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L4 Innere VerwaltungNorm
MRK Art8Leitsatz
Vbg. Sittenpolizeigesetz, keine Bedenken gegen §4; keine denkunmögliche Anwendung dieser GesetzesbestimmungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vbg. Landesregierung wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, "am 23. April 1979 in ihrer Wohnung in Feldkirch mit einem Mann einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §18 Abs1 litc iVm §4 Abs1 des Vbg. Sittenpolizeigesetzes, LGBl. 6/1976 (SPG), begangen zu haben. Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß §18 Abs3 dieses Gesetzes eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 20 Tagen) verhängt.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Die Beschwerdeführerin behauptet, daß §4 SPG deshalb verfassungswidrig sei, weil diese Bestimmung entgegen dem Art8 MRK auch solches Sexualverhalten regle, das der Öffentlichkeit gegenüber nicht in Erscheinung trete. Diese Gesetzesvorschrift enthalte kein eindeutiges Tatbild; es fehle insbesondere die Abgrenzung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit.
b) §4 SPG lautet:
"(1) Die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu ist, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß §5 zugelassen sind, verboten.
(2) Soweit nicht Ausnahmen auf Grund einer Bewilligung gemäß §5 zugelassen sind, ist die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu untersagt.
(3) Gewerbsmäßig ist die Unzucht, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
(4) Anbieten im Sinne der Abs1 und 2 ist jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt."
Der VfGH hat wiederholt, zuletzt mit Erk. VfSlg. 8763/1980, ausgesprochen, daß er gegen §4 SPG keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin veranlaßt den Gerichtshof nicht, von dieser Meinung abzugehen. Er betont neuerlich, daß §4 SPG die dem Schutz des Art8 MRK unterliegende Privatsphäre gar nicht berührt.
Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Kontakt zwischen der Prostituierten und ihrem Partner durch ein Telephongespräch hergestellt wurde, das aufgrund eines Inserates zustandekam, welches von der Prostituierten in einer ausländischen Zeitschrift aufgegeben worden war. Durch die Gewerbsmäßigkeit der Unzucht hört die sexuelle Betätigung auf, eine private zu sein, da einer unbeschränkten Öffentlichkeit die Kenntnisnahme möglich ist (vgl. Stolzlechner, Der Schutz des Privat- und Familienlebens - Art8 MRK - im Licht der Rechtsprechung des VfGH und der Straßburger Instanzen, ÖJZ 1980, S 87, insbesondere Anm. 17 bis 19).
2. a) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt. Er greift daher in ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Person ein.
Die Beschwerdeführerin macht außer dem gegen das Gesetz gerichteten Vorwurf geltend, durch ein Fehlverhalten der Behörde bei der Gesetzesvollziehung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt worden zu sein.
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften (siehe die vorstehende Z1) wäre die Beschwerdeführerin in den erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nur verletzt worden, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
b) In dieser Hinsicht bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe unzulässigerweise die Begriffe "unsittlich" und "unzüchtig" gleichgesetzt.
Es genügt, zur Widerlegung dieses Vorwurfes auf die hg. Erk. VfSlg. 8445/1978 und 8763/1980 zu verweisen.
Die belangte Behörde hat keinesfalls denkunmöglich angenommen, daß der von der Beschwerdeführerin gegen Entgelt vorgenommene Geschlechtsverkehr das Tatbild des §4 Abs1 SPG erfüllt habe; insbesondere konnte die Behörde schon aufgrund der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin die Gewerbsmäßigkeit als erwiesen betrachten.
Die Beschwerdeführerin ist daher in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht infolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung verletzt worden.
Bei diesem Ergebnis brauchte nicht untersucht zu werden, ob der angefochtene Bescheid überhaupt - wie es die Beschwerdeführerin behauptet - in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit eingreift.
3. Die Beschwerdeführerin ist weder in den von ihr geltend gemachten noch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden. Sie ist auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (s. o. II.1.)
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Prostitution, SittlichkeitspolizeiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B44.1980Dokumentnummer
JFT_10198989_80B00044_00