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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. Fremdenverkehrsgesetz 1976, keine Bedenken gegen den Begriff "mittelbar am Fremdenverkehr interessiert" in §1 Abs1 im Hinblick auf Art18 Abs1 B-VG; keine denkunmögliche oder gleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Tir. Landesregierung hat mit Bescheid vom 29. Juni 1978 gemäß §1 Abs1 und 6 des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes 1976, LGBl. 65/76, in Zusammenhalt mit §32 Abs15 dieses Gesetzes entschieden, daß der Beschwerdeführer, von Beruf Rechtsanwalt, dem Fremdenverkehrsverband Innsbruck-Igls und Umgebung als Pflichtmitglied angehört.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer behauptet, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein und einen Verstoß gegen Art18 B-VG geltend macht.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß §1 Abs1 des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes 1976 können zur Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen Belange des Fremdenverkehrs durch Verordnung der Landesregierung für bestimmt abzugrenzende Gebiete die Unternehmer, die auf Grund ihrer Tätigkeit wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Fremdenverkehr interessiert sind, zu einem Fremdenverkehrsverband zusammengeschlossen werden. Diese Unternehmer sind Pflichtmitglieder des Fremdenverkehrsverbandes.
Nach Abs6 dieses Paragraphen entscheidet über die Zugehörigkeit zu einem Fremdenverkehrsverband im Zweifel die Landesregierung.
Der Fremdenverkehrsverband Innsbruck-Igls wurde mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 1. September 1949, LGBl. 39, errichtet (vgl. hiezu die Übergangsbestimmung des §58 Abs1 Fremdenverkehrsgesetz).
2. In der Beschwerde wird behauptet, §1 Abs1 des Fremdenverkehrsgesetzes verstoße deshalb gegen Art18 B-VG, weil sich nicht mit Bestimmtheit ableiten lasse, wer Pflichtmitglied ist. Es sei nämlich unbestimmt und "nicht konkretisiert", wer mittelbar am Fremdenverkehr interessiert ist.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liege vor, wenn ein Rechtsanwalt als Pflichtmitglied eines Fremdenverkehrsverbandes geführt werde. Nach Auffassung der belangten Behörde müßte dann jeder Selbständige Pflichtmitglied sein, weil alle diese Berufsausübenden möglicherweise einmal von jemandem ein Entgelt oder Honorar erhalten hätten, der vom Fremdenverkehr lebt.
Im Eigentumsrecht erachtet sich der Beschwerdeführer deshalb verletzt, weil er einen Beitrag für etwas zu bezahlen habe, wofür ihn keine Zahlungspflicht treffe. Die Auffassung, daß jeder in mittelbarer Beziehung zum Fremdenverkehr stünde, könne nicht die Pflicht begründen, daß er dann unmittelbar besteuert wird.
3. a) Obzwar nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (siehe zB VfSlg. 7429/1974 uva.) Art18 Abs1 B-VG kein subjektives verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht einräumt, hat der VfGH dennoch zu prüfen, ob der Begriff des mittelbaren Interesses am Fremdenverkehr in §1 Abs1 des Fremdenverkehrsgesetzes hinreichend determiniert iS des Art18 Abs1 B-VG ist.
Ob das Verhalten der Vollziehungsorgane bei Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes ausreichend iS des Art18 B-VG vorausbestimmt wird, hängt davon ab, ob - unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß ein solcher Begriff dem Vollziehungsorgan stets einen gewissen Spielraum einräumt - das Gesetz das verwaltungsbehördliche Handeln in einem solchen Maß determiniert, daß der VwGH und der VfGH in der Lage sind, die Übereinstimmung der verwaltungsbehördlichen Rechtsakte mit dem Gesetz zu überprüfen. Die verwendeten Begriffe müssen so bestimmt sein, daß sie einen der Vollziehung zugänglichen Inhalt umschreiben (siehe VfSlg. 8209/1977 und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben in langjähriger Rechtsprechung die Übereinstimmung verwaltungsbehördlicher Rechtsakte betreffend Fremdenverkehrsbeiträge mit dem Gesetz überprüft und den Begriff des mittelbaren Interesses am Fremdenverkehr bzw. des mittelbaren Nutzens aus dem Fremdenverkehr ausgelegt; so der VfGH zB im Erk. VfSlg. 6260/1970 (betreffend §1 Abs1 des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes 1969) und der VwGH zB in den Erk. VwSlg. 3347 A/1954 und vom 29. Jänner 1962, Z 633/60 (in beiden Fällen war der Beschwerdeführer von Beruf Rechtsanwalt).
Der VfGH hat daher keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Begriffes "mittelbar am Fremdenverkehr interessiert" mit Art18 Abs1 B-VG. Im übrigen hat der VfGH schon in dem genannten Erk. VfSlg. 6260/1970 ausgesprochen, daß die in §1 Abs1 des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes 1969 (der ebenfalls die Formulierung "mittelbar wirtschaftlich interessiert" enthielt) getroffene Regelung der Pflichtmitgliedschaft bei den Fremdenverkehrsverbänden zu keinen verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß gäbe; der Begründung dieses Erk. ist allerdings zu entnehmen, daß sich der VfGH damals vor allem mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und nicht unter dem des Art18 Abs1 B-VG befaßt hat.
b) Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (siehe zB VfSlg. 7996/1977) nur dann im Gleichheitsrecht verletzt worden sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.
Im Eigentumsrecht könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) durch den in sein Eigentum eingreifenden Bescheid nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, daß die durch den Fremdenverkehr in einem örtlichen Bereich eingetretene Hebung der wirtschaftlichen Lage auch eine mittelbare Belebung für den Bereich einer Rechtsanwaltskanzlei mit sich bringe, weil erfahrungsgemäß die Vermehrung des Abschlusses von Rechtsgeschäften auch eine erhöhte Inanspruchnahme von Rechtsanwälten bewirke.
Diese Auffassung der belangten Behörde ist keineswegs denkunmöglich. Sie findet ihre Stütze in einer Reihe von Erk. des VwGH (so zB in den beiden bereits oben erwähnten Erk. VwSlg. 3347 A/1954 und vom 29. Jänner 1962, Z 633/60, ebenso im Erk. vom 1. Oktober 1968, Z 247/67, ebenfalls betreffend die Beschwerde eines Rechtsanwaltes).
Die Behörde hat dem Gesetz auch nicht fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt, wenn sie von der Auffassung ausgegangen ist, daß alle Unternehmer, die auf Grund ihrer Tätigkeit wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Fremdenverkehr interessiert sind (also gegebenenfalls auch Rechtsanwälte), als Pflichtmitglieder des Fremdenverkehrsverbandes anzusehen sind.
Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.
4. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Fremdenverkehr, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B439.1978Dokumentnummer
JFT_10198984_78B00439_00