt keine Verhaftung; Grenzkontrollgesetz, Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Nichtausfolgung von Privaturkunden, keine Rechtsverletzung

Spruch

1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen eine behauptete Verhaftung des Beschwerdeführers am 13. März 1977 durch Organe der belangten Behörde beim Zollamt Leutasch-Schanz richtet, zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer ist durch "die Nichtausfolgung von Privaturkunden durch ein Organ der belangten Behörde beim Zollamt Leutasch-Schanz am 13. März 1977" weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird insofern abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Feststellung, daß er durch die Verhaftung und durch die Nichtausfolgung von Privaturkunden "durch ein Organ der belangten Behörde beim Zollamt Leutasch-Schanz am 13. März 1977 in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden" sei. Er bringt im wesentlichen vor, daß er am 13. März 1977 beabsichtigt habe, nach Mittenwald in der Bundesrepublik Deutschland zu fahren und zu diesem Zwecke am Zollamt Leutasch-Schanz, wo er gegen 13.50 Uhr eingelangt sei, die Grenze passieren wollte. Der deutsche Zollbeamte habe anläßlich der Grenzkontrolle die Reifenprofile seines PKWs beanstandet, habe ihm jedoch die Weiterfahrt gestattet. Als er anschließend vom österreichischen Grenzbeamten aufgefordert worden sei, für sich und seine Gattin die Personalausweise vorzuzeigen, habe er diesem ein Lederetui, in dem sich seine und seiner Gattin Personaldokumente, aber auch Privaturkunden, Photographien und ua. sein Dienstausweis befanden, überreicht. Der Zollbeamte habe die Dokumententasche samt Inhalt an sich genommen. Das Ersuchen des Beschwerdeführers, ihm sein Privateigentum auszufolgen, das er nach einer Wartezeit von etwa fünf Minuten gestellt habe, sei nicht beantwortet worden. Erst nach einer geraumen Weile, nachdem er weisungsgemäß seinen PKW zur Seite gefahren habe, sei der Zollbeamte mit einem Profilmeßgerät gekommen, habe Messungen an den Reifen seines PKWs durchgeführt und behauptet, daß diese den Vorschriften nicht entsprächen. In der Folge habe der Beamte seine Dokumententasche durchwühlt, wobei ihm sein Dienstausweis nicht entgehen habe können, der ihn als einen höheren Beamten der Tir. Landesregierung ausgewiesen habe. Einer möglichen Rechtfertigung der belangten Behörde, daß das Zollorgan Fahndungslisten überprüfen habe müssen, sei schon hiedurch jede Grundlage entzogen. Als der Beschwerdeführer etwa nach dreißig Minuten gefragt habe, warum er festgenommen sei, habe er die Antwort erhalten, das gehe ihn nichts an, er habe zu warten. Auch ein nochmaliges Ersuchen, ihm seine Tasche samt Dokumenten auszufolgen, sei erfolglos geblieben.

Etwa um 15.00 Uhr, also nach rund 1 1/4 Stunden, sei eine Gendarmeriepatrouille eingetroffen, die eine Überprüfung der Reifen seines PKWs vornahm, diese habe ergeben, daß die vorderen Reifen einwandfrei und die rückwärtigen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend gewesen seien. Nachdem ihn der Gen darmeriebeamte darauf aufmerksam gemacht habe, daß gegen ihn eine Anzeige erstattet werden müßte, weil es der Zollbeamte so wünsche, sei ihm die Dokumententasche, die vom Gendarmeriebeamten aus dem Zollbüro geholt habe werden müssen, weil dem Beschwerdeführer der Zutritt dorthin verwehrt worden sei, ausgefolgt worden und habe er die Fahrt fortsetzen können. Der Beschwerdeführer lastet der belangten Behörde an, ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Person und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu haben, und beantragt, der VfGH möge feststellen, daß er durch die Verhaftung und die Nichtausfolgung von Privaturkunden in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sei.

Als belangte Behörde bezeichnete der Beschwerdeführer das Zollamt Innsbruck.

2. a) In der Gegenschrift des Zollamtes Leutasch-Schanz wird vorerst eingewendet, daß als belangte Behörde nur die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in Betracht käme, da die Amtshandlung von dem Organ des Zollamtes Leutasch-Schanz in Ausübung der durch das Bundesgesetz vom 21. Juni 1967, BGBl. 220 idF BGBl. 527/1974 (künftig: Übertragungsgesetz), übertragenen Aufgaben der durch Sicherheitsorgane zu versehenden Grenzüberwachung und Grenzkontrolle vorgenommen worden sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck anerkannte in der von ihr erstatteten Gegenschrift, daß ihr als örtlich und sachlich zuständiger Grenzkontrollbehörde I. Instanz gemäß §8 Abs1 Grenzkontrollgesetz 1969, BGBl. 423 (künftig: Grenzkontrollgesetz), die in Beschwerde gezogenen Amtshandlungen zuzurechnen seien.

b) Zur Sache selbst wurde vorerst vom Zollamt Leutasch-Schanz und nachfolgend von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck übereinstimmend im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Als der Beschwerdeführer am 13. März 1977 zur Grenzabfertigung erschienen sei, habe vorerst das deutsche Grenzorgan die Paßkontrolle durchgeführt und habe erst anschließend das österreichische Grenzorgan den Beschwerdeführer um seine Ausweispapiere ersucht, worauf ihm dieser ein Dokumentenetui übergeben habe. Inzwischen habe das deutsche Grenzkontrollorgan einen schlechten Zustand der Bereifung des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers festgestellt und die Einreise des Beschwerdeführers davon abhängig gemacht, daß zumindest der linke Vorderreifen ausgewechselt werde. Hierauf habe auch das österreichische Grenzorgan die Bereifung angesehen und bereits bei visueller Betrachtung erkannt, daß die Profiltiefe der Reifen den österreichischen Bestimmungen nicht entsprechend sei. Nachdem der Beschwerdeführer sodann mit seinem Fahrzeug zur Seite gefahren sei, um die Ausreisespur frei zu machen, habe das deutsche Grenzorgan ein Profilmeßgerät gebracht, mittels welchem der österreichische Grenzbeamte die Profile von drei Reifen - zur Auswechslung des vierten Reifens habe sich der Beschwerdeführer auf Grund der Beanstandung des deutschen Grenzorgans bereit erklärt - vorgenommen habe. Im Anschluß daran habe ein Organ der deutschen Grenzpolizei am Fahrzeug des Beschwerdeführers eine weitere Kontrolle vorgenommen, wohingegen das österreichische Grenzkontrollorgan sich in das Dienstgebäude begeben habe, um eine Fahndungsanfrage im Hinblick auf die zahlreichen internationalen Mercedesdiebstähle einzuleiten. Dem unmittelbar vorangegangenen Ersuchen des Beschwerdeführers an den Grenzkontrollbeamten um Ausfolgung der ihm übergebenen Dokumente sei dieser vorläufig nicht nachgekommen, da die Amtshandlung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Während der Beschwerdeführer sodann das linke Vorderrad seines PKWs gegen das Reserverad austauschte, sei, noch ehe die eingeleitete KfZ-Fahndungsanfrage abgeschlossen gewesen sei, eine aus zwei Beamten bestehende Gendarmeriepatrouille erschienen, habe im Dienstgebäude des Zollamtes in die Dokumentenmappe des Beschwerdeführers Einsicht genommen, habe dabei seine Beamteneigenschaft festgestellt und sich anschließend zum Beschwerdeführer begeben. Als sich das österreichische Grenzkontrollorgan nach Einlangen der Funkantwort auf die Fahndungsanfrage wieder zum PKW des Beschwerdeführers begeben wollte, habe er festgestellt, daß der Gendarmeriebeamte diesem offensichtlich nach Rückstellung der Dokumente die Weiterfahrt freigegeben habe und der Beschwerdeführer bereits in die BRD ausgereist war. Der Gendarmeriebeamte habe erklärt, daß er gegen den Beschwerdeführer Anzeige erstatten werde.

In der Gegenschrift wird abschließend die Abweisung der Beschwerde begehrt, da der Beschwerdeführer weder verhaftet noch durch die Nichtausfolgung seiner Privaturkunden in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sei.

3. Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, wurde der Gendarmerieposten Seefeld i. T. vom Zollamt Leutasch-Schanz am 13. März 1977 gegen 14.30 Uhr telephonisch verständigt, daß ein Fahrzeug, bei dem die Reifen nicht in Ordnung seien, angehalten worden sei. Eine Gendarmeriepatrouille sei hierauf zum Zollamt gefahren, wo sie gegen 14.45 Uhr eingetroffen sei. Die von den Gendarmeriebeamten vorgenommene Kontrolle habe ergeben, daß der bereits im Kofferraum verwahrte, vom Beschwerdeführer ausgewechselte Reifen stellenweise überhaupt kein Profil aufgewiesen habe, alle vier anderen Reifen gerade noch den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hätten.

Aus den Verwaltungsakten geht weiters hervor, daß alle Grenzkontrollämter von der Finanzlandesdirektion für Tirol mit einem Rundschreiben vom 6. August 1976 darauf hingewiesen wurden, daß die kraftfahrrechtliche Grenzkontrolle von §2 Abs2 des Übertragungsgesetzes nicht erfaßt sei, sodaß zur Vollziehung dieses Gesetzesauftrages die Organe der Zollämter und der Zollwache nicht herangezogen werden könnten. Bis zu einer allfälligen Änderung der Gesetzeslage müßte daher die kraftfahrrechtliche Grenzkontrolle von den Organen der Sicherheitsexekutive wahrgenommen werden. Die Zollämter wurden hievon mit dem Bemerken in Kenntnis gesetzt, den Sicherheitsorganen die Möglichkeit zur Vornahme der kraftfahrrechtlichen Grenzkontrolle einzuräumen, mit dem Hinweis, daß bei augenscheinlichen Sicherheitsmängeln an Kraftfahrzeugen keinerlei Einwände gegen eine entsprechende Benachrichtigung der Sicherheitsdienststellen in der bisherigen Weise bestehe.

II. Auf Grund des Beschwerdevorbringens, der Ausführungen der Gegenschriften und der vorgelegten Verwaltungsakten wurde vom VfGH folgender, für die Beurteilung der Beschwerde wesentlicher Sachverhalt als festgestellt erachtet:

Am 13. März 1977 gegen 13.50 Uhr beabsichtigte der Beschwerdeführer mit seinem PKW Mercedes die Grenze zu passieren. Im Gemeinschaftszollamt wurden seine und seiner Gattin Personaldokumente vorerst vom deutschen Grenzbeamten kontrolliert. Nachdem er seine Personalausweise in einem Dokumentenetui, das auch Privaturkunden und andere Unterlagen enthielt, dem österreichischen Grenzkontrollbeamten zur Einsicht übergeben hatte, wurde der Zustand der Bereifung seines Fahrzeuges vom deutschen Grenzkontrollorgan beanstandet und die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland davon abhängig gemacht, daß er den linken Vorderreifen gegen das Reserverad austausche, wozu sich der Beschwerdeführer bereit fand. In der Folge wurde der Zustand auch der übrigen Bereifung des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers vom österreichischen Grenzkontrollorgan beanstandet. Einem Ersuchen des Beschwerdeführers, ihm die Dokumententasche wieder auszufolgen, kam das österreichische Grenzkontrollorgan nicht nach, da von diesem die Amtshandlung noch nicht als abgeschlossen betrachtet wurde. Der Beschwerdeführer, der über Aufforderung des österreichischen Grenzbeamten zur Seite gefahren war, tauschte in der Folge das linke Vorderrad gegen das Reserverad aus. Der österreichische Grenzbeamte begab sich inzwischen in das Dienstgebäude, verständigte von dort aus den Gendarmerieposten Seefeld i. T. telefonisch davon, daß bei der Ausreise ein Fahrzeug angehalten worden sei, bei dem die Profiltiefe der Reifen nicht mehr in Ordnung sei, und leitete, da es sich bei dem Fahrzeug des Beschwerdeführers um einen Mercedes handelte, im Hinblick auf häufige internationale Mercedesdiebstähle und eine bestehende Weisung, möglichst viele solcher Kraftfahrzeuge einer Fahndung zu unterziehen, eine Fahndungsanfrage per Funk an die Hauptfunkstelle der Finanzlandesdirektion für Tirol ein. Die erforderlichen Daten für das Kraftfahrzeug entnahm er den Kfz. Papieren des Beschwerdeführers.

Nach ca. 15 Minuten langte auf Grund des Anrufes eine Gendarmeriepatrouille im Grenzkontrollamt ein, stellte fest, daß der ausgewechselte und bereits im Kofferraum verwahrte Reifen stellenweise überhaupt kein Profil aufwies und daß die übrigen vier Reifen gerade noch den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen. Dem Beschwerdeführer wurde von den Gendarmeriebeamten, nachdem sie ihm eine Anzeige angekündigt hatten, die Dokumentenmappe rückgestellt und ihm die Ausreise gestattet.

III. Der VfGH hat sich vorerst mit der Frage befaßt, welcher Behörde im Verfahren die Stellung als belangte Behörde zukommt. Hiefür ist maßgeblich:

a) Das Zollamt Leutasch-Schanz ist ein iS des Abkommens über die Erleichterung der Grenzabfertigung, BGBl. 240/1957, mit Vereinbarung vom 30. Juni 1976, BGBl. 447/1976, auf österreichischem Hoheitsgebiet errichtetes Gemeinschaftszollamt.

b) Gemäß §8 des Grenzkontrollgesetzes ist die Grenzkontrolle von der sachlich zuständigen Behörde I. Instanz durchzuführen, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Grenzkontrollbereich liegt.

Gemäß §9 leg. cit. sind Grenzkontrollbeamte berechtigt, alle zur Prüfung der Zulässigkeit des Grenzübertrittes erforderlichen Nachweise, insbesondere die Aushändigung der nach den Rechtsvorschriften zum Grenzübertritt benötigten Dokumente, zu verlangen und diese für die Dauer der Amtshandlung in Verwahrung zu nehmen und die zur ordnungsgemäßen, zweckmäßigen und raschen Abwicklung der Grenzkontrolle erforderlichen Weisungen zu erteilen.

c) Gemäß §1 Abs1 des Übertragungsgesetzes haben Organe der Zollwache alle im Interesse der Strafrechtspflege notwendigen und keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Maßnahmen zur Verhinderung und Aufklärung gerichtlich strafbarer Handlungen und zur Ergreifung von Tätern zu treffen, soweit sich der Anlaß zum Einschreiten bei der Überwachung des mit der Bundesgrenze übereinstimmenden Teiles der Zollgrenze ergibt und wegen Gefahr im Verzuge das Einschreiten der zuständigen Sicherheitsorgane nicht abgewartet werden kann.

Die Organe der Zollwache haben von solchen Amtshandlungen die zuständige Sicherheitsbehörde ohne unnötigen Aufschub zu verständigen (§1 Abs2 leg. cit.).

Gemäß §2 Abs1 kann der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die Grenzkontrolle an Bedienstete der Zollämter und der Zollwache übertragen.

Zu den nach §2 Abs1 des Übertragungsgesetzes zu vollziehenden Amtshandlungen gehören gemäß Abs2 die Regelung und Überwachung des Ein- und Austrittes in das Bundesgebiet, das Paßwesen, die Fremdenpolizei und Verwaltungsübertretungen nach ArtVIII Abs1 lita, b und c EGVG idF vor dem Inkrafttreten des BGBl. 232/1977, soweit sich der Anlaß zum Einschreiten bei der Dienstverrichtung an Grenzübergängen ergibt; kraftfahrrechtliche Kontrollen sind unter den in §2 Abs2 Übertragungsgesetz aufgezählten Angelegenheiten nicht genannt, sind aber auch nicht in Beschwerde gezogen.

Eine Übertragung gemäß §2 Abs1 Übertragungsgesetz ist zuletzt mit Verordnung vom 7. Dezember 1976, BGBl. 646, vorgenommen worden.

d) Schreiten Zollgrenzorgane auf Grund des Übertragungsgesetzes zur Vollziehung übertragener Aufgaben ein, so handeln sie, wie sich aus §6 Abs1 Übertragungsgesetz ergibt, insofern als Hilfsorgane der zuständigen Sicherheitsbehörden. Bei den für die Beschwerde maßgeblichen Amtshandlungen handelt es sich um solche Maßnahmen; sie sind demnach der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als der sachlich und örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde zuzurechnen. Daraus folgt, daß hinsichtlich aller in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakte der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Stellung als belangte Behörde zukommt.

IV. Der VfGH hat erwogen:

1. Art8 StGG gewährt Schutz gegen gesetzwidrige Verhaftungen. Unter Verhaftung ist in diesem Zusammenhang die unmittelbare Herbeiführung einer Freiheitsbeschränkung durch eine Amtshandlung der staatlichen Vollzugsgewalt zu verstehen. Von einer Verhaftung kann aber nur dann die Rede sein, wenn der Wille der Behörde primär auf eine solche Freiheitsbeschränkung gerichtet ist, nicht auch dann, wenn eine andere Maßnahme den Betroffenen dazu nötigt, längere Zeit bei der Behorde zu verweilen und die Beschränkung der Freiheit die sekundäre Folge der Anwesenheitspflicht ist (VfSlg. 5280/1966, 5860/1968, 5963/1969, 6102/1969). Wie der VfGH des weiteren wiederholt ausgesagt hat, ist der Begriff der Verhaftung im materiellen Sinn aufzufassen, sodaß darunter jede Maßnahme zu verstehen ist, durch die in die persönliche Freiheit des Einzelnen mit physischen Mitteln eingegriffen wird (VfSlg. 3850/1960 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Aus dem festgestellten Geschehen ergibt sich, daß die Tatsache, daß der Beschwerdeführer durch etwas über eine Stunde im Grenzkontrollamt von der Weiterfahrt abgehalten war, ausschließlich auf die im Zusammenhang mit seiner Grenzabfertigung gesetzten Amtshandlungen zurückzuführen und deren sekundäre Folge ist. Soweit der Beschwerdeführer genötigt war, einen Reifenwechsel durchzuführen, weil ihm von den deutschen Grenzorganen nur unter dieser Bedingung die Einreise gestattet wurde, hat er sich die Verzögerung selbst zuzuschreiben. Daß die routinemäßige Fahndungsrückfrage anläßlich der Grenzabfertigung zu den Aufgaben zu zählen ist, die von Grenzorganen wahrzunehmen sind, kann nicht zweifelhaft sein. Der Beschwerdeführer, der im Beschwerdevorbringen den erforderlich gewesenen Reifenwechsel vollkommen verschwiegen hat, ist den Ausführungen der Behörde, daß Fahndungsrückfragen im Hinblick auf häufige Mercedes-Diebstähle angeordnet waren, auch gar nicht entgegengetreten. Fest steht, daß der Beschwerdeführer, nachdem die Rückäußerung auf die Fahndungsanfrage eingelangt war, an der Weiterfahrt nicht behindert worden ist, er hatte vielmehr in diesem Zeitpunkte mit Zustimmung der zwischenweilig eingeschrittenen Gendarmeriepatrouille, wenn auch ohne Genehmigung der Grenzkontrollorgane, die Weiterfahrt nach Deutschland bereits fortgesetzt. Aus dem Geschehen kann auch in seiner Gesamtheit nicht darauf geschlossen werden, daß der Wille der Grenzkontrollorgane darauf gerichtet gewesen sei, eine Freiheitsbeschränkung des Beschwerdeführers zu bewirken. Es bestand aber auch keine Grundlage für eine solche Annahme des Beschwerdeführers, da eine die üblicherweise mit einer Amtshandlung verbundene, durch das erforderliche Warten bedingte Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit überschreitende Freiheitsbehinderung gegen den Beschwerdeführer nicht gesetzt wurde. Dies wird von ihm auch gar nicht behauptet.

In der für den Beschwerdeführer bewirkten Notwendigkeit, bis zum Schluß der Amtshandlung zuzuwarten, liegt somit keine Verhaftung.

Das in Beschwerde gezogene Geschehen bildet dabei keinen tauglichen Gegenstand, der gesondert einer Anfechtung gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG unterliegen würde. Die Beschwerde war demnach, soweit sie die Feststellung einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit infolge einer Verhaftung des Beschwerdeführers begehrt, als unzulässig zurückzuweisen.

2. Was die in Beschwerde gezogene Nichtausfolgung von Privaturkunden des Beschwerdeführers betrifft, ist vorerst festzustellen, daß die Dokumentenmappe in Entsprechung des §9 Grenzkontrollgesetz in Verwahrung der Behörde gelangte und vorübergehend, trotz Rückforderung durch den Beschwerdeführer, auch behalten wurde, womit das Vorliegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu bejahen ist (VfSlg. 8131/1977). Die Beschwerde ist demnach wohl zulässig, jedoch nicht begründet. Wie nämlich der Beschwerdeführer selbst zugibt, war im Zeitpunkte seines Begehrens, ihm die Dokumentenmappe rückzustellen, die Amtshandlung noch anhängig. Gemäß §9 lita Grenzkontrollgesetz sind Grenzkontrollorgane berechtigt, alle zur Prüfung der Zulässigkeit des Grenzübertrittes erforderlichen Nachweise, insbesondere die hiezu benötigten Dokumente für die Dauer der Amtshandlung in Verwahrung zu behalten. Der Behörde kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß von ihr Privaturkunden des Beschwerdeführers zurückbehalten worden wären, die für die Amtshandlung nicht benötigt wurden, da der Beschwerdeführer selbst die in dem Etui befindlichen Papiere dem Beamten gemeinsam mit den für den Grenzübertritt erforderlichen Dokumenten übergeben hatte und damit schlüssig zum Ausdruck brachte, daß von ihm eine Rückstellung des gesamten Behältnisses nach der Kontrolle gewünscht werde. Es geht auch aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hervor, daß von ihm ein Begehren auf gesonderte Rückstellung der nicht für die Grenzkontrolle benötigten Dokumente gestellt worden wäre (die Beschwerde spricht immer nur von der "Dokumententasche samt Inhalt"). Ein Eingriff in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte liegt somit auf Grund dieser Umstände nicht vor.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angeführten gesetzlichen Bestimmungen - Bedenken wurden weder vom Beschwerdeführer geltend gemacht noch sind solche im Zuge des Verfahrens entstanden - ist der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher, soweit sie die Feststellung begehrt, daß der Beschwerdeführer durch die Nichtausfolgung von Privaturkunden in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre, als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Grenzkontrolle, Festnehmung, Beschlagnahme, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B150.1977

Dokumentnummer

JFT_10198997_77B00150_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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