TE Vfgh Beschluss 1980/10/25 WI-37/80

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Veröffentlicht am 25.10.1980
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z1
B-VG Art141 Abs1 lita
Nö GdWO 1974 §57 Abs6
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Nö. Gemeindewahlordnung 1974; Aufhebung einer Gemeinderatswahl; Verhältnis des §57 Abs6 dieses Gesetzes zu §68 Abs1 VerfGG 1953; nur ein die Wahl beendender Bescheid kann nach Art141 B-VG angefochten werden

Spruch

Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Am 23. März 1980 fanden in Reichenau an der Rax Gemeinderatswahlen statt.

2. Die anfechtende Wählergruppe Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) bringt vor, daß bei dieser Gemeinderatswahl neben ihr noch die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) als wahlwerbende Parteien auftraten und daß das Wahlergebnis lautete: SPÖ: 1321; ÖVP: 1247; FPÖ: 27.

3. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Wählergruppe ÖVP Reichenau an der Rax hat die Gemeinderatswahl mit der Begründung angefochten, daß seiner Meinung nach 213 Personen das Wahlrecht von der Gemeindewahlbehörde in rechtswidriger Weise verweigert worden sei.

Die Landes-Hauptwahlbehörde hat mit Bescheid vom 15. September 1980, Z II/1-371/2-80, der am 17. September 1980 dem Bürgermeister von Reichenau an der Rax als Vorsitzenden der Gemeindewahlbehörde zugestellt wurde, der Beschwerde Folge gegeben und das Wahlverfahren ab dem Zeitpunkt der Anlegung der Wählerverzeichnisse behoben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art141 B-VG und §§67 ff. VerfGG gestützte Wahlanfechtung, in der die "Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gemäß §70 VerfGG" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß Art141 B-VG und §67 Abs1 VerfGG erkennt der VfGH ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern; die Anfechtung kann wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erhoben werden. Sie hat den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten.

Gemäß §67 Abs2 VerfGG ist zur Wahlanfechtung jede Wählergruppe legitimiert, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt hat, uzw. durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter.

§68 Abs1 VerfGG bestimmt, daß die Wahlanfechtung binnen 4 Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen 4 Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein muß. Eine solche Überprüfung des Wahlergebnisses durch die Landes-Hauptwahlbehörde ist in §57 Nö. Gemeindewahlordnung 1974, LGBl. 0350-1, vorgesehen. Mit einer auf eine solche Überprüfung abzielenden Beschwerde kann gemäß §51 Abs1 leg. cit. nicht nur die Unrichtigkeit der Ermittlung behauptet werden; vielmehr dient dieses dem verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelagerte administrative Wahlprüfungsverfahren auch der Überprüfung angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren.

§57 Abs6 Nö. Gemeindewahlordnung 1974, bestimmt:

"Gegen die Entscheidung der Landes-Hauptwahlbehörde kann der VfGH angerufen werden (Art141, Bundesverfassungsgesetz)."

Im Hinblick auf den Wortlaut dieser Bestimmung, die Kompetenzlage und die Zitierung des Art141 B-VG im Text der Regelung ist der VfGH der Auffassung, daß dieser Bestimmung kein über §68 Abs1 VerfGG hinausgehender Inhalt beizumessen ist, daß es sich vielmehr nur um eine narrative Wiederholung der sich aus §68 Abs1 VerfGG ergebenden Anfechtungsbefugnis handelt.

2. Der VfGH hat in seinem Beschluß VfSlg. 6306/1970 die Zuständigkeitsvoraussetzung der Beendigung des Wahlverfahrens, wie sie in der wiedergegebenen Bestimmung des §68 Abs1 VerfGG formuliert ist, so verstanden, daß sie es nur ermöglicht, ein abgeschlossenes Wahlverfahren anzufechten. Hingegen hat er einen den Wahlakt (damals: die Wahl des Bürgermeisters einer Gemeinde im Bundesland Steiermark) aufhebenden Bescheid der obersten Instanz (damals: der Landesregierung) als "verfahrensrechtlichen Zwischenbescheid" qualifiziert, dem keine die Rechtmäßigkeit des endgültigen Wahlausgangs präjudizierende Rechtskraft zukomme. Darüber, ob er rechtmäßig ergangen sei, habe der VfGH erst bei einer Entscheidung über die Anfechtung der Wahl selbst zu erkennen. Nach Art141 B-VG könnten nur "Wahlen" angefochten werden. Der damals angefochtene Bescheid wurde aber nicht als ein eine Wahl beendender Bescheid angesehen; eine Bekämpfung dieses Bescheides schien dem VfGH im Rahmen einer Wahlanfechtung daher unzulässig.

Gleichartige Überlegungen führen den VfGH auch im vorliegenden Fall zum Ergebnis, daß der angefochtene Bescheid der Nö. Landes-Hauptwahlbehörde einer gesonderten Wahlanfechtung nicht zugänglich ist.

3. Da somit der bekämpfte Bescheid kein das Wahlverfahren iS des §68 Abs1 VerfGG beendender Bescheid ist, nach den gesetzlichen Zuständigkeitsvoraussetzungen für eine verfassungsgerichtliche Wahlprüfung jedoch nur ein derartiger Bescheid Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein kann, liegt der Anfechtung kein tauglicher Anfechtungsgegenstand zu Grunde. Der Antrag war daher wegen Unzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Schlagworte

GVfGH / Wahlanfechtung, Wahlanfechtung administrative, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:WI37.1980

Dokumentnummer

JFT_10198975_80WI0037_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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