TE Vfgh Beschluss 1980/10/4 B625/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.1980
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
VfGG §86

Leitsatz

VerfGG 1953 §86, Wegfall des Beschwerdegegenstandes mit Erlassung des die angefochtene, in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vorgenommene Beschlagnahme bestätigenden Bescheides

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

Begründung:

I.1. Am 27. November 1978 wurde von Beamten des Gendarmeriepostens Kufstein ein an der Windschutzscheibe des Kraftfahrzeuges T ..., dessen Zulassungsbesitzer der Beschwerdeführer ist, angebrachtes Radarwarngerät vorläufig beschlagnahmt. Über diesen Vorgang wurde dem Beschwerdeführer eine "Bestätigung" ausgestellt, derzufolge die vorläufige Beschlagnahme "wegen §26 Fernmeldegesetz aus eigener Macht (nach §39 VStG)" vorgenommen worden sei und zwar "bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde".

Gegen diese Beschlagnahme des Radarwarngerätes durch einen Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Kufstein am 27. November 1978 hat der Beschwerdeführer gestützt auf Art144 B-VG beim VfGH (am 1. Dezember 1978) Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer bezeichnet als belangte Behörde die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. als Fernmeldebehörde I. Instanz, überläßt jedoch ausdrücklich die Beurteilung, welche Behörde zu belangen ist, dem Gerichtshof.

2. Mit Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. in Innsbruck als Fernmeldebehörde 1. Instanz vom 16. Jänner 1979, Z 49.122/3-1978, (zugestellt am 17. Jänner 1979) wurde zur Sicherung des Verfalles die vorläufige Beschlagnahme der vorgefundenen Radarwarnanlage bestätigt und die Beschlagnahme angeordnet. Als gesetzliche Grundlage für die Erlassung des Bescheides führte die Behörde die §§26 Abs1 Z1, §28 Abs2 des Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949, idF BGBl. 263/1949, 283/1969, 170/1970, 49/1972, 267/1972, 477/1974 und die §§39 Abs1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. 172/1950, an. Der Bescheid enthält in der Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, daß eine Berufung gemäß §39 Abs6 VStG keine aufschiebende Wirkung hat.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde Berufung erhoben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Gerichtshof hat es in seiner Rechtsprechung zu Art144 B-VG (idF vor Inkrafttreten des BVG BGBl. 302/1975 mit 1. Juli 1976) für zulässig erachtet, daß sogenannte faktische Amtshandlungen dann mit Beschwerde unmittelbar beim VfGH angefochten werden können, wenn ein Bescheid, der die Amtshandlung anordnet, weder vorher noch nachher erlassen worden ist (vgl. VfSlg. 2450/1952, 3848/1960, 5720/1968, 6754/1972). In dem angeführten Beschluß VfSlg. 5720/1968 hat der VfGH zu dem Fall, daß der in einer solchen Amtshandlung liegende individuelle behördliche Zwang durch einen förmlichen Bescheid bestätigt worden ist, ausgeführt, die der faktischen Amtshandlung wesentliche individuelle Norm sei Bestandteil des sie bestätigenden Bescheides geworden, sie sei also nicht mehr selbständig existent und könne auch nicht mehr unmittelbar Objekt einer Beschwerde beim VfGH sein. Bei diesen Ausführungen war auch darauf Bedacht genommen, daß nach der Rechtsprechung (VfSlg. 1524/1946, 1542/1946) die Anrufung des VfGH der Bevölkerung als das letzte Mittel, ihre verfassungsmäßigen Rechte geltend zu machen, gewahrt sein muß.

Diese Überlegungen gelten grundsätzlich auch bei der Rechtslage, wie sie nunmehr nach der Neufassung des Art144 B-VG durch das BVG BGBl. 302/1975 gegeben ist.

Ein Fall, wie er dem Erk. VfSlg. 8466/1978 zugrunde lag, (im damaligen Fall war nach den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 die selbständige Anfechtung einer vorläufigen Beschlagnahme nicht aus dem Grunde der nachfolgenden Erlassung gerichtlicher Beschlagnahmebeschlüsse ausgeschlossen) liegt hier nicht vor. Hier ist nämlich die angefochtene vorläufige Beschlagnahme durch den Bescheid vom 16. Jänner 1979 ausdrücklich nachträglich bestätigt worden, wobei einer Berufung gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zugekommen ist. Dieser Bescheid - dessen Rechtmäßigkeit hier nicht zu beurteilen ist - ist jedoch erst nach Erhebung der Beschwerde gegen die in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vorgenommene Beschlagnahme erlassen worden.

2. Die Beschwerde gegen die angefochtene Beschlagnahme war im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig. Mit der Erlassung des sie bestätigenden Bescheides konnte sie nicht mehr unmittelbar Objekt eines Beschwerdeverfahrens beim VfGH sein. Es ist somit der Beschwerdegegenstand mit der Erlassung dieses Bescheides weggefallen, weshalb das Verfahren - analog zu §86 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 - einzustellen war.

Schlagworte

Beschlagnahme, VfGH / Gegenstandslosigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B625.1978

Dokumentnummer

JFT_10198996_78B00625_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten