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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Ausländerbeschäftigungsgesetz, Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach §4 Abs6; rechtswidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch das Facharbeitsamt; Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer betreibt im Bereich des Landes Wien einen gastgewerblichen Betrieb. Am 22. Mai 1978 beantragte er beim "Arbeitsamt persönliche Dienste - Gastgewerbe" eine Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Staatsangehörige, die in seinem Betrieb als Hilfskraft Beschäftigung finden sollte. Dieser Antrag wurde vom genannten Arbeitsamt mit dem dem Beschwerdeführer am 29. Juni 1978 zugestellten Bescheid unter Berufung auf §4 Abs1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) BGBl. 218/1975 unter Hinweis darauf abgelehnt, daß infolge der erreichten Höhe der Ausländerbeschäftigung in Österreich der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gesamtwirtschaftliche Interessen entgegenstünden.
Der gegen diese Ablehnung fristgerecht eingebrachten Berufung gab das Landesarbeitsamt Wien mit dem dem Beschwerdeführer am 25. Oktober 1978 zugestellten Bescheid mit der Begründung keine Folge, daß die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf §4 Abs1 AuslBG aus gesamtwirtschaftlichen Gründen nicht für vertretbar erachtet werde und die in Rede stehende Ausländerin nicht zu dem auf Grund von Beschäftigungszeiten in Österreich bevorzugt zu behandelnden Personenkreis zähle.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie des "Menschenrechtes nach Art6 MRK" behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.1. Gemäß §3 Abs1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm eine Beschäftigungsbewilligung für den Arbeitnehmer erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein besitzt.
Für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sieht das AuslBG verschiedene Verfahren vor:
a) Im Normalfall ist die Beschäftigungsbewilligung nach §4 Abs1 zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und die in Abs3 aufgezählten zusätzlichen Voraussetzungen (Vorhandensein eines Arbeitsplatzes im eigenen Betrieb, ärztliche Zeugnisse, Vorhandensein einer ortsüblichen Unterkunft zu angemessenem Benützungsentgelt, fremdenpolizeiliche und paßrechtliche Unbedenklichkeit ua.) für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vorliegen. Über die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung entscheidet in diesem Fall nach Anhörung der zuständigen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer das zuständige Facharbeitsamt (§20 Abs2 iVm §19 Abs1) und in zweiter und letzter Instanz das Landesarbeitsamt nach Anhörung des Verwaltungsausschusses (§20 Abs3 iVm §23).
b) Soweit Kontingente für die Beschäftigung von Ausländern (§12) festgesetzt sind, ist ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen: In diesem Fall entfallen die Prüfung der Voraussetzungen nach §4 Abs1 und die Anhörung der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen gemäß §20 Abs2. Im übrigen gelten dieselben Regelungen wie für das Normalverfahren.
c) Ein erschwertes Verfahren zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sieht §4 Abs6 für den Fall vor, daß Kontingente gemäß §12 festgesetzt, aber bereits ausgeschöpft sind. Diesfalls ist die Beschäftigungsbewilligung nur zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach §4 Abs1 und 3 vorliegen sowie eine der in §4 Abs6 genannten weiteren Voraussetzungen gegeben ist. Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sind auch in diesem Fall gemäß §19 Abs1 beim zuständigen Facharbeitsamt einzubringen. Für die Erteilung der Bewilligung in diesem erschwerten Verfahren ist jedoch dann, wenn die Voraussetzungen nach §4 Abs3 gegeben sind, in erster Instanz das Landesarbeitsamt zuständig, das vor seiner Entscheidung den Verwaltungsausschuß anzuhören hat (§20 Abs2 iVm §23); gegen Bescheide des Landesarbeitsamtes ist in diesen Fällen eine Berufung an den Bundesminister für soziale Verwaltung zulässig, wenn sich der Bescheid nur auf Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung der Voraussetzungen nach §4 Abs6 gründet.
d) Überdies kennt das AuslBG noch ein besonders erschwertes Verfahren zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen durch den Bundesminister für soziale Verwaltung gemäß §4 Abs8, was aber für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
2. a) Mit Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung BGBl. 109/1978 war für das Jahr 1978 für Hilfskräfte im Bereich des Fachverbandes der Gast- und Schankgewerbe und Beherbergungsbetriebe ein Kontingent für die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer für den Bereich Wien in der Höhe von 4.650 Arbeitnehmern festgelegt. Wie das Landesarbeitsamt Wien über Anfrage des VfGH mitteilte, war dieses Kontingent am 17. Feber 1978 durch erteilte Beschäftigungsbewilligungen und Befreiungsscheine ausgeschöpft.
b) Über die weitere Vorgangsweise der Arbeitsmarktverwaltung informierte das Bundesministerium für soziale Verwaltung den VfGH über dessen Ersuchen wie folgt:
"In Anbetracht dieses Sachverhaltes" (der Ausschöpfung der Kontingentplätze) "hätten unter diesen Umständen im Bereich des Landesarbeitsamtes Wien für den in Rede stehenden Fachbereich nach der Bestimmung des §4 Abs6 Beschäftigungsbewilligungen nur mehr unter erschwerten Voraussetzungen erteilt werden können, wobei das in diesen Fällen durchzuführende Bewilligungsverfahren nicht wie im Kontingentverfahren vom Arbeitsamt, sondern gemäß §20 Abs1 vom Landesarbeitsamt unter Anhörung des Verwaltungsausschusses abzuwickeln gewesen wäre. Dieses Verfahren nimmt erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch und führt zu Verzögerungen in der Beschäftigungserteilung" (richtig wohl: Bewilligungserteilung).
"Um die trotz offener Kontingentplätze im Bundesgebiet dennoch für den Bereich Wien durch die im örtlichen Bereich gegebene Ausschöpfung bedingten aufgezeigten nachhaltigen Folgen hintanzuhalten, hat am 17. Juli 1978 im ho. Ressort eine Besprechung stattgefunden, an der Vertreter des ÖGB, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Gewerkschaft gastgewerblicher Arbeitnehmer und des Fachverbandes der Gast- und Schankbetriebe und der Beherbergungsbetriebe, der Leiter des Landesarbeitsamtes Wien und Vertreter des ho. Ressorts teilgenommen haben. Bei dieser Besprechung wurde auf Wunsch der in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen das Einvernehmen darüber erzielt, eine Umverteilung vorzunehmen und das Kontingent für den Bereich des Landesarbeitsamtes Wien mit sofortiger Wirkung um 260, auf 4.910, aufzustocken. Ue. wurden die Kontingente für Kärnten und Salzburg um je 100 und von Tirol um 60 gekürzt.
Diese Aufstockung wurde dem Landesarbeitsamt Wien bei obgenannter Sitzung direkt mitgeteilt. Die Landesarbeitsämter Kärnten, Salzburg und Tirol, bei denen bereits vor der Sitzung erhoben wurde, daß sie nicht Bedarf an allen zugeteilten Kontingentplätzen haben, wurden telefonisch von der Kürzung in Kenntnis gesetzt."
Eine darüber hinausgehende Verlautbarung des Besprechungsergebnisses erfolgte nicht.
c) Eine Kundmachung des in der Sitzung im Bundesministerium für soziale Verwaltung vom 17. Juli 1978 über die Kontingentänderung erzielten Besprechungsergebnisses ist nicht erfolgt. Es hat insbesondere keine Realisierung in einer förmlichen Änderung der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung BGBl. 109/1978 gefunden. Das Besprechungsergebnis ist daher nicht Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden.
Es galt somit - ungeachtet des Ergebnisses der genannten Besprechung - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausschließlich die im Bundesgesetzblatt kundgemachte Kontingentierungsverordnung. Da die nach dieser Verordnung für den Bereich der Hilfskräfte im Gast- und Schankgewerbe in Wien festgesetzten Kontingentplätze ausgeschöpft waren, war zu diesem Zeitpunkt eine Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur in einem (erschwerten) Verfahren nach §4 Abs6 AuslBG möglich.
3. a) Der Beschwerdeführer hatte gemäß §19 Abs1 AuslBG seinen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beim zuständigen "Arbeitsamt persönliche Dienste - Gastgewerbe" eingebracht. Diese Behörde wäre gemäß §20 Abs1 leg. cit. zur Entscheidung nur berufen gewesen, wenn über die Erteilung der Bewilligung entweder in einem Normalverfahren oder in einem vereinfachten Verfahren gemäß §12 oder in einem erschwerten Verfahren gemäß §4 Abs6 zu entscheiden gewesen wäre, im letzteren Fall aber nur dann, wenn die Voraussetzungen gemäß §4 Abs3 nicht gegeben gewesen wären.
Keiner dieser Fälle lag in concreto vor. Wie sich aus den unter Punkt II.2. dargelegten Überlegungen ergibt, war die Beschäftigungsbewilligung in einem erschwerten Verfahren gemäß §4 Abs6. AuslBG zu erteilen; das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §4 Abs3 hielt das Facharbeitsamt für gegeben. Es hätte daher nicht in der Sache selbst entscheiden dürfen; vielmehr hätte es gemäß §19 Abs1 AuslBG zwar den Antrag entgegenzunehmen, jedoch gemäß §6 AVG dem Landesarbeitsamt vorzulegen gehabt. Dies hat das Arbeitsamt aber nicht getan, sondern vielmehr selbst über den Antrag entschieden und damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm von Gesetzes wegen nicht zusteht.
b) Diese gesetzwidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch das Facharbeitsamt hat sich auch im Instanzenzug ausgewirkt, und zwar so, daß im Ergebnis der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde:
Über die gegen die Entscheidung des Arbeitsamtes erhobene Berufung hat das Landesarbeitsamt entschieden. Die gesetzwidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur erstinstanzlichen Entscheidung hat somit bewirkt, daß das Landesarbeitsamt anstatt als erstinstanzliche Behörde zu entscheiden als Berufungsbehörde tätig wurde. In diesem Hinzufügen einer Instanz allein läge freilich noch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Denn, wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist dieses Grundrecht dann nicht verletzt, wenn eine Behörde von Gesetzes wegen als erste und einzige Behörde zu entscheiden hat, vor ihr aber eine unzuständige Behörde eingeschritten ist und demzufolge die Sachentscheidung der alleinigen Instanz in Form einer Berufungsentscheidung erging (vgl. zB VfSlg. 2436/1952, 3730/1960, 3755/1960, 4620/1963, 5807/1968, 7508/1975).
Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Durch die spezifische Konstruktion der Behördenzuständigkeit im AuslBG hat nämlich die Inanspruchnahme der erstinstanzlichen Zuständigkeit durch das Facharbeitsamt und der zweitinstanzlichen Zuständigkeit durch das Landesarbeitsamt eine Veränderung des Instanzenzuges bewirkt:
Hätte nämlich das Landesarbeitsamt, wie das für den vorliegenden Fall richtig gewesen wäre, als Behörde erster Instanz entschieden, so wäre dem Beschwerdeführer gemäß §20 Abs4 AuslBG die Berufung an den Bundesminister für soziale Verwaltung offengestanden. Dadurch aber, daß das Landesarbeitsamt fälschlicherweise als Berufungsbehörde eingeschritten ist, wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Berufung gegen die Entscheidung des Landesarbeitsamtes an den Bundesminister genommen, weil §20 Abs3 AuslBG für den Fall einer Entscheidung des Landesarbeitsamtes als zweite Instanz eine Berufung an den Bundesminister ausdrücklich ausschließt.
c) Dadurch, daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde entschieden hat, wurde somit der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug an den Bundesminister für soziale Verwaltung abgeschnitten, wodurch der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt nämlich ua. dann vor, wenn der vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist (vgl. VfSlg. 7508/1975), wenn also eine vom Gesetz berufene Behörde von der Entscheidung ausgeschlossen wird (vgl. VfSlg. 5013/1965). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers weiter einzugehen war.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung, Verwaltungsverfahren, Instanzenzug, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Behördenzuständigkeit, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B632.1978Dokumentnummer
JFT_10198977_78B00632_00