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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Strafregistergesetz 1968; keine Bedenken gegen §2 Abs1 Z2 und §2 Abs3 im Hinblick auf Art6 MRK; keine Willkür; kein Verstoß gegen Art6 MRKSpruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Die Beschwerdeführer sind österreichische Staatsbürger. Sie wurden mit rechtskräftigem Urteil des Appellationsgerichtes Florenz vom 1. Dezember 1971, Z 7/71, wegen mehrerer in den Jahren 1966 und 1967 in Italien begangener Taten zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Sie waren des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit, der boshaften Sachbeschädigung und der Gefahr für Leben und Gesundheit (Art285, 422, 110, 81 CP - des Italienischen Strafgesetzes), eines Attentates auf einen Hochspannungsmast (Art433, 110, 61/2 CP) zusammen mit einer bewaffneten Bande (Art306, 110 CP), der Beschwerdeführer Dr. N. B. darüber hinaus auch der "Beschimpfung eines Leichnams" (Art410 CP) schuldig erkannt worden.
b) Diese Verurteilungen wurden den österreichischen Behörden im Wege des Strafnachrichtenaustausches aufgrund des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. 41/1969, bekannt. Die Verurteilungen wurden gemäß §2 Abs1 Z2 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. 277, idF der Nov. BGBl. 101/1972 und 797/1974 (in der Folge kurz: StrafregG), in das österreichische Strafregister aufgenommen.
c) Beide Beschwerdeführer beantragten, gemäß §8 StrafregG festzustellen, daß diese Eintragungen in das Strafregister unzulässig gewesen und daher rückgängig zu machen seien.
Der Bundesminister für Inneres stellte mit Bescheiden vom 22. Feber 1979 (betreffend den Beschwerdeführer Dr. E. H.) und vom 8. März 1979 (betreffend den Beschwerdeführer Dr. N. B.) fest, daß die Aufnahme der vom Appellationsgericht Florenz unter Zahl 7/71 ausgesprochenen (oben näher ausgeführten) Verurteilungen "zulässig war und daher zu Recht besteht".
2. Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen ausdrücklich die Verletzung des durch Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes und der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (des §2 Abs1 Z2 StrafregG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, allenfalls die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach §2 Abs1 Z2 StrafregG sind in das Strafregister aufzunehmen "alle rechtskräftigen Verurteilungen österreichischer Staatsbürger und solcher Personen, die in Österreich ihren Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt haben, durch ausländische Strafgerichte".
Nach §2 Abs3 leg. cit. ist als Verurteilung iS dieses Bundesgesetzes "jedes Erkenntnis anzusehen, mit dem wegen einer nach österreichischem Recht von den Gerichten nach der Strafprozeßordnung 1960 abzuurteilenden Handlung in einem den Grundsätzen des Artikels 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, entsprechenden Verfahren über eine Person eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme verhängt wird oder doch ein Schuldspruch ergeht".
§8 StrafregG lautet auszugsweise:
"(1) Jede Person, hinsichtlich der eine Verurteilung ... in das Strafregister aufgenommen worden ist, kann die Feststellung beantragen, daß die Aufnahme in das Strafregister unrichtig erfolgte und unzulässig war und daher mit einem anderen Inhalt zu erfolgen hat oder rückgängig zu machen ist. ...
(2) Der Antrag gemäß Abs1 ist beim Bundesministerium für Inneres einzubringen, das hierüber zu entscheiden hat.
(3) Wird einem Antrag gemäß Abs1 ganz oder teilweise Folge gegeben, so ist das Strafregister zu berichtigen."
2. Die Beschwerden werden im wesentlichen gleich wie die seinerzeit an die belangte Behörde gerichteten Anträge begründet, nämlich damit, daß den Beschwerdeführern vor ihrer Verurteilung keine Anklageschrift zugestellt worden und daß ihnen eine Urteilsausfertigung nicht zugegangen sei, daß sie keinen Verteidiger ihrer Wahl gehabt hätten und der für sie bestellte Pflichtverteidiger mit ihnen nicht Verbindung aufgenommen habe sowie daß das Urteil des italienischen Gerichtes auf Geständnissen beruhe, die durch Folter zustandegekommen seien. Die Verurteilungen der Beschwerdeführer seien wegen Taten erfolgt, die politisch motiviert gewesen seien; auch deshalb sei ihre Eintragung in das österreichische Strafregister unzulässig gewesen.
3. a) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerdefälle gegen die die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Insbesondere hat der Gerichtshof nicht das Bedenken, daß §2 Abs1 Z2 und §2 Abs3 StrafregG gegen Art6 MRK verstoßen; dies schon deshalb, weil §2 Abs3 des zitierten Gesetzes vorschreibt, daß das der einzutragenden Verurteilung vorangegangene Verfahren der MRK entsprochen haben muß.
Auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, §2 Abs1 Z2 StrafregG stehe in Widerspruch zu den §§90, 411 und 486 StPO, ist nicht weiter einzugehen, da die Strafprozeßordnung auf derselben Stufe wie das StrafregG steht, nämlich auf der eines einfachen Bundesgesetzes; die StPO ist also kein Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des StrafregG.
b) Aus §2 Abs3 StrafregG ergibt sich, daß eine Verurteilung durch ein ausländisches Strafgericht nur dann in das österreichische Strafregister einzutragen ist, wenn die Tat auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und wenn die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art6 MRK entsprechenden Verfahren ausgesprochen wurde. Die belangte Behörde hatte also festzustellen, ob diese beiden Voraussetzungen vorliegen. Hätte sie sich nicht um eine richtige Lösung dieser Fragen bemüht, so könnte dies ein Indiz für Willkür sein.
Daß die Handlungen, deretwegen das italienische Gericht die beiden Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt hat, auch nach österreichischem Recht strafgerichtlich zu ahnden sind, wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten und bedarf keiner näheren Erörterung.
Es ist nicht willkürlich, wenn die belangte Behörde angenommen hat, es sei für die Eintragung des ausländischen Urteiles in das österreichische Strafregister unerheblich, ob die Taten der Beschwerdeführer politisch motiviert waren. Immerhin spricht der Wortlaut des §2 StrafregG für die Annahme der Behörde. Ob diese Auslegung auch richtig ist, war vom VfGH nicht zu beurteilen.
Die belangte Behörde ist zwar im Unrecht, wenn sie meint, daß bei Verurteilungen in Staaten, die die MRK ratifiziert und die Individualbeschwerde an die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof ausdrücklich zugelassen haben, ohne weitere Prüfung bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen werden könne, daß das Verfahren den Grundsätzen des Art6 MRK entsprochen habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme, es sei hier eine Umkehr der Beweislast vorgesehen, einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler darstellt. Die belangte Behörde hat nämlich aus ihrer Ausgangsposition keine Konsequenzen gezogen; sie hat sich vielmehr damit auseinandergesetzt, weshalb sie zum Schluß gekommen ist, daß die gegen die beiden Beschwerdeführer in Italien geführten Gerichtsverfahren dem Art6 MRK entsprochen haben. Zu diesem Schluß ist sie keineswegs leichtfertig gelangt. Sie löste diese Frage anhand der ihr vorliegenden Ausfertigung des Urteiles des italienischen Gerichtes. Dieses Urteil ist ausführlich, sorgfältig und schlüssig begründet. Es geht auch auf die Frage der angeblich vorgekommenen Folterungen ein und stellt im Rahmen der Beweiswürdigung fest, daß die Zeugen ihre Aussagen vor der Polizei auch vor dem Untersuchungsrichter und bei der Gerichtsverhandlung aufrecht erhalten haben. Das Gerichtsverfahren gegen die beiden Beschwerdeführer wurde zwar in ihrer Abwesenheit durchgeführt. Es war ihnen aber ein Pflichtverteidiger beigegeben. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, daß dieser seine Aufgaben nicht erfüllt habe. Sie wenden lediglich ein, er habe sich mit ihnen nicht in Verbindung gesetzt; diese gerügte Unterlassung war aber darauf zurückzuführen, daß die Beschwerdeführer flüchtig waren.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die belangte Behörde weder leichtfertig vorgegangen ist noch das Gesetz auf eine Willkür indizierende Weise denkunmöglich angewendet hat, wenn sie die Auffassung vertritt, alle Voraussetzungen des StrafregG für die Eintragung der ausländischen Verurteilungen in das österreichische Strafregister lägen vor.
c) Die Beschwerdeführer bringen noch vor, die Behörde habe in einem ähnlich gelagerten Fall anders als bei den Beschwerdeführern entschieden. Sie machen damit dem Sinne nach geltend, daß sie aus subjektiven, in ihrer Person gelegenen Gründen benachteiligt worden seien. Dies ist nicht der Fall:
In dem von den Beschwerdeführern zitierten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Feber 1975 wird die Nichteintragung des Urteils eines italienischen Strafgerichtes in das österreichische Strafregister wie folgt begründet:
"Da dem Bundesminister für Inneres keine hinreichenden Unterlagen zur Verfügung stehen, aus denen die vom Antragsteller angefochtene Konventionsgemäßheit einwandfrei hervorgehen würde und zur Beurteilung des Vorliegens der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen der Aufnahmefähigkeit der in Rede stehenden Verurteilung geeignete Unterlagen auch nicht beigeschafft werden können, ist im Zweifel für den Antragsteller zu entscheiden."
Im Gegensatz dazu stand der belangten Behörde in den beiden Beschwerdefällen das Urteil des letztinstanzlichen italienischen Gerichtes zur Verfügung. Wie oben dargetan, konnte die belangte Behörde zumindest denkmöglich allein anhand dieser Unterlage beurteilen, ob das vorangegangene Verfahren vor dem ausländischen Gericht dem Art6 MRK entsprochen hat. Allein schon wegen dieses Unterschiedes kann aus der anderslautenden Entscheidung vom 3. Feber 1975 nicht auf ein willkürliches Verhalten der Behörde in den beiden Beschwerdefällen geschlossen werden.
d) Die Beschwerdeführer sind also weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz noch in durch Art6 MRK verbürgten Rechten verletzt worden.
4. Anhaltspunkte für die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes haben sich nicht ergeben.
Die Beschwerdeführer sind auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (s. o. II.3.a).
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.
Schlagworte
Strafregister, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B145.1979Dokumentnummer
JFT_10198975_79B00145_00