TE Vfgh Beschluss 1980/10/11 B396/79, B397/79

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Veröffentlicht am 11.10.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gerichtsakt
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9

Leitsatz

Art144 B-VG, Hausdurchsuchungen in Vollziehung eines gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehles; keine Zuständigkeit des VfGH

Spruch

Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe werden abgewiesen.

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1.a) Gegen die Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt, zu dem die angefochtenen Amtshandlungen gesetzt wurden, beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 24d Vr 2709/78 die Voruntersuchung wegen Verdachtes mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen (insbesondere nach §34 Abs2 des Kreditwesengesetzes 1979, vor allem im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die "B." GmbH anhängig.

b) Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat am 3. August 1979 im Zuge dieses Verfahrens unter ON 96 einen Hausdurchsuchungsbefehl mit folgendem Wortlaut erlassen:

"In der Strafsache gegen H.D. und Dr. O.R.D. ... ergeht an die

Bundespolizeidirektion Wien, Wirtschaftspolizei ... der Befehl, in

der Wohnung und den sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten der Dr. O.R.D. in M., E-straße 45/7 und des R.P." (das ist der Vater des Beschwerdeführers H.D.) "in R., N-gasse 2 eine Hausdurchsuchung zum Zwecke der Auffindung und Beschlagnahme von Gegenständen, deren Besitz oder Besichtigung für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sein könnte, vorzunehmen.

...

Bei der Amtshandlung ist entsprechend den Bestimmungen der §§139 ff. StPO vorzugehen."

c) Am 14. August 1979 wurden aufgrund dieses Hausdurchsuchungsbefehles Hausdurchsuchungen im Haus M., E-straße 45/7, und im Hause T., R., N-gasse 2, durchgeführt. Die Amtshandlungen wurden von Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Wien-Wirtschaftspolizei, die der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich dienstzugeteilt waren, im Beisein von Gendarmeriebeamten der Gendarmeriepostenkommanden M. bzw. T. durchgeführt.

Die Hausdurchsuchung in M. verlief negativ.

Bei der Hausdurchsuchung in R. wurden folgende Gegenstände sichergestellt:

"1. 1 Telefonverzeichnis,

2. 1 Tresorschlüssel, Fa. Wertheim, Nr. 716538,

3. 3 Stk. Stempel (2 Dr. W., 1 Dr. L.)

4. 1 Handkassette, orange, verschlossen, ohne Schlüssel,

5. 4 Stk. Postaufgabescheine f, Dr. R.D., 84100 S., Italien,

6. 9 Kartons mit Aktenunterlagen Dr. D., H.P., d. Fa. A., Fa. B., B, W., Aktenordner, Karteien."

Im Bericht der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ vom 14. August 1979 über die Hausdurchsuchung in R. lautet es auszugsweise:

"Die Überprüfung der ... durch die Übersiedlungen völlig ungeordneten Unterlagen war im Detail nicht möglich. Stichproben zeigten, daß die Aufschriften von Mappen und Ordnern nicht dem Inhalt entsprachen. Um dem Gerichtsauftrag nachzukommen war es notwendig alle Unterlagen in denen sich zumindest einige Unterlagen des Hausdurchsuchungsauftrages befanden, sicherzustellen."

2. Die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden wenden sich gegen die am 14. August 1979 in M. und in R. durchgeführten Hausdurchsuchungen. In den Beschwerden wird die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und beantragt, kostenpflichtig festzustellen, daß die bekämpften Amtshandlungen verfassungswidrig waren.

Die Beschwerden werden mit Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe verbunden.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beamten der Verwaltungsbehörden sind bei Durchführung der bekämpften Hausdurchsuchungen ausschließlich in Vollziehung des Hausdurchsuchungsbefehles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. August 1979 tätig geworden. Ihre Amtshandlungen sind also diesem Gericht zuzurechnen, nicht aber einer Verwaltungsbehörde.

Aus dem vom VfGH zur Einsicht beigeschafften Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien AZ 24d Vr 2709/78 ergibt sich auch, daß eine den Verwaltungsbehörden zuzurechnende Überschreitung des richterlichen Auftrages nicht vorliegt. Insbesondere kann eine derartige Überschreitung nicht darin erblickt werden, daß bei der Hausdurchsuchung in R. Gegenstände sichergestellt worden wären, die vom Hausdurchsuchungsbefehl nicht erfaßt sind; schon im Hinblick auf die mangelnde Ordnung der vorgefundenen Unterlagen war es keinesfalls von vornherein auszuschließen, daß "der Besitz" oder "die Besichtigung" der sichergestellten Gegenstände "für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sein könnte".

Angefochten sind also Gerichtsakte.

Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem VfGH die Zuständigkeit ein, gerichtliche Entscheidungen aufgrund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (vgl. zB VfGH 19. 3. 1980 B1, 2/80).

Die vorliegenden Beschwerden waren sohin allein schon wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 8248/1978), ohne daß darauf eingegangen zu werden brauchte, ob nicht noch andere Prozeßhindernisse gegeben sind.

2. Da die Nichtzuständigkeit des VfGH offenbar ist, konnte dies gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe waren wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Beschwerdeführung gemäß §63 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Hausrecht, Hausdurchsuchung, richterlicher Befehl

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B396.1979

Dokumentnummer

JFT_10198989_79B00396_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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