TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/3 B40/79

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Veröffentlicht am 03.10.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
MRK Art3

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; kein Verstoß gegen Art3 MRK

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird vorgebracht:

Am 17. Dezember 1978 habe der Beschwerdeführer in den Abendstunden seinen Nachbarn F.B. besucht und während der Unterhaltung zwei Achtel Wein getrunken. B. habe noch einen geschäftlichen Besuch vornehmen müssen und den Beschwerdeführer eingeladen, ihn zu begleiten. Bei der Rückfahrt seien sie am neu eröffneten ÖGB-Zentrum vorbeigekommen, welches beleuchtet gewesen sei, was B. veranlaßt habe, ihm den Vorschlag zu machen, nachzuschauen, was hier los sei. Nachdem sie das ÖGB-Zentrum betreten hätten, ohne daß sie jemand kontrolliert oder einen Eintrittspreis verlangt hätte, habe sich der Beschwerdeführer etwa 15 m vom Eingang entfernt aufgehalten während B. die Toilette aufgesucht habe. Der Beschwerdeführer habe bis zur Rückkehr B. lediglich die zahlreich anwesenden Personen betrachtet. Als B. wenige Minuten später in Begleitung eines Dritten, mit dem er ein erregtes Gespräch geführt habe, zurückgekommen sei, habe er der Diskussion die Aufforderung entnommen, daß er und B. sich entfernen sollten, da es sich um eine geschlossene Veranstaltung handle und andernfalls die Polizei gerufen würde. Nachdem der Beschwerdeführer erklärt habe, daß dies nicht so einfach sei, sei wenige Minuten später der Unbekannte mit zwei Sicherheitswachebeamten zurückgekommen, von denen einer erklärt habe, daß sie hier nichts verloren hätten und das Haus sofort verlassen sollten. Als der Beschwerdeführer sich darauf berufen habe, 10 Jahre Mitglied der Gewerkschaft zu sein, daß er nicht verstehen könne, warum er nicht bleiben dürfe, und gefragt habe, um welche Veranstaltung es sich überhaupt handle, zu der er keinen Zutritt hätte, habe ihn der ältere Sicherheitswachebeamte mit den Händen an beiden Mantelaufschlägen erfaßt, ihn so durch den gesamten Vorraum gezogen und als Abschluß dieser Gewaltanwendung durch die offene Glastüre auf die außerhalb befindliche Terrasse gestoßen, wodurch er in eine Drehbewegung geraten sei und seine Brille verloren habe. Nachher habe ihm B. erklärt, genau gesehen zu haben, daß ihm der eine Sicherheitswachebeamte namens Bezirksinspektor F. einen Schlag gegen den Kopf versetzt hätte, den er selbst im Zuge des Taumelns gar nicht wahrgenommen habe, der aber die mögliche Ursache für das Herunterfallen der Brille gewesen sei.

Die hiedurch in zwei Teile zerbrochene Brille sei vorerst liegen geblieben, weil unmittelbar danach der zweite, jüngere Sicherheitswachebeamte namens H. ihn unter Gewaltanwendung zur Gröhrmühlgasse befördert habe, während ähnliches durch Bezirksinspektor F. mit B. geschehen sei.

Erst anschließend habe er die Möglichkeit gehabt, zurückzugehen, um seine beschädigte Brille zu holen. Als von ihm sodann die Dienstnummern der Beamten verlangt worden seien, habe ihn Bezirksinspektor F. angesprungen, mit dem linken angewinkelten Unterarm nach oben geschlagen, ihn offenbar absichtlich an der Unterseite des Kinns getroffen und anschließend mit Bauchstößen bis zur Fahrbahnmitte vor sich her getrieben. Dort habe F. dann einen Ausweis verlangt und aus dem Führerschein des Beschwerdeführers dessen Personaldaten festgehalten.

Der Beschwerdeführer habe in der Folge das Wachzimmer der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt aufgesucht, um sich über dieses Vorgehen zu beschweren und Anzeige zu erstatten. Als er im Wachzimmer, in dem sechs bis sieben Beamte anwesend gewesen seien, vorgebracht habe, daß er Anzeige wegen Sachbeschädigung (seiner Brille) erstatten wolle, sei aus dem Nebenraum Bezirksinspektor F. erschienen, habe die auf den Gang führende Türe geöffnet, ihn neuerlich an beiden Mantelaufschlägen gepackt und vor die Tür geschoben, wobei er durch einen abschließenden Stoß über die zum Wachzimmer führenden neun Stufen der Treppe hinuntergestolpert sei. Er habe den vollen Sturz nur dadurch vermeiden können, daß er sich mit der linken Hand aufgestützt habe, sei aber schließlich doch am unteren Treppenabsatz zu sitzen gekommen.

Obwohl Bezirksinspektor F. ihm nachgerufen habe, ja nicht wieder herauf zu kommen, sei er neuerlich zur Türe des Wachzimmers gegangen, ohne dieses jedoch zu betreten, und habe auf dem Gang stehend aus Angst lediglich angeklopft. Der die Türe öffnende Beamte, den er nach der Dienstnummer des für das Wachzimmer kompetenten Beamten gefragt habe, habe ihm jedoch die Auskunft verweigert.

Der Beschwerdeführer habe sich sodann an den Journalrichter des Kreisgerichtes Wr. Neustadt gewandt, der ihn jedoch wegen Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft verwiesen habe.

Bezirksinspektor F. habe am 19. Dezember 1978 gegen ihn wegen Verletzung des öffentlichen Anstandes und Ordnungsstörung sodann Anzeige erstattet, weil Teilnehmer der Veranstaltung ihn und Baumgartner beschuldigt hätten, sie mit den Worten "geschissene Rettung" beschimpft zu haben. Da diese Beschuldigung völlig aus der Luft gegriffen gewesen sei, hätten er und B. gegen die in der Folge erlassenen Strafverfügungen Einsprüche erhoben.

Der Beschwerdeführer begehrt festzustellen, daß er dadurch, daß er von Beamten der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt unter Anwendung von Körperkraft

a) aus dem ÖGB-Zentrum entfernt und in die Gröhrmühlgasse gebracht und

b) aus dem Wachzimmer im Gebäude der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt entfernt wurde,

in dem durch Art3 MRK verfassungsgesetzlich geschützten Recht verletzt worden sei.

2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt, da die gegen den Beschwerdeführer gesetzte Gewaltanwendung schon mit Rücksicht auf das vom Beschwerdeführer selbst an den Tag gelegte Verhalten nicht als erniedrigende und unmenschliche Behandlung qualifiziert werden könne. Es fehle dem Vorgehen der Sicherheitswachebeamten darüber hinaus die für die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erforderliche normative Wirkung, da die Beamten bei Entfernung des Beschwerdeführers aus dem Wachzimmer in Ausübung von Befugnissen, die sich aus dem Privatrecht ergeben, gehandelt hätten; dies treffe auch hinsichtlich des Vorfalles im ÖGB-Zentrum zu.

II. Der VfGH hat die Zeugen F.Sch., Direktor F.K., J.St., E.G., Inspektor P.B., J.G., Abteilungsinspektor J.M., Bezirksinspektor H.S., F.B., Bezirksinspektor A.F. und Inspektor R.H. sowie den Beschwerdeführer als Partei im Rechtshilfeweg vernehmen lassen und die Akten der belangten Behörde und der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt eingesehen. Auf Grund der durchgeführten Beweise hat der VfGH, soweit dies für die Beurteilung der Beschwerdebehauptungen wesentlich ist, folgendes festgestellt:

1. a) Am 17. Dezember 1978 fand im ÖGB-Zentrum in Wr. Neustadt eine Weihnachtsfeier der Angestellten und freiwilligen Mitarbeiter des Roten Kreuzes der Bezirksstelle Wr. Neustadt statt. Nach 21.00 Uhr betraten der Beschwerdeführer und in seiner Begleitung F.B. das ÖGB-Zentrum, wo sie sich zur Theke einer im Vorraum eingerichteten Bar begaben. Unter Berufung darauf, daß sie Gewerkschaftsmitglieder seien, verlangten sie Getränke, was von J.St., der damals als Gastwirt fungierte, abgelehnt wurde, wobei der Beschwerdeführer und

B. darauf verwiesen wurden, daß es sich um eine geschlossene Veranstaltung des Roten Kreuzes handle, was jedoch nur dazu führte, daß die Teilnehmer der Weihnachtsfeier vom Beschwerdeführer mit Ausdrücken wie "Scheiß Rettung" beschimpft wurden.

Kurze Zeit darauf erschienen zwei Sicherheitswachebeamte, nämlich Bezirksinspektor A.F. und Inspektor R.H., welche als Besatzung einer Funkstreife von der Funkleitstelle auf Grund eines inzwischen stattgefundenen telefonischen Notrufes in das ÖGB-Zentrum entsandt worden waren. Die Beamten der Funkstreife forderten sodann den Beschwerdeführer und B. in höflichem Ton auf, das Lokal zu verlassen, worauf der Beschwerdeführer einige Zeit mit den Beamten debattierte, warum er als Gewerkschaftsmitglied das ÖGB-Haus verlassen müsse. Die Sicherheitswachebeamten führten schließlich - ohne vorerst Gewalt anwenden zu müssen - den Beschwerdeführer und B. in Richtung zum Ausgang. Noch im Gewerkschaftsgebäude, jedoch bereits außerhalb der Veranstaltungsräumlichkeiten, versuchte der Beschwerdeführer jedoch zu der Veranstaltung wieder zurückzukehren. Daraufhin wurden er und B. von den Sicherheitswacheorganen unter Anwendung physischer Gewalt aus dem ÖGB-Zentrum entfernt. Wie der Zeuge G. erkennen konnte, stolperte hiebei einer der Sicherheitswachebeamten, was einen Zusammenstoß mit dem Beschwerdeführer bewirkte, wobei diesem seine Brille zu Boden fiel. Der Beschwerdeführer und B. wurden noch bis zum Gehsteig der Gröhrmühlgasse unter Einsatz von Körperkraft abgedrängt, wo von ihnen die Ausweise verlangt und ihre Personaldaten notiert wurden. Dem Beschwerdeführer und B. wurde sodann mitgeteilt, daß gegen sie Anzeige erstattet werde.

b) Nachdem die Amtshandlung vor dem ÖGB-Zentrum beendet worden war, ging der Beschwerdeführer zum Wachzimmer in der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt, wo er ca. 15 Minuten später eintraf. Im Wachzimmer, in dem sich mehrere Beamte befanden, wies der Beschwerdeführer seine zerbrochene Brille mit dem Begehren vor, daß er den Schaden an seiner Brille ersetzt haben wolle, und führte Beschwerde über das Verhalten der Besatzung der Funkstreife bei der vorausgegangenen Amtshandlung. Abteilungsinspektor M., der den Beschwerdeführer angehört hatte, vertrat jedoch die Ansicht, daß dies ein Zivilrechtsfall sei, für den er unzuständig wäre, worüber eine erregte Debatte entstand, zumal der Beschwerdeführer in Folge seiner Alkoholisierung unzusammenhängend redete und sich hiebei versprach, sodaß es zu wirren Sätzen kam. Inzwischen betraten auch Bezirksinspektor F. und Inspektor H., die vom Einsatz bereits zurückgekommen waren, das Wachzimmer. Abteilungsinspektor M. stellte sodann abschließend fest, daß er das Anliegen des Beschwerdeführers gehört habe und damit die Amtshandlung beendet sei. Da der Beschwerdeführer seiner Aufforderung, das Wachzimmer nun zu verlassen, jedoch nicht entsprach, erklärte Abteilungsinspektor M. zu Bezirksinspektor F., daß dieser die Türe aufmachen solle, da der Beschwerdeführer gehen wolle. Dieser Aufforderung kam Bezirksinspektor F. nach. Als der Beschwerdeführer sich dennoch nicht entfernte, sondern sitzen blieb, erfaßte ihn F. an den Unterarmen, stellte ihn mit dem Gesicht zur Türe und drängte ihn aus dem Wachzimmer heraus, ohne dieses selbst zu verlassen. Der Treppenabsatz, auf den der Beschwerdeführer auf diese Weise befördert worden war, bildet ein Geviert von 2 x 2,60 m, wobei die Eingangstüre in das Wachzimmer vom Stufenbereich aus gesehen nicht gegenüber, sondern linksseitig liegt, und die Türe in das Wachzimmer vom Treppenabsatz aus gesehen linksseitig angeschlagen ist. Obwohl der Treppenabsatz vor dem Wachzimmer somit eine für die übliche Benützung völlig ausreichende Breite besitzt, verlor der Beschwerdeführer dort infolge seines durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes den festen Stand und stolperte die Stufen der zum Wachzimmer führenden Stiege dermaßen hinunter, daß er am Ende der Treppe zu sitzen kam.

2. a) Hinsichtlich der Vorgänge beim ÖGB-Zentrum wird übereinstimmend vom Beschwerdeführer und den einschreitenden Sicherheitswachebeamten angegeben, daß physische Gewalt angewendet wurde. Während der Beschwerdeführer behauptet, daß er hiebei von den Sicherheitswachebeamten mißhandelt worden sei, wird ein solches Verhalten von den Sicherheitswachebeamten entschieden bestritten und behauptet, daß Körperkraft nur soweit eingesetzt wurde, als nach den Umständen unumgänglich nötig war. Von den vernommenen Zeugen, die an den Vorgängen unbeteiligt waren, konnte zu dieser Frage nichts Entscheidendes ausgesagt werden. Der Beschwerdeführer und der an den Vorfällen beteiligte Zeuge B. geben in mehrfacher Richtung widersprechende Darstellungen.

So wird in der Beschwerde die Behauptung aufgestellt, der Beschwerdeführer habe seine Brille durch einen Faustschlag des Bezirksinspektors F. verloren, den er wohl selbst nicht bemerkt habe, auf den er jedoch durch B. hingewiesen worden sei. Als Zeuge vernommen, vermochte B. die Beschwerdebehauptungen jedoch nicht zu bestätigen. Er erklärte vielmehr ausdrücklich, nicht gesehen zu haben, wann dem Beschwerdeführer die Brille heruntergefallen, bzw. ob sie ihm heruntergeschlagen worden sei. Unglaubwürdig ist schließlich auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe erst am Tage nach diesem Vorfall in Erfahrung gebracht, daß es sich am 17. Dezember 1978 um eine Feier der Rettung gehandelt habe, zumal mehrere unbeteiligte Zeugen bestätigten, daß der Beschwerdeführer schon im ÖGB-Zentrum die Teilnehmer der Weihnachtsveranstaltung mit "Scheiß Rettung" beschimpft habe.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Mißhandlung konnte daher vom VfGH nicht als erwiesen angenommen werden.

b) Was die Vorgänge im Wachzimmer betrifft, ist für die Würdigung der Darstellung des Beschwerdeführers von den örtlichen Gegebenheiten auszugehen. Da nämlich der Treppenabsatz vor dem Eingang zum Wachzimmer ein Geviert von 2 x 2,60 m bildet und die Eingangstüre in das Wachzimmer vom Stufenbereich aus gesehen nicht gegenüber, sondern linksseitig liegt, kann eine Person von jemandem, der wie Bezirksinspektor F. innerhalb des Wachzimmers bleibt, nicht unmittelbar die Treppe hinuntergestoßen werden, zumal die Türe vom Treppenabsatz aus gesehen linksseitig angeschlagen ist. Auf Grund dieser räumlichen Situation schließt der VfGH vielmehr darauf, daß die Tatsache, daß der Beschwerdeführer nach dem Hinausbefördern aus dem Wachzimmer die Treppe hinunterstolperte, darauf zurückzuführen ist, daß er sich infolge der durch Alkoholeinwirkung geminderten Standfestigkeit ungeschickt verhielt. Auf Grund dieser Umstände vermochte der VfGH jedenfalls auch die Darstellung des Beschwerdeführers, er sei die Treppe hinuntergestoßen worden, nicht als erwiesen anzunehmen.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Die belangte Behörde bestreitet, daß im Beschwerdefall unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt wurde, und vermeint, daß die einschreitenden Sicherheitswachebeamten bei der Entfernung des Beschwerdeführers aus dem ÖGB-Zentrum und aus dem Wachzimmer nicht in hoheitlicher Eigenschaft, sondern in Ausübung von Befugnissen gehandelt hätten, die sich aus dem Privatrecht ergeben. Die belangte Behörde beantragt daher die Zurückweisung der Beschwerde.

Der VfGH vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen.

Was das Vorgehen der Sicherheitswachebeamten im ÖGB-Zentrum betrifft, kann es überhaupt nicht zweifelhaft sein, daß von ihnen ein Handeln in hoheitlicher Eigenschaft gesetzt wurde. Die Beamten der Funkstreife wurden auf Grund eines Notrufes von der Funkleitstelle zum ÖGB-Zentrum entsandt. Die von diesen Beamten im ÖGB-Zentrum an den Beschwerdeführer und B. gerichtete Aufforderung, das Gebäude zu verlassen, und deren nachfolgende Entfernung aus dem ÖGB-Zentrum können im gegebenen Zusammenhang nur dahin verstanden werden, daß die Sicherheitswachebeamten in behördlicher Eigenschaft eingeschritten sind.

Auch die Entfernung des Beschwerdeführers aus dem Wachzimmer muß in gleicher Weise beurteilt werden.

Wie vom VfGH festgestellt, suchte der Beschwerdeführer das Wachzimmer auf, um eine Beschwerde zu erstatten. Abteilungsinspektor M. hörte auch die Beschwerde des im Amtszimmer sitzenden Beschwerdeführers an, erachtete das Vorbringen für eine Anzeigeerstattung jedoch als ungeeignet, weil es sich nach seiner Ansicht um ein zivilrechtliches Vorbringen handelte, äußerte dies auch gegen den Beschwerdeführer, erklärte, daß die Amtshandlung beendet sei und richtete an den Beschwerdeführer die Aufforderung, das Wachzimmer zu verlassen. Der Umstand, daß dieser der Aufforderung nicht nachkam, zog nach sich, daß er unter Anwendung physischer Gewalt aus dem Wachzimmer entfernt wurde. Auch hiebei ist es offensichtlich, daß die Sicherheitswacheorgane in hoheitlicher Eigenschaft handelten. Die Entfernung des Beschwerdeführers steht nämlich inhaltlich und zeitmäßig mit dem vorausgehenden Handeln in behördlicher Eigenschaft in so enger Beziehung, daß sich die Annahme, die Entfernung des Beschwerdeführers sei in Ausübung privater Rechte, nämlich des Hausrechtes, erfolgt, geradezu verbietet. Wenn die Ausübung von Zwangsgewalt gegen eine individuell bestimmte Person in unmittelbarem Zusammenhang mit einem hoheitlichen Handeln gesetzt wird, liegt schon aus diesem Grunde eine beim VfGH nach Art144 B-VG bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor.

Die Beschwerdeführung ist daher sowohl, was die Entfernung des Beschwerdeführers aus dem ÖGB-Zentrum, als auch dessen Entfernung aus dem Wachzimmer betrifft, zulässig.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Vom Beschwerdeführer wird ausschließlich eine Verletzung des durch Art3 MRK verbürgten Rechtes geltend gemacht. Nach den Feststellungen des VfGH sind der Gewaltanwendung gegen den Beschwerdeführer sowohl im ÖGB-Zentrum als auch im Wachzimmer an ihn gerichtete Aufforderung, sich zu entfernen, vorausgegangen. Der Beschwerdeführer hat nicht nur diesen Aufforderungen keine Folge geleistet, sondern auch dem nachfolgenden Einschreiten - wenn auch nicht vehement - Widerstand entgegengesetzt. So versuchte er, als er bereits zum Ausgang des ÖGB-Zentrums gebracht worden war, wieder in dasselbe zurückzukehren, im Wachzimmer blieb der Beschwerdeführer, als an ihn mit der Erklärung, die Amtshandlung sei beendet, die Aufforderung gerichtet wurde, den Raum zu verlassen, einfach sitzen. Ob die festgestellte Gewaltanwendung das zur Überwindung des Widerstandes des Beschwerdeführers notwendige Ausmaß nachfolgend überschritten hat, kann dahingestellt bleiben. Wie der VfGH wiederholt ausgesprochen hat, würde dieser Umstand allein keine Verletzung des durch Art3 MRK verbürgten Rechtes bedeuten. Gegen das Verbot erniedrigender Behandlung verstoßen physische Zwangsakte vielmehr nur dann, wenn ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist (VfSlg. 8145 und 8146/1977, 8296/1978). Die nach den vergeblichen Aufforderungen gegen den Beschwerdeführer entfalteten Zwangsakte, soweit sie vom VfGH als festgestellt erachtet werden konnten, bedeuten jedenfalls noch keine nach Art3 MRK verpönte Vorgangsweise.

Ob das Vorgehen der Sicherheitswachebeamten gegen den Beschwerdeführer rechtmäßig war, hatte der VfGH nicht zu beurteilen.

3. Die behaupteten Verletzungen der nach Art3 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte haben durch die Art und Weise der gegen den Beschwerdeführer gesetzten Zwangsakte somit nicht stattgefunden. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wurde nicht behauptet, solche sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Verfahren hat auch keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B40.1979

Dokumentnummer

JFT_10198997_79B00040_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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