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64 Besonderes Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs5Beachte
vgl. Kundmachung BGBl. 72/1981 am 13. Feber 1981Leitsatz
Richterdienstgesetz, Feststellung der Verfassungswidrigkeit von "Sprengelrichter" betreffenden Vorschriften im §65 Abs1 und §77 Abs1 idF BGBl. 136/1979Spruch
1. a) Die Worte "Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes" im §65 Abs1 sowie
der zweite Halbsatz des ersten Satzes und der ganze zweite Satz des §77 Abs1 des Richterdienstgesetzes, BGBl. 305/1961, in der Fassung des ArtIII des Bundesgesetzes vom 7. März 1979, BGBl. 136, waren verfassungswidrig.
b) Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
2. Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. In dem beim Bezirksgericht Neufelden zu C 60/78 anhängigen Zivilrechtsstreit hat Richter Dr. A.G. mit Urteil vom 27. September 1979 entschieden. Sie gab der Klage statt. Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung, über die das Verfahren beim Landesgericht Linz zu AZ 14 R 93/79 anhängig ist.
Den Ausführungen des Landesgerichtes Linz zufolge war Dr. A.G. nicht als Richter des Bezirksgerichtes Neufelden ernannt. Sie war diesem Gericht vielmehr als "Sprengelrichter iS der §§65 Abs1 und 77 Abs1 des Richterdienstgesetzes (RDG), BGBl. 305/61, idF des Bundesgesetzes vom 7. März 1979, BGBl. 136/1979, zugeteilt.
2. Das Landesgericht Linz stellt aus Anlaß dieses bei ihm anhängigen Verfahrens gemäß Art140 Abs1 B-VG beim VfGH den mit 15. Jänner 1980 datierten Antrag, folgende Stellen des RDG, idF des BG BGBl. 136/1979, als verfassungswidrig aufzuheben:
a) Im §65 Abs1 die Worte "Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes, Gehaltsgruppe I" und
b) im §77 Abs1 den zweiten Halbsatz des ersten Satzes und den ganzen zweiten Satz.
3. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, daß sie von einer Äußerung in der Sache selbst absieht.
Sie weist lediglich auf die RDG-Nov. 1980, BGBl. 90, hin. Der VfGH könne daher die angefochtenen Bestimmungen nicht aufheben, sondern lediglich allenfalls feststellen, daß diese Bestimmungen verfassungswidrig waren.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der VfGH hat mit Erk. vom 12. März 1979, G81, 88/78, folgende Stellen des RDG (in der Stammfassung) aufgehoben:
Im §65 Abs1 die Worte "Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes, Bezirksrichter, Standesgruppe 1" sowie im §77 Abs1 den zweiten Halbsatz des ersten Satzes und den ganzen zweiten Satz.
Der Gerichtshof hat verfügt, daß die Aufhebung mit Ablauf des 29. Feber 1980 in Kraft tritt.
b) Kurz vor der Entscheidung des VfGH, nämlich am 7. März 1979, hat der Nationalrat ein Bundesgesetz beschlossen, mit dessen ArtIII das RDG geändert wurde.
Durch Z11 dieses Artikels wurde §65 und durch Z15 §77 neu gefaßt. Dieser Gesetzesbeschluß wurde im Bundesgesetzblatt 1979 unter Nummer 136, ausgegeben am 27. März 1979, kundgemacht.
Dem ArtXVI Abs1 Z2 dieses Bundesgesetzes zufolge ist unter anderem ArtIII mit 1. Juli 1979 in Kraft getreten.
Seit diesem Zeitpunkt galt sohin - ungeachtet des Ausspruches im Erk. des VfGH G81, 88/78, daß die Aufhebung bestimmter Stellen der §§65 und 77 RDG (in der Stammfassung) erst mit Ablauf des 29. Feber 1980 in Kraft tritt - das RDG in jener Fassung, die ihm durch ArtIII des BG BGBl. 136/79 (im folgenden kurz: "RDG-Nov. 1979") gegeben worden war.
Ab 1. Juli 1979 lautete §65 Abs1 RDG auszugsweise wie folgt:
"Für Richter sind nachstehende Planstellen und Gehaltsgruppen oder feste Gehälter vorgesehen:
Planstelle Gehaltsgruppe
--------------------------------------------------------------------
Richter des Bezirksgerichtes
Vorsteher des Bezirksgerichtes
...................................................... I
Richter beim Oberlandesgericht für
den Sprengel des Oberlandesgerichtes
...................................................... „"
§77 RDG in der ab 1. Juli 1979 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:
"(1) Der Richter kann bei einem Gericht, für das er nicht ernannt ist, nicht verwendet werden; ausgenommen ist die Verwendung der Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes für den Fall vorübergehenden Bedarfes infolge Krankheit, Urlaubes, Geschäftsüberlastung oder infolge vorübergehender Vakanz einer Richterplanstelle. Eine solche Verwendung ist jedoch nur innerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes, bei dem sie ernannt sind, und nicht länger als sechs Monate zulässig.
(2) Der Richter kann jedoch mit seinem Einverständnis dem Bundesministerium für Justiz, einer Staatsanwaltschaft oder anderen Verwaltungsbehörden sowie dem Präsidenten eines anderen Gerichtshofes zur Besorgung von Verwaltungsaufgaben zugeteilt werden."
c) Mit der Richterdienstgesetz-Nov. 1980, BGBl. 90 (RDG-Nov. 1980) wurden im §65 unter anderem die Worte "Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes" aufgehoben. Der §77 wurde zur Gänze neu gefaßt.
Die RDG-Nov. 1980 trat mit Ablauf des 29. Feber 1980 in Kraft (§4 Abs1 BG über das BGBl. 1972).
2. Das anfechtende Gericht hält die bei ihm eingebrachte Berufung für zulässig. Es meint, daß es bei Entscheidung über die Berufung zu untersuchen habe, ob das in erster Instanz erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt war (§477 Abs1 Z2 ZPO); das anfechtende Berufungsgericht habe daher die §§65 Abs1 und 77 Abs1 RDG idF der RDG-Nov. 1979 anzuwenden.
Es ist nichts hervorgekommen, was gegen diese Annahme des antragstellenden Gerichtes sprechen würde.
Sohin ist in Ansehung aller angefochtenen Bestimmungen die Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität gegeben.
Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor.
Der Antrag ist zulässig.
3. a) Das Landesgericht Linz begründet seinen Gesetzesprüfungsantrag damit, daß die angefochtenen Bestimmungen der §§65 Abs1 und 77 Abs1 RDG, idF der RDG-Nov. 1979 inhaltlich jenen Bestimmungen der §§65 Abs1 und 77 Abs1 RDG in der Stammfassung gleichen, die der VfGH mit Erk. vom 12. März 1979, G81, 88/78, als verfassungswidrig aufgehoben hat.
b) In der Tat entsprechen die seinerzeit vom VfGH aufgehobenen und die nunmehr angefochtenen Gesetzesbestimmungen einander.
Die Verfassungswidrigkeit, deretwegen seinerzeit "Sprengelrichter" betreffende Vorschriften des RDG in der Stammfassung aufgehoben wurden, belastet sohin auch die inhaltlich gleichen Vorschriften des RDG in der Fassung der Nov. 1979.
Diese Verfassungswidrigkeit hat ihren Sitz in den angefochtenen Bestimmungen des §77 Abs1 RDG idF der Nov. 1979 sowie in den Worten "Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes" des §65 Abs1 dieses Gesetzes.
Diese Bestimmungen sind mit Ablauf des 29. Feber 1980 bereits außer Kraft getreten (s.o. II.1.c). Der VfGH hat daher gemäß Art140 Abs4 B-VG auszusprechen, daß diese Vorschriften verfassungswidrig waren.
c) Dem weiteren, auf Aufhebung der Worte "Gehaltsgruppe I" im §65 Abs1 RDG gerichteten Begehren war nicht Folge zu geben, da die behauptete Verfassungswidrigkeit bereits durch den obigen Ausspruch festgestellt ist (siehe hiezu zB VfSlg. 8004/1977, S 136 f., und 8329/1978, S 407).
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit gründet sich auf Art140 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Novellierung, VfGH / Aufhebung Wirkung, Dienstrecht, RichterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:G11.1980Dokumentnummer
JFT_10198984_80G00011_00