Index
32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / StaatsangehörigkeitLeitsatz
Grunderwerbsteuergesetz 1955, gleichheitswidrige Auslegung des §4 Abs1 Z3Spruch
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Alpen-Cottage Wohnungseigentumsgesellschaft mbH verkaufte mit Vertrag vom 15. Feber 1973 40.359/100.000 Anteile der zuvor in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaft Parzelle 452/11, KG H., an O. N. Gegenstand dieses Kaufvertrages waren ideelle Liegenschaftsanteile, die zur Begründung von Wohnungseigentum an Geschäftslokalen eines geplanten Gebäudes notwendig waren.
In der Folge wurde von den beiden Miteigentümern der Liegenschaft, der Alpen-Cottage Wohnungseigentumsgesellschaft mbH und O. N., einer Baufirma der Auftrag zur Errichtung eines Objektes erteilt, das im Keller und im Erdgeschoß einen Geschäftsteil und in den Obergeschoßen Wohnungen enthält. Für die beiden, auf den Geschäftsteil einerseits und den Wohnteil andererseits entfallenden Teile wurde eine getrennte Abrechnung der Errichtungskosten vereinbart.
Nach Baubeginn verkaufte die Alpen-Cottage Wohnungseigentumsgesellschaft mbH Miteigentumsanteile an der in Rede stehenden Liegenschaft, an denen nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 Wohnungseigentum begründet werden sollte, an die Beschwerdeführer. Für diese Erwerbsvorgänge beantragten die Beschwerdeführer Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach §4 Abs1 Z3 litb GrEStG.
2. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 2. April 1979 (betr. die Beschwerdeführer G. und L.V.), vom 5. April 1979 (betr. die Beschwerdeführer Dr. F. und I. K. und W. R.), vom 21. April 1979 (betr. die Beschwerdeführer Dr. A. B., W. G., W. V. und Dr. E. Z.) und vom 23. April 1979 (betr. die Beschwerdeführer Mag. I. D., H. M., I. O., E. R., M. Sch., L. St., R. T., Dr. A. W. und Dr. H. Z.) wurde den Beschwerdeführern für diese Erwerbsvorgänge Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. In der Begründung der angefochtenen Bescheide wird ausgeführt, daß auf dem gegenständlichen Grundstück von der Alpen-Cottage Wohnungseigentumsgesellschaft mbH und O. N. gemeinsam ein Gebäude errichtet worden sei. Da somit die Errichtung durch einen Bauträger erfolgte, der als Zusammenschluß einer nach §4 Abs1 Z3 GrEStG begünstigten Person und einer nichtbegünstigten Person anzusehen sei, könne die beantragte Steuerbegünstigung nicht gewährt werden.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden. Die unter B233a, b, c/79 protokollierte Beschwerde richtet sich gegen die die Beschwerdeführer K., R. und V. betreffenden Bescheide vom 2. und 5. April 1979; die unter B269 - 281/79 protokollierte Beschwerde gegen die die übrigen Beschwerdeführer betreffenden Bescheide vom 21. und 23. April 1979. Die Beschwerdeführer Mag. I. D., W. G., Dr. F. K., I. K., H. M., I. O., E. R., W. R., R.T., G. V., L. V., W. V., Dr. A. W., Dr. H. Z. und E. Z. behaupten die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, die Beschwerdeführer Dr. A. B., M. Sch. und L. St. (sie sind nicht österreichische Staatsbürger) behaupten die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes. Alle Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, allenfalls die Abtretung der Beschwerden an den VwGH.
Die belangte Behörde hat in Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.
4. Der VfGH hat die Verfahren gemäß §§187 und 404 ZPO in Verbindung mit §35 VerfGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die angefochtenen Bescheide stützen sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes und verneinen für die in Rede stehenden Rechtsvorgänge das Vorliegen der Befreiungstatbestände nach §4 Abs1 Z3 GrEStG.
Gemäß §4 Abs1 Z3 GrEStG sind folgende Rechtsvorgänge von der Besteuerung nach diesem Gesetz ausgenommen:
"3. beim Wohnungseigentum
a) der Erwerb eines Grundstücksanteiles von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum oder von einem gemeinnützigen Bauträger durch eine Person, die zur Schaffung eines Wohnhauses und zur Begründung des Wohnungseigentums den Grundstücksanteil erwirbt,
b) der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lita genannte Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hat, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwirbt."
2. a) Die Beschwerdeführer Mag. I. D., W. G., Dr. F. K., I. K., H. M., I. O., E. R., W. R., R. T., G. V., L. V., W. V., Dr. A. W., Dr. H. Z. und E. Z. behaupten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein.
Dieses Grundrecht kann nach der ständigen Judikatur des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt werden, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht, wenn die Behörde einer dem Bescheid zu Grunde gelegten Rechtsvorschrift einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn die Vorschrift - ihre Gleichheitswidrigkeit bewirken würde oder wenn die Behörde Willkür geübt hat (vgl. VfSlg. 7453/1974; VfGH 5. 3. 1979 B157/78).
b) In den Beschwerden wird ausdrücklich ausgeführt, daß die die Bescheide tragenden Rechtsvorschriften verfassungsrechtlich unbedenklich seien. Auch beim VfGH sind unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles derartige Bedenken nicht entstanden (vgl. auch VfSlg. 5477/1967).
c) Die Beschwerdeführer behaupten aber, die belangte Behörde habe der Befreiungsvorschrift des §4 Abs1 Z3 litb GrEStG fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
aa) Die belangte Behörde wies die Anträge um Grunderwerbsteuerbefreiung im wesentlichen mit dem Argument ab, Voraussetzung für die Gewährung der beantragten Steuerbefreiung sei, daß ein Wohnhaus ausschließlich von einer begünstigten Vereinigung oder einem gemeinnützigen Bauträger geschaffen worden sei. Im vorliegenden Fall aber hätten das in Rede stehende Wohnhaus die Firma Alpen-Cottage Gesellschaft mbH und O. N., somit eine nicht begünstigte Einzelperson und eine begünstigte Vereinigung gemeinsam errichtet. Die nunmehrigen Käufer hätten somit Grundstücksanteile von einer begünstigten Vereinigung als Ersterwerber zur Begründung von Wohnungseigentum erworben, auf dem Grundstück habe aber die begünstigte Vereinigung nur einen Teil des Wohnhauses geschaffen.
bb) Die Beschwerdeführer hielten dem entgegen, daß die gesetzliche Formulierung "ein Wohnhaus geschaffen", nicht ausschließe, daß an der Schaffung neben der veräußernden Vereinigung noch andere als Bauführer beteiligt gewesen seien. Die von der Behörde vorgenommene Interpretation der Befreiungsbestimmung sei zwar vom Gesetz gedeckt, führe aber zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis:
Der Gesetzgeber unterscheide nämlich im Bereich der Grunderwerbsteuerbefreiung von Wohnungseigentum zwei Modelle der Schaffung von Wohnungseigentum durch Bauführung, nämlich einerseits (lita) durch die Käufer allein, andererseits (litb) durch eine begünstigte Vereinigung allein. Im gegenständlichen Fall liege eine Mischung dieser beiden Modelle vor. Das gegenständliche Wohnhaus sei im Verhältnis Alpen-Cottage Gesellschaft mbH zum Käufer N. nach dem Modell lita errichtet und im Verhältnis Alpen-Cottage Gesellschaft mbH zu den Beschwerdeführern nach dem Modell litb verkauft worden.
Würde nun für eine Befreiung nach litb verlangt, daß die begünstigte Vereinigung allein das Wohnhaus schafft, dann wäre bei Mischmodellen die Befreiung nicht möglich. Diese Benachteiligung von "Mischmodellen" gegenüber den reinen Modellen nach lita und litb und damit die Differenzierung von Käufern innerhalb ein- und desselben Wohnhauses sei unsachlich. Es existiere kein vernünftiger, sachbezogener und damit sachlicher Grund für eine solche Differenzierung. Auch bei einem Mischmodell werde der Zweck der Befreiungsbestimmungen nämlich ungeschmälert verwirklicht.
cc) Die belangte Behörde erwiderte, daß es - wie sich aus der Rechtsprechung des VwGH ergebe - nach dem Gesetz unabdingbare Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach §4 Abs1 Z3 litb GrEStG sei, daß ein Wohnhaus ausschließlich von einem gemeinnützigen Bauträger bzw. einer begünstigten Vereinigung geschaffen wurde. Daher entspreche das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Mischmodell nicht dem Gesetz. Erfolge daher die Errichtung eines Wohnhauses mit Eigentumswohnungen durch Zusammenschluß (in welcher Rechtsform auch immer) einer begünstigten Vereinigung mit einer nicht begünstigten (hier natürlichen) Person, so seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung hinsichtlich des gesamten Wohnhauses nicht gegeben. Im übrigen seien die Befreiungsbestimmungen des §4 GrEStG nicht ausdehnend auszulegen. Auf die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Argumente, daß eine solche Interpretation dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle, ging die belangte Behörde nicht weiter ein.
dd) Es ist der belangten Behörde zuzugestehen, daß sie sich bei ihrer Argumentation auf die Judikatur des VwGH stützen kann. In den Erk. Z 1159, 1161, 1163, 1165, 1167, 1169/76 v. 23. November 1977 und Z 976/76 v. 28. April 1978 hat der VwGH die in Rede stehende Begünstigungsbestimmung für den Erwerb von Liegenschaftsanteilen als dann nicht in Frage kommend bezeichnet, wenn die Errichtung eines Wohnhauses durch Miteigentümer erfolgt ist, von denen nicht alle begünstigt iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG waren.
Dennoch ist der VfGH der Auffassung, daß die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht sind. Hätte nämlich die in Rede stehende Befreiungsbestimmung tatsächlich den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt, so würde das bedeuten, daß Wohnungseigentümer, die ihre Wohnungen von einem begünstigten Bauträger erworben haben, der das gesamte Objekt errichtet und die Liegenschaftsanteile zur Begründung von Wohnungseigentum veräußert hat, in den Genuß der Befreiungsbestimmung kämen; hingegen bestünde bei dieser Interpretation bei ansonsten völlig gleichem Sachverhalt dann, wenn der Bauträger einen Anteil (etwa wie im vorliegenden Fall für Geschäftslokale) vor Baubeginn an einen Dritten veräußert hat, für die Wohnungseigentümer folgende Situation: Errichtet der begünstigte Bauträger für den nicht begünstigten Miteigentümer auch dessen Anteil am Gesamtobjekt und tritt er auch diesbezüglich als Bauherr auf, so kommen die (anderen) Wohnungseigentümer in den Genuß der Grunderwerbsteuerbefreiung (vgl. Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, TZ 114 u. 117 zu §4); errichten die beiden Miteigentümer aber gemeinsam, indem sie etwa zwei (aufeinander notwendigerweise abgestimmte) Aufträge erteilen und eine getrennte Baukostenabrechnung vereinbaren, so kommen die (anderen) Wohnungseigentümer nicht in den Genuß der Befreiung. Hätte das Gesetz einen derartigen Inhalt, wäre es aber nach Ansicht des VfGH gleichheitswidrig, da diese Differenzierung hinsichtlich der die vom begünstigten Bauträger erwerbenden Wohnungseigentümer treffenden Rechtsfolgen in keiner sachlichen Relation zum Zweck der Norm, nämlich der Begünstigung der Schaffung von Wohnraum zur Begründung von Wohnungseigentum stünde. Das Erfordernis der verfassungskonformen Interpretation (vgl. VfSlg. 8011/1977, 8352/1978, 8468/1978) verlangt vielmehr, daß einem Gesetz im Zweifel kein Inhalt gegeben werden darf, der es verfassungswidrig erscheinen läßt.
Zu einer derartigen Interpretation zwingt aber nichts, da der mögliche Wortsinn der angewandten Befreiungsbestimmung auch eine Interpretation zuläßt, nach der es für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung darauf ankommt, daß der begünstigte Bauträger, der die mit bestimmten Wohnungen verbundenen Liegenschaftsanteile veräußert hat, eben diese Wohnungen im Zuge der Errichtung eines Wohnhauses errichtet hat. Eine solche Auslegung würde aber die gleichheitswidrigen Folgen der von der belangten Behörde herangezogenen Auslegung vermeiden: Denn so kämen Wohnungseigentümer auch dann in den Genuß der Befreiungsbestimmung, wenn neben dem begünstigten Bauträger, der hinsichtlich ihrer Wohnungen als Bauträger aufgetreten ist und von dem sie ihre Anteile erworben haben, auch ein anderer Bauträger an der Errichtung des Gesamtobjektes beteiligt gewesen sein sollte.
d) Da die Behörde somit der Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der, hätte ihn die Rechtsvorschrift, diese gleichheitswidrig machen würde, hat sie die (inländischen) Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Die diese Beschwerdeführer betreffenden Bescheide waren daher aufzuheben.
3. a) Die Beschwerdeführer Dr. A. B., M. Sch. und L. St. - sie sind nicht österreichische Staatsbürger - machen geltend, durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.
Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage (vgl. Pkt. II.2.b) kommt eine solche Verletzung nur in Betracht, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet, also einen so schweren Fehler begangen hat, daß dieser einer Gesetzlosigkeit gleichkommt.
b) Die belangte Behörde ist, wie die vorstehenden Ausführungen (Punkt II.2.c, d) zeigen, bei Auslegung des Gesetzes von einem Gesetzesinhalt ausgegangen, der das Gesetz, wenn es diesen Inhalt hätte, mit Gleichheitswidrigkeit belasten würde. Eine solche Auslegung ist nach der ständigen Judikatur des VfGH im Bereich der von ausländischen Beschwerdeführern geltend gemachten Verletzung des Eigentumsrechtes als ein einer Gesetzlosigkeit gleichkommender Fehler zu werten (vgl. VfSlg. 5683/1968, 8011/1977; VfGH 6. 3. 1979 B269/76)
c) Es waren daher auch die Dr. A. B., M. Sch. und L. St. betreffenden Bescheide aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsmaßstab, Grunderwerbsteuer, Wohnungseigentum, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B233a.1979Dokumentnummer
JFT_10198977_79B00233_00