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L5 KulturrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Sbg. Naturschutzgesetz LGBl. 72/1957, keine Bedenken gegen die Wallersee-Wengermoor-Naturschutzgebiets-Verordnung LGBl. 108/1973; keine denkunmögliche Anwendung des §4 der VerordnungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in H. (Salzburg).
Mit Eingabe an die Sbg. Landesregierung vom 21. November 1974 ersuchte er um naturschutzbehördliche Genehmigung eines Zubaues von Betriebsräumen auf den Grundparzellen 1.092/31 und 1.092/32, KG S., zwecks Erzeugung von Winter- und Frühgemüse, zur Verlegung eines bestehenden Torflagerschuppens sowie zur Errichtung einer Hochleistungs-Windkraftanlage.
Diesem Ansuchen wurde mit Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 25. August 1975 unter Berufung auf §4 der Verordnung der Sbg. Landesregierung vom 22. August 1973, mit der Teile der Gemeinden Köstendorf, Neumarkt am Wallersee und Seekirchen-Land, politischer Bezirk Salzburg-Umgebung, zum Naturschutzgebiet erklärt werden (Wallersee-Wengermoor-Naturschutzgebiets-Verordnung, künftig: Naturschutzgebiets-Verordnung), LGBl. 108/1973, keine Folge gegeben.
Dieser Bescheid wurde vom VfGH mit Erk. vom 15. Oktober 1976, B337/75 (= VfSlg. 7904/1976) als verfassungswidrig aufgehoben, weil dem Bescheid kein Kollegialbeschluß der Landesregierung zu Grunde lag und der Bescheid somit von einem unzuständigen Organ erlassen worden war.
2. Mit Bescheid vom 9. Feber 1977 hat die Sbg. Landesregierung gemäß §4 der oben genannten Verordnung dem Ansuchen des Beschwerdeführers "um Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot" nach §3 dieser Verordnung neuerlich keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet sowie die Gesetzwidrigkeit der Naturschutzgebiets-Verordnung behauptet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Naturschutzgebiets-Verordnung beruht auf §23 Abs1 litb des Sbg. Naturschutzgesetzes, LGBl. 72/1957. Nach dieser Gesetzesbestimmung kann die Landesregierung durch Verordnung Gebiete zu Teilnaturschutzgebieten erklären, die selten gewordene Pflanzen oder Tierarten beherbergen oder reich an Naturdenkmalen sind. In Abs2 des §23 ist vorgesehen, daß bei der Erklärung zu Naturschutzgebieten auch die raumordnungsmäßigen Belange zu berücksichtigen sind. Abs3 enthält eine Reihe von Ausnahmen vom Verbot eines Eingriffes in die Natur. Gemäß Abs4 ist jeder Eingriff in die Natur mit der Maßgabe untersagt, daß die Landesregierung einzelne Eingriffe gestatten kann, soweit diese dem beabsichtigten Zweck der Schutzmaßnahmen nicht widersprechen und aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich sind.
Im §4 der Naturschutzgebiets-Verordnung ist in Entsprechung des §23 Abs4 Naturschutzgesetz festgelegt, daß Ausnahmen von den (zahlreichen) Verboten des §3 der Verordnung die Landesregierung auf Ansuchen im Einzelfall zulassen kann, soweit der Eingriff dem beabsichtigten Zweck der Schutzmaßnahmen nicht widerspricht und aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich ist.
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Beschwerdeführer durch die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt wurde, ist die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (im vorliegenden Fall am 8. März 1977) bestand (vgl. VfGH 13. 12. 1979 B25/77). Die Hinweise des Beschwerdeführers auf das mit 1. Juli 1978 in Kraft getretene Sbg. Naturschutzgesetz, LGBl. 86/1977, sind daher unbeachtlich.
2. Die im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücke 1.092/31 und 1.092/32, KG S., liegen, wie sich aus §2 lita der Naturschutzgebiets-Verordnung im Zusammenhang mit den Planunterlagen ergibt, im Teilnaturschutzgebiet am Rand des Hutticher Moores. Sie werden vom Beschwerdeführer landwirtschaftlich genutzt.
a) Der Beschwerdeführer behauptet, die Erklärung dieses Gebietes zum Teilnaturschutzgebiet sei deshalb gesetzwidrig, weil das Hutticher Moor lediglich einige Rehe und Hasen, aber keine seltenen Tiere oder seltenen Pflanzen und nicht ein einziges Naturdenkmal beherberge. Alle Randgebiete des Hutticher Moores würden von Bauern bewirtschaftet. Die Einbeziehung von bewirtschafteten Randgebieten in Naturschutzgebiete sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Das Naturschutzgesetz enthält keine Bestimmung, welche verbietet, daß landwirtschaftlich genutzte Flächen in ein Teilnaturschutzgebiet einbezogen werden. Wenn es zur Erreichung des Schutzzweckes erforderlich ist, können bei der Festsetzung der Begrenzung eines Schutzgebietes auch Randgebiete (Randzone) einbezogen werden (vgl. VfSlg. 8418/1978).
Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß vor Erlassung der Naturschutzgebiets-Verordnung der Naturschutzbeirat beim Amt der Sbg. Landesregierung gehört worden ist. In Gutachten der Vorstände des Botanischen Instituts und des Zoologischen Instituts der Universität Salzburg wird hervorgehoben, daß das Hutticher Moor ein selten gewordenes Beispiel von Verlandungssümpfen darstellt und eine besondere Tierwelt aufweist. Bedenken gegen die Schlüssigkeit und Unbedenklichkeit dieser Gutachten, welche sich mit dem Hutticher Moor in seiner Gesamtheit (das Gutachten des Vorstandes des Botanischen Instituts auch unter Berücksichtigung der Grundstücke des Beschwerdeführers) beschäftigen, sind beim VfGH nicht entstanden.
Der VfGH kann auf Grund dessen nicht finden, daß die Erklärung dieses Gebietes zum Teilnaturschutzgebiet und insbesondere die Einbeziehung der beiden hier maßgeblichen Grundstücke des Beschwerdeführers in das Teilnaturschutzgebiet der Bestimmung des §23 des Naturschutzgesetzes widerspricht.
b) Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf §1 Abs1 (Erhaltung einer lebensfähigen Landwirtschaft) und auf §4 (notwendige freie Entfaltung der wirtschaftlichen Entwicklung) des Sbg. Raumordnungsgesetzes, LGBl. 78/1968.
Es ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, daß §23 Abs2 NaturschutzG die Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Raumordnungsmaßnahmen und damit einer Interessenabwägung zur Folge hat. Der VfGH kann aber nicht finden, daß durch die Naturschutzgebiets-Verordnung den Zielen des Raumordnungsgesetzes (§§1 und 4) widersprochen wird, insbesondere steht die Naturschutzgebiets-Verordnung der Erhaltung einer lebensfähigen Landwirtschaft als Wirtschaftszweig nicht entgegen.
c) Der Beschwerdeführer verweist auch auf §23 Abs2 (richtig: §34 Abs1) des Naturschutzgesetzes, wonach vom Naturschutz Flächen ausgenommen sind, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ausschließlich oder vorwiegend Zwecken des öffentlichen Straßenverkehrs, des Eisenbahnverkehrs, des Luft- und Schiffsverkehrs, von Bergbaubetrieben, Wasseranlagen, Anlagen der Elektrizitätswirtschaft oder Industrie- und Gewerbebetrieben unmittelbar dienen.
Sofern mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers die Gesetzwidrigkeit der Naturschutzgebiets-Verordnung dargetan werden soll, genügt der Hinweis, daß die in §34 Abs1 NaturschutzG angeführten Flächen als solche vom Naturschutz ausgenommen sind; sie könnten somit von einer Verordnung, mit welcher ein Gebiet unter Vollnaturschutz oder unter Teilnaturschutz gestellt wird, gar nicht erfaßt werden.
d) Zusammenfassend ergibt sich somit, daß gegen die Gesetzmäßigkeit der Naturschutzgebiets-Verordnung, soweit sie sich auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Grundstücke des Beschwerdeführers bezieht, keine Bedenken bestehen.
3. a) Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, die angefochtene Entscheidung habe "jede Interessensabwägung wie diese im ROG 1968 vorgesehen ist, in Bezug auf eine zweckmäßige Nutzung des Bodens, seiner Benützung für Zwecke der Erholung, sowie seiner Nutzung zur Stärkung der Volksgesundheit und damit der volkswirtschaftlichen Interessen unterlassen".
Der Beschwerdeführer bezieht sich hiemit anscheinend auf die Bestimmung des §4 der Verordnung in Verbindung mit dem ROG.
Die Behörde hat - auch nachdem der Beschwerdeführer sein Ansuchen dahin modifiziert hatte, daß anstatt der beabsichtigten Errichtung von stabilen Gewächshäusern nur mehr Schutzhüllen aus Kunststoff zur Abwehr von Frostschäden Verwendung finden sollten - im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die Errichtung von drei Frostschutzdächern, die Verlegung des Torflagerschuppens und die Errichtung einer Hochleistungs-Windkraftanlage stellten einen Eingriff dar, der dem beabsichtigten Zweck der Schutzmaßnahme in einem Teilnaturschutzgebiet widerspreche. Dies deshalb, da sich die notwendigen Betriebstätigkeiten im biologischen Gefüge der umliegenden natürlichen Bereiche störend auswirken bzw. die vorhandenen Biozönosen negativ beeinflussen würden.
Nach §4 der Naturschutzgebiets-Verordnung kann die Landesregierung auf Ansuchen eine Ausnahme von einem der Verbote des §3 zulassen, soweit der Eingriff dem beabsichtigten Zweck der Schutzmaßnahmen nicht widerspricht und aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich ist.
Wenn man davon ausgeht, daß unter dem Zweck der Schutzmaßnahmen der mit der Zielsetzung verbundene Gesamtzweck der Schutzmaßnahmen zu verstehen ist, welcher nicht beeinträchtigt werden soll, dann konnte die Behörde denkmöglich annehmen, daß die vom Beschwerdeführer auf seinen Grundstücken beabsichtigten Veränderungen dem mit den Schutzmaßnahmen verbundenen Gesamtzweck insgesamt widersprechen.
Die Behörde hat demgemäß §4 der Naturschutzgebiets-Verordnung auch nicht denkunmöglich angewendet, wenn sie auf das zweite in dieser Gesetzesbestimmung geforderte Tatbestandselement (Erforderlichkeit aus volkswirtschaftlichen Interessen) deshalb nicht mehr eingegangen ist, weil schon ein Widerspruch zum beabsichtigten Zweck der Schutzmaßnahmen (erstes Tatbestandselement) vorlag.
b) Der bereits oben unter Pkt. 2. c) dargestellte Hinweis des Beschwerdeführers auf §34 Abs1 Naturschutzgesetz ist auch dann nicht zutreffend, wenn damit dargetan werden sollte, daß die Behörde diese Gesetzesbestimmung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides hätte berücksichtigen müssen.
Der Hinweis des Beschwerdeführers geht nämlich deshalb fehl, weil es sich bei den Grundstücken 1092/31 und 1092/32 um landwirtschaftlich genutzte Flächen, nicht aber um eine der in §34 Abs1 Naturschutzgesetz angeführten Flächenarten handelt.
4. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der Beschwerdeführer in dem von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden ist. Ein Verstoß gegen dieses Grundrecht läge nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid nur dann vor, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen wurde oder wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hat.
Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Naturschutz, NaturschutzgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B130.1977Dokumentnummer
JFT_10198979_77B00130_00