TE Vfgh Beschluss 1980/10/4 B11/80

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Veröffentlicht am 04.10.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
VfGG §15 Abs2
VfGG §18
VfGG §57 Abs1, §15 Abs2

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG, Errichtung einer Fußgängerzone durch Erlassung einer Verordnung; keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Die Liegenschaft Hauptplatz 18, 4020 Linz, dient nach Darstellung der Beschwerdeführerinnen als Standort für den Druckereibetrieb der Erstbeschwerdeführerin. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Miteigentümerin dieser Liegenschaft und einzelzeichnungsberechtigte Gesellschafterin der Erstbeschwerdeführerin.

Mit Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. November 1979 wurde gemäß §76a Abs1 bis 4 StVO idF BGBl. 412/1976 unter anderem "der Hauptplatz an seiner Westseite, begrenzt durch die zwischen Klosterstraße und Hofgasse bestehende Häuserfront, die Verlängerung der Fahrbahn der Klosterstraße, die Stiegenanlage Richtung Straßenbahn mit Dreifaltigkeitssäule und den in Verlängerung der Hofgasse gekennzeichneten Fahrbahnrand" zur Fußgängerzone erklärt; es wurde weiters bestimmt, daß die Ladetätigkeit in der Zeit von 18.30 Uhr bis 10.30 Uhr vorgenommen werden darf. Diese Verordnung wurde noch am 30. November 1979 durch Anbringen von Hinweiszeichen gemäß §53 Z9a und b StVO 1960 kundgemacht.

2. In der "in erster Linie auf Art144 B-VG gegründeten" Beschwerde beantragen die Beschwerdeführerinnen, der VfGH wolle aussprechen, daß die Beschwerdeführerinnen "durch die faktischen Amtshandlungen und Maßnahmen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz im Zusammenhang mit der Eröffnung der sogenannten (Fußgängerzone Hauptplatz) in Linz am 1. Dezember 1979 in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein ordnungsgemäßes Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Schutz und Achtung des Eigentums, auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf Freiheit des Erwerbes und auf Freiheit von Zwangs- und Pflichtarbeit verletzt worden sind"; die Beschwerdeführerinnen beantragen auch, "die Beschwerden an den VwGH abzutreten, wenn der VfGH der Auffassung sein sollte, daß eine Verletzung einfachgesetzlicher Verwaltungsvorschriften vorliegt".

In der Beschwerde ist ua. ausgeführt, über die Errichtung der Fußgängerzone Hauptplatz sei nie eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, über die Einschränkungen des Unternehmens der Beschwerdeführerinnen nie eine Enteignungsverhandlung durchgeführt, die Vielzahl der gewerberechtlichen und verwaltungsrechtlichen Bescheide wie Baugenehmigungen, Betriebsanlagengenehmigungen, Maschinengenehmigungen und nicht einmal die Sondergenehmigungen über die Zufahrt jemals ausdrücklich durch Bescheid gegenüber den Beschwerdeführerinnen widerrufen worden; nach der positiven Rechtslage seien die Beschwerdeführerinnen daher weiterhin uneingeschränkte Eigentümer der Liegenschaft Hauptplatz 18 sowie ohne jede Einschränkung befugt, die an diesem Standort betriebene Druckerei mit allen erforderlichen Nebentätigkeiten insbesondere der Zu- und Abfahrt von Lieferfahrzeugen, eigenen Fahrzeugen und Kundenfahrzeugen auszuüben. Sodann heißt es wörtlich:

"Die Umwidmung des vorher als Straße und Parkplatz dienenden Hauptplatzes sowie die Errichtung der Fußgängerzone, welche mit allen ihren rechtlichen Auswirkungen am 1. Dezember 1979 eröffnet wurde, sowie die seither aufgetretenen täglichen laufenden Behinderungen des Gewerbebetriebes der Beschwerdeführer stellen sich daher als faktische Amtshandlungen ohne gesetzliche Grundlage dar. Da ein Bescheid über diese Maßnahmen vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz nicht zu erlangen war, sehen sich die Beschwerdeführer genötigt, innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Frist von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Eröffnung der Fußgängerzone wegen dieser faktischen Amtshandlungen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, wobei die Behinderungen durch die Exekutive ja nur Ausfluß des durch das Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz getroffenen Verfügungen darstellen, zur Erhebung einer Direktbeschwerde an den hohen VfGH genötigt".

Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher beantragt wird, die Beschwerde kostenpflichtig wegen offenbarer Nichtzuständigkeit zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden (Satz 1) und gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person (Satz 2).

Daß sich die Beschwerde nicht gegen einen Bescheid richtet, legen die Beschwerdeführerinnen selbst dar.

Gegenstand der Beschwerde ist aber auch nicht ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person.

Soweit sich die Beschwerde gegen "die Umwidmung des Hauptplatzes" und "die Errichtung der Fußgängerzone" richtet, betrifft sie einen Verwaltungsakt, den der Magistrat der Landeshauptstadt Linz mit der eingangs angeführten, durch die Anbringung von Straßenverkehrszeichen (hier: Hinweiszeichen) kundgemachten Verordnung vom 30. November 1979 getroffen hat. Eine solche an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtete und daher generelle Norm stellt, auch wenn sie die Beschwerdeführerinnen besonders trifft, nicht eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person iS des Art144 B-VG dar (vgl. VfGH 29. 11. 1977 B447/77).

Soweit sich die Beschwerde gegen "die seither aufgetretenen täglichen laufenden Behinderungen des Gewerbebetriebes der Beschwerdeführerinnen" als faktische Amtshandlungen richtet (genannt sind Behinderungen von Lieferfahrzeugen und Kundenfahrzeugen sowie der Ladetätigkeit der Firmenfahrzeuge, insbesondere durch Bestrafung mit Organmandaten), sind diese zu wenig konkretisiert, um vom VfGH beurteilt werden zu können.

Der VfGH ist sohin zur meritorischen Behandlung der Beschwerde offenkundig nicht zuständig. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

2. Da die Beschwerde nur "in erster Linie auf Art144 B-VG gegründet" ist, war noch zu überlegen, ob sie allenfalls (iS des Art139 B-VG idF BGBl. 302/1975 und des §57 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976) als Antrag auf Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. November 1979 verstanden werden könnte.

Eine solche Deutung der Beschwerde verbietet sich jedoch schon aus dem Grunde, weil diese kein Aufhebungsbegehren iS des §57 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 enthält und das Fehlen eines solchen Begehrens nicht ein behebbares Formgebrechen bildet, sondern einen Zurückweisungsgrund darstellen würde.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, Auslegung eines Antrages, Fußgängerzone

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B11.1980

Dokumentnummer

JFT_10198996_80B00011_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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