TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/4 B122/78

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Veröffentlicht am 04.10.1980
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art83 Abs2
ArbeitszeitG §17

Leitsatz

Arbeitszeitgesetz, Übertretung nach §17; Entzug des gesetzlichen Richters durch Auswechslung des Berufungsgegenstandes

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Nach dem Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 18. Jänner 1977 hat der Beschwerdeführer, "wie auf Grund der am 3. 11. 1976 durchgeführten Arbeitszeitkontrolle festgestellt wurde, nicht dafür Sorge getragen, daß" ein in seinem Betrieb beschäftigter Lenker eines Lastkraftwagens "ein persönliches Fahrtenbuch mit sich führte", und dadurch "eine Übertretung nach §17 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/69, begangen". Gemäß §28 des genannten Gesetzes wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt.

b) Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Vbg. vom 15. Dezember 1977, Z IVb-603/1977, wurde der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 18. Jänner 1977 erhobenen Berufung gemäß §24 VStG 1950 iVm §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe das (von der Berufungsbehörde) durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, daß der Lenker des Lastkraftwagens am 3. November 1976 sein Fahrtenbuch zwar mit sich geführt, dies jedoch deshalb nicht vorgewiesen habe, weil von ihm vergessen worden sei, die Eintragungen der letzten halben Woche nachzuholen. Weiters sei im Ermittlungsverfahren festgestellt worden, daß das Fahrtenbuch des Lastkraftwagenlenkers, das am 3. November 1976 von diesem geführt worden sei, im Verzeichnis der an ihn ausgegebenen Fahrtenbücher nicht aufscheine. Vielmehr ergebe sich aus diesem Verzeichnis, daß das vorhergehende Fahrtenbuch Nummer

29.552 über den Zeitraum vom 10. Mai 1976 bis zum 7. August 1976 erst am 22. November 1976 eingezogen worden sei, obwohl vom 9. August 1976 bis 20. November 1976 bereits das Fahrtenbuch Nummer 29.559 tatsächlich geführt worden sei.

Gemäß §17 Abs2 des Arbeitszeitgesetzes obliege dem Arbeitgeber die Ausgabe der persönlichen Fahrtenbücher sowie die Führung des Verzeichnisses über die verwendeten persönlichen Fahrtenbücher.

Das Verzeichnis müsse den Namen und die Empfangsbestätigung des Lenkers, dem das Buch zugeteilt sei, sowie die Buchnummer, das Ausgabedatum und das Datum des letzten vom Lenker vor der endgültigen Rückgabe des Fahrtenbuches an den Arbeitgeber nach Gebrauch ausgefüllten Tageskontrollblattes enthalten. Der Arbeitgeber habe mindestens einmal im Monat zu überprüfen, ob die erforderlichen Angaben über die Dauer der Lenkzeit, sonstiger Arbeitsleistungen, der Ruhepausen etc. eingetragen worden seien.

Auf Grund des oben angeführten Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß es der Beschwerdeführer jedenfalls versäumt habe, das Verzeichnis über die an den Lenker des Lastkraftwagens ausgegebenen persönlichen Fahrtenbücher den Bestimmungen des §17 Abs2 des Arbeitszeitgesetzes entsprechend zu führen. Auf Grund dessen habe die Berufungsbehörde auch als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer die vorgeschriebene monatliche Überprüfung unterlassen habe. Wäre nämlich eine Kontrolle erfolgt, so hätte spätestens bei der im September 1976 fälligen monatlichen Überprüfung festgestellt werden müssen, daß ein anderes als das zuletzt im Verzeichnis eingetragene Fahrtenbuch geführt worden sei.

Die Bestrafung des Beschwerdeführers sei daher zu Recht erfolgt.

2. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vbg. vom 15. Dezember 1977 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein. Es wird der Antrag gestellt, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH insbesondere auch dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (VfSlg. 8176/1977).

Wie sich aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides (I.1.a) ergibt, hat nach dem erstinstanzlichen Strafbescheid das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte strafbare Verhalten allein darin bestanden, nicht dafür Sorge getragen zu haben, daß ein in seinem Betrieb beschäftigter Lenker eines Lastkraftwagens sein persönliches Fahrtenbuch mit sich geführt hat (§17 Abs1 erster Satz Arbeitszeitgesetz).

Mit dem angefochtenen Bescheid wird der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Ausspruch über die Verhängung der Strafe bestätigt, dies jedoch damit begründet, daß nach dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren der im Betrieb des Beschwerdeführers beschäftigte Lastkraftwagenlenker sein Fahrtenbuch bei der Kontrolle durch die hiezu berechtigten Organe zwar mit sich geführt, aber den Kontrollorganen nicht vorgewiesen hat. Der Beschwerdeführer habe es verabsäumt, das Verzeichnis über die dem Lastkraftwagenlenker ausgegebenen persönlichen Fahrtenbücher den Bestimmungen des §17 Abs2 Arbeitszeitgesetz entsprechend zu führen; er habe auch die vorgeschriebene monatliche Überprüfung der Fahrtenbücher unterlassen.

c) Die Gegenüberstellung der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides mit den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, daß die belangte Behörde den Berufungsgegenstand ausgewechselt und eine Entscheidung in einer Angelegenheit getroffen hat, die nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Bescheides war. Der angefochtene Bescheid war daher wegen der daraus folgenden Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Arbeitszeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B122.1978

Dokumentnummer

JFT_10198996_78B00122_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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