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32 SteuerrechtNorm
BAO §101 Abs4Leitsatz
BAO, Zustellung der Entscheidung durch Ausfolgung an die Beschwerdeführerin; Widerruf des VollmachtsverhältnissesSpruch
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufverträgen vom 14. Juni 1977 Anteile an einer Liegenschaft in Wien-Penzing und zeigte diese Erwerbsvorgänge dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien an. Die Abgabenerklärungen wurden für die Beschwerdeführerin von einem Rechtsanwalt abgegeben und trugen den Vermerk "Bescheid u. UB an Kanzlei Dr. E. erbeten". Eine Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes wurde weder anläßlich der Abgabenerklärung noch im Zuge des weiteren Verwaltungsverfahrens nachgewiesen.
Mit Bescheiden vom 26. September 1977 wurde der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Berufung an die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. Diese Berufung wie auch andere Eingaben im Zuge des Berufungsverfahrens wurden von der Beschwerdeführerin selbst eingebracht und waren nicht vom Rechtsanwalt, sondern von der allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin unterzeichnet.
Da über die Berufung nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wurde hat die Beschwerdeführerin - jetzt wieder durch den anfangs einschreitenden Rechtsanwalt vertreten - Säumnisbeschwerde an den VwGH erhoben. Gemäß §36 Abs2 VwGG hat der VwGH die belangte Behörde mit einer am 23. Juni 1978 zugestellten Verfügung aufgefordert, binnen acht Wochen eine Gegenschrift zu erstatten oder aber innerhalb dieser Frist die versäumten Bescheide nachzuholen.
2. Die belangte Behörde hat daraufhin Berufungsentscheidungen getroffen, in denen den Berufungsanträgen der Beschwerdeführerin stattgegeben wurde. Diese Berufungsentscheidungen tragen das Datum 25. Juli 1978; sie sind an die Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsanwaltes adressiert und am 9. August 1978 zur Post gegeben worden.
Am 10. August 1978 erschien die allein zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde und ersuchte um Ausfolgung der Berufungsentscheidungen. Über dieses Ersuchen wurde folgende, von der Geschäftsführerin eigenhändig unterschriebene Niederschrift aufgenommen:
"Niederschrift
aufgenommen mit Frau M.K. als alleinzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin der Fa. Realitäten- Erwerbs- und Verwaltungsgesellschaft mbH in Wien.
Da infolge Urlaubes des Dr. E.E., RA., B-gasse 12, 1010 Wien die Kanzlei geschlossen ist, ersuche ich, die Berufungsentscheidungen GA 11-1417/4/78 und 1417/1/78 vom 25. Juli 1978 an mich auszufolgen.
Ich bestätige die Übernahme der beiden Berufungsentscheidungen."
Am 14. August 1978 langten die zuhanden des Rechtsanwaltes ergangenen Ausfertigungen der in Rede stehenden Berufungsentscheidungen mit einem Vermerk der Post an die belangte Behörde zurück, daß der Bescheidadressat bis 6. September 1978 verreist sei. Die belangte Behörde veranlaßte am 27. November 1978 eine neuerliche Zustellung der Berufungsentscheidungen an den Rechtsanwalt, die von diesem am 30. November 1978 eigenhändig übernommen wurden.
Mit Beschluß vom 24. Jänner 1979 hat sodann der VwGH unter Bezug auf §36 Abs2 VwGG das Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt.
3. Am 9. Jänner 1979 erhob die Beschwerdeführerin gegen die Berufungsentscheidungen der Finanzlandesdirektion auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden an den VfGH, in denen sie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und beantragt, die angefochtenen Bescheide kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat in den Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin geht davon aus, daß die Berufungsentscheidungen erst mit Zustellung an den bisherigen anwaltlichen Vertreter, und somit erst am 30. November 1978 erlassen wurden. In diesem Zeitpunkt sei die belangte Behörde aber nicht mehr zuständig gewesen, den Bescheid nachzutragen, da die vom VwGH gesetzte Frist bereits abgelaufen gewesen sei. Die Entscheidung einer unzuständig gewordenen Behörde aber verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil die Bestimmung des Art83 Abs2 B-VG auch vor der gesetzwidrigen Inanspruchnahme einer behördlichen Zuständigkeit schütze.
Dieser Argumentation trat die belangte Behörde entgegen. Die Beschwerdeführerin lasse außer acht, daß sie selbst am 10. August 1978 vertreten durch ihre allein zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin von der belangten Behörde unter Hinweis auf die urlaubsbedingte Sperre der Kanzlei ihres Rechtsanwaltes die Aushändigung der in Rede stehenden Berufungsentscheidungen begehrte und diesem Begehren seitens der belangten Behörde auch entsprochen wurde. Das in der Niederschrift gestellte Begehren der Beschwerdeführerin auf Aushändigung der Berufungsentscheidungen sei daher einem Widerruf der Zustellungsbevollmächtigung des Rechtsanwaltes, zumindest für die Dauer dessen urlaubsbedingter Abwesenheit gleichzuhalten. Daher seien die nachzuholenden Erledigungen von der belangten Behörde innerhalb der vom VwGH gesetzten Frist erlassen worden; es entbehre deshalb der auf eine gegenteilige Annahme gestützte Vorwurf der Unzuständigkeit der belangten Behörde jeglicher Berechtigung.
Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde im Recht. Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage im Berufungsverfahren überhaupt zu Recht ein Vollmachtsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Rechtsanwalt, der die Abgabenerklärung unterfertigte und die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einbrachte, annehmen durfte. Jedenfalls hat die Beschwerdeführerin durch ihre allein zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin in der wiedergegebenen Niederschrift unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Zustellung durch Ausfolgung an die Geschäftsführerin begehre und damit ein allenfalls gemäß §101 Abs4 BAO bestehendes Vollmachtsverhältnis diesbezüglich widerrufe.
Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beschwerdeführerin direkt durch Ausfolgung zustellen. Diese Zustellung erfolgte am 10. August 1978.
Die Beschwerden gegen diese Bescheide sind beim VfGH erst am 9. Jänner 1979, also nach Ablauf der in §82 Abs1 VerfGG vorgesehenen sechswöchigen Frist erhoben worden. Sie waren daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
Schlagworte
Finanzverfahren, Zustellung, Zustellbevollmächtigter, Verwaltungsverfahren, Vertreter (Verwaltungsverfahren), Vollmacht, VfGH / FristenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B7.1979Dokumentnummer
JFT_10198987_79B00007_00