TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/4 B114/78

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Veröffentlicht am 04.10.1980
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
StGG Art5
Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Waldegg vom 25.11.76
Nö BauO §98 Abs2
Nö ROG 1974 §12
Nö ROG 1976

Leitsatz

Nö. Bauordnung 1976, keine Bedenken gegen §98 Abs2; keine denkunmögliche Anwendung; Flächenwidmungsplan Waldegg, keine Bedenken gegen die Widmung der gegenständlichen Grundstücke als Grünland

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Waldegg vom 25. Jänner 1977 wurde ein Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Werkshalle auf den Grundstücken Nr. 334/1, 334/2, 334/3, 338/1, 338/2 und 339/1, alle KG P. (im folgenden als Grundstücke bezeichnet), gemäß §98 Abs2 der Nö. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0, (im folgenden BO), wegen Widerspruchs des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Waldegg vom 8. Juni 1977 keine Folge gegeben.

b) Die Nö. Landesregierung hat mit dem Bescheid vom 10. November 1977, Z II/2-771-1977, die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung gemäß §61 Abs3 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Vorstellungsbescheid der Nö. Landesregierung richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Die Verletzung dieser Rechte wird mit der Behauptung begründet, daß der am 1. März 1977 in Kraft getretene Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Waldegg, in dem für die Grundstücke die für die Beurteilung eines Baubewilligungsansuchens maßgebende Widmung "Grünland" festgelegt ist, gesetzwidrig sei. Es wird auf die Bestimmungen der §§12, 13 und 14 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1968, LGBl. 275/1968 (richtig wohl §§12, 13 und 14 Nö. Raumordnungsgesetz 1974 - ROG 1974 -; LGBl. 8000-0) verwiesen und ausgeführt, daß die Grundstücke bei Beachtung dieser Bestimmungen und im Hinblick auf den Umstand, daß sie Bestandteil eines schon seit Jahrzehnten bestehenden, von der Beschwerdeführerin erworbenen Fabriksareals seien, im Flächenwidmungsplan als Bauland auszuweisen gewesen wären. Sie seien auch regelmäßig und in vollem Umfang für industrielle Zwecke, und zwar als Holzplatz, Schlackenhalde etc. genutzt worden; auf den Grundstücken befänden sich auch Fabriksgebäude (im angefochtenen Bescheid seien diese als barackenähnliche Gebäude bezeichnet).

Als bekannt geworden sei, daß die Grundstücke im Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesen werden sollten, habe die Beschwerdeführerin bei der Gemeinde Waldegg als Planungsbehörde "Erinnerungen eingebracht", auf die jedoch bei der Beschlußfassung über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes nicht Bedacht genommen worden sei. Mit der Anregung, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes einzuleiten, wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben. Für den Fall der Abweisung wird die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Die Grundstücke, auf denen die Beschwerdeführerin die Errichtung einer Werkshalle beabsichtigt, waren in dem bis zum Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Waldegg geltenden vereinfachten Flächenwidmungsplan (§24 ROG 1974) als Grünland ausgewiesen.

b) Auch in dem vom 10. Mai 1976 bis 5. Juli 1976 zur allgemeinen Einsicht aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes war für die Grundstücke die Widmung "Grünland" vorgesehen. In den gegen den Entwurf von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen wurde vorgebracht, daß es sich bei diesen Grundstücken "seit Jahrzehnten um Betriebsgebiet" handle, auf dem sich Werkstätten, die Tischlerei und ein Lagerplatz befänden. Im besonderen sei es "unzutreffend, daß das Gebiet 334/3 Schlackenhalde überflutungsgefährdet" sei. Diesbezüglich ist die Vermessung der Grundstücke von Amts wegen, im übrigen die Ausweisung als "Betriebsgebiet" beantragt worden.

c) Mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin hat sich der Gemeinderat der Marktgemeinde Waldegg in der Sitzung vom 25. November 1976 auseinandergesetzt, worüber in der "Verhandlungsschrift" nach Anführung der Grundstücksnummern folgendes festgehalten ist:

"Diese Parzellen waren bisher als Grünland gewidmet und stünden für eine Bauland-Betriebsgebiet-Widmung erst bei Vorliegen eines echten Bedarfes zur Diskussion. Darüber hinaus liegt ein Teil im Überschwemmungsgebiet, ein anderer Teil wird durch das Projekt der geplanten Umfahrungsstraße beeinträchtigt, sie bleiben daher Grünland."

d) Der Beschluß des Gemeinderates vom 25. November 1976 über die Erlassung einer Verordnung, mit der gemäß den §§10 bis 17 des ROG 1974 das örtliche Raumordnungsprogramm für das gesamte Gemeindegebiet der Marktgemeinde Waldegg erlassen wird, wurde mit dem Bescheid der Nö. Landesregierung vom 26. Jänner 1977, GZ II/2-K-503/1-1976, gemäß §17 Abs4 ROG 1974 genehmigt. Die Verordnung ist am 1. März 1977 in Kraft getreten.

2. a) Am 1. März 1977 ist bereits das am 18. Feber 1977 kundgemachte und rückwirkend mit 1. Jänner 1977 in Kraft getretene Nö. Raumordnungsgesetz 1976 (ROG 1976, LGBl. 8000-0), in Geltung gestanden. Es hat für die Erlassung des angefochtenen Bescheides (10. November 1977) die Rechtsgrundlage gebildet. Maßstab für die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes ist jedoch, wie der VfGH schon in seinem hinsichtlich des Zeitpunktes der Kundmachung gleichgelagerten Erkenntnis VfSlg. 8463/1978 ausgeführt hat, das ROG 1974.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes sind beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles Bedenken nicht entstanden.

b) Bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit der im Flächenwidmungsplan vorgenommenen Widmung der Grundstücke als Grünland ist davon auszugehen, daß diese in dem vereinfachten Flächenwidmungsplan als Grünland gewidmet waren und daß eine Änderung dieser Widmung nur nach Maßgabe der Bestimmungen des §24 Abs5 iVm §18 ROG 1974 zulässig gewesen wäre, wobei nur eine Änderung nach §18 Abs1 Z2 wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen in Betracht gekommen wäre. Daß auch nach §18 Abs1 Z1 (wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen), Z3 (zur Abwehr schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft) oder Z4 (wegen Löschung des Vorbehaltes) eine Änderung erforderlich gewesen wäre, ist weder von der Beschwerdeführerin behauptet worden noch im Verfahren vor dem VfGH hervorgekommen.

Wenn der Gemeinderat aus den im Protokoll über die Sitzung vom 25. November 1976 angeführten Gründen (1.c) zur Auffassung gelangt ist, daß eine Änderung der Grundlagen nicht eingetreten ist und daß dementsprechend die Grundstücke als Grünland ausgewiesen bleiben, so kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, diese Widmung nicht im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt zu haben.

Aus dem Eigentum und aus dem daraus abgeleiteten Recht zur Bebauung eines Grundstückes kann ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Widmung eines Grundstückes nicht abgeleitet werden. Hiefür sind ausschließlich die objektiven Kriterien maßgeblich, die in verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht für das Zustandekommen der durch Verordnung, somit durch einen generellen Verwaltungsakt vorzunehmenden Festlegung der Widmung eines Grundstückes zu beachten sind. Mit dem auf den Bedarf zur Bebauung der Grundstücke gestützten subjektiven Begehren nach einer Umwidmung vermag die Beschwerdeführerin nicht zu begründen, daß die Beibehaltung der Widmung "Grünland" für die Grundstücke unsachlich gewesen wäre und aus diesem Grunde mit dem Gesetz in Widerspruch stünde.

Gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Waldegg bestehen, soweit er sich auf die Widmung der Grundstücke als Grünland bezieht, keine Bedenken.

3. Die Abweisung der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates ist im angefochtenen Bescheid mit dem Hinweis auf die Bestimmung des §98 Abs2 BO begründet worden. Nach dieser Bestimmung ist das Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen, wenn sich aus dem Ansuchen und den angeschlossenen Unterlagen ergibt, daß das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind Bedenken weder vorgebracht worden noch beim VfGH entstanden.

4. Der angefochtene Bescheid greift mit der Versagung der Baubewilligung und der damit verbundenen Versagung der Ausübung des aus dem Eigentum erfließenden Rechtes zur Bebauung eines Grundstückes (vgl. VfSlg. 8140/1977) in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein. Dieser Eingriff wäre bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verfassungswidrig, wenn die Behörde die dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften denkunmöglich angewendet hätte.

Diesbezügliche Behauptungen werden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Im Hinblick auf die im verfassungsrechtlich unbedenklichen Flächenwidmungsplan festgelegte Widmung der Grundstücke als Grünland ist die Annahme der belangten Behörde, wonach sich bereits aus dem Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung ergibt, daß das Vorhaben der Beschwerdeführerin dem Flächenwidmungsplan widerspricht, nicht denkunmöglich.

In der Beschwerde wird vorgebracht, daß sich der Eingriff in das Eigentum auch daraus ergebe, daß "das ROG 1968 für solche Fälle auch keinen Entschädigungsanspruch" vorsehe, obwohl mit dem "Einfrieren" eines "betrieblichen Bestandstandards enorme betriebswirtschaftliche Vermögensnachteile verbunden sein" müßten. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist jedoch die Versagung einer Baubewilligung und nicht ein Anspruch über eine Entschädigung. Allfällige Rechtsvorschriften über Entschädigungen sind aus diesem Grund nicht präjudiziell. Auf dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Die Beschwerdeführerin ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums offenkundig nicht verletzt worden.

5. Die Behauptung über die Verletzung des Gleichheitsrechtes wurde von der Beschwerdeführerin auf die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes gestützt.

Bei der gegebenen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung der Beschwerdeführerin im Gleichheitsrecht nur vorliegen, wenn die belangte Behörde den bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Hiefür sind weder in der Beschwerde Behauptungen vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem VfGH Anhaltspunkte hervorgekommen.

Die Beschwerdeführerin ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz offenkundig nicht verletzt worden.

6. Die Verletzung sonstiger verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH ist weder hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Baubewilligung, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B114.1978

Dokumentnummer

JFT_10198996_78B00114_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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