TE Vfgh Erkenntnis 1980/11/28 B260/77

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Veröffentlicht am 28.11.1980
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/13 Studienförderung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
AVG §26 Abs1
StudFG 1969 §2
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Studienförderungsgesetz, keine Bedenken gegen §2 Abs1 litb sowie gegen die Studienerfolgsverordnung des Professorenkollegiums der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck vom 21. 10. 1971 idF vom 6. 11. 1974; kein gleichheitswidriger Gesetzesvollzug

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Der Beschwerdeführer studierte im Wintersemester 1975/76 an der damaligen Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck Betriebswirtschaftslehre. Er war vom Wintersemester 1972/73, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, Reisereferent der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Innsbruck. Die erste Diplomprüfung hatte er im Sommersemester 1973 abgelegt. Im Wintersemester 1975/76 war er sohin im 5. Semester des zweiten Studienabschnittes.

Am 19. Dezember 1975 suchte er um Gewährung einer Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz, BGBl. 421/1969, idF der Nov. BGBl. 182/1974 (StudFG), an.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 6. August 1976 wurde dieser Antrag gemäß §2 Abs1 litb StudFG abgewiesen.

b) Der Berufungsbescheid wurde dem - anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer persönlich am 10. September 1976, seinem Rechtsvertreter aber erst am 14. Juni 1977 zugestellt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, am 26. Juli 1977 zur Post gegebene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Verordnung des damaligen Professorenkollegiums der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck vom 21. Oktober 1971 über den Nachweis eines günstigen Studienerfolges in der betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Studienrichtung idF der Verordnung des damaligen Professorenkollegiums vom 6. November 1974 - im folgenden kurz: StudienerfolgsV) behauptet. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, allenfalls aber die Beschwerde nach Art144 Abs2 B-VG dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Vorschrift des §26 Abs1 AVG zunächst nicht dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, sondern - am 10. September 1976 - dem Beschwerdeführer direkt und erst am 14. Juni 1977 seinem Rechtsvertreter zugestellt worden. Bei aufrechtem Bestand einer Zustellvollmacht kann nach §26 Abs1 AVG nicht an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden (vgl. zB VwGH 10. 11. 1969 Z 1285/69; 5. 12. 1977 Z 969, 970/77; VfSlg. 7385/1974).

Die am 26. Juli 1977 zur Post gegebene Verfassungsgerichtshofsbeschwerde wurde sohin rechtzeitig erhoben.

2. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. a) Nach §2 Abs1 litb StudFG ist eine der Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe, daß der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist.

Dem §2 Abs3 litb StudFG zufolge besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe unter anderem nicht, wenn ein Studierender die zur Ablegung einer Diplomprüfung vorgesehene Studienzeit ohne wichtigen Grund um mehr als ein Semester überschritten hat, bis zur erfolgreichen Ablegung dieser Prüfung.

Gemäß §13 Abs4 des Hochschülerschaftsgesetzes 1973, BGBl. 309 (HochschG), sind Zeiten als Studentenvertreter bis zum Höchstausmaß von vier Semestern zur Erlangung von Studienbeihilfen und Begabtenstipendien nach dem StudFG nicht in die darin vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen.

§5 StudFG legt fest, wie der Nachweis eines günstigen Studienerfolges zu erbringen ist; zB dem §5 Abs1 litd zufolge nach dem vierten Semester des zweiten Studienabschnittes durch Zeugnisse.

Nach §5 Abs2 ist das Nähere unter Berücksichtigung der besonderen Studiengesetze, Studienordnungen und Studienpläne von der zuständigen akademischen Behörde durch Verordnung zu bestimmen, die der Genehmigung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung bedarf.

b) Eine derartige Verordnung wurde vom damaligen Professorenkollegium der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck für die Studienrichtung Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft erlassen, nämlich die oben unter I.2. erwähnte StudienerfolgsV.

Der hier maßgebliche §8 dieser Verordnung lautet:

"Ordentliche Hörer, die sich im 5. anrechenbaren Semester des zweiten Studienabschnittes befinden, erbringen den Nachweis des günstigen Studienerfolges entweder durch die Vorlage des Zeugnisses der 2. Diplomprüfung mit der Mindestnote 'bestanden', oder falls diese noch nicht abgelegt ist, durch die Vorlage aller Zeugnisse mit mindestens 'genügendem' Erfolg über Übungen oder Seminare, die zur Zulassung zur

2. Diplomprüfung erforderlich sind."

Diese Verordnungsbestimmung blieb durch die mit Beschluß des Professorenkollegiums vom 6. November 1974 erfolgte Novellierung unberührt. Diese Nov. bezieht sich lediglich auf §5 und §10 litb der Verordnung, die den ersten Studienabschnitt und das Doktoratsstudium zum Gegenstand haben.

Wie sich aus dem vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung vorgelegten Verordnungsakt ergibt, wurde die Stammverordnung iS des §5 Abs2 StudFG vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung genehmigt. Sie wurde auf eine dem §25 Abs10 des Hochschul-Organisationsgesetzes, BGBl. 154/1955, in der vor dem Inkrafttreten der Nov. BGBl. 151/1972 geltenden Fassung, entsprechende Weise kundgemacht, nämlich durch Aushang an der Anschlagtafel des Dekanates der damaligen Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck.

Der Beschwerdeführer behauptet, die StudienerfolgsV stimme nicht mit den die betriebswirtschaftliche Studienrichtung betreffenden Studienvorschriften überein. Er legt aber nicht dar, worin dieser Widerspruch bestehen soll. Der VfGH kann einen solchen Widerspruch (insbesondere zu §2 des Bundesgesetzes vom 15. Juli 1966, BGBl. 179, über sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Studienrichtungen idF der Nov. BGBl. 152/1972 und §2 der betriebswirtschaftlichen Studienordnung, BGBl. 100/1967 idF der Nov. BGBl. 367/1971 und 106/1973), nicht erkennen.

c) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles weder gegen die StudienerfolgsV noch gegen die anderen, bei Bescheiderlassung angewendeten Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken. Der Beschwerdeführer ist sohin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

2. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8002/1977) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz einen Inhalt unterstellt hätte, der - hätte ihn das Gesetz - dieses mit Gleichheitswidrigkeit belasten würde, oder wenn die Behörde willkürlich vorgegangen wäre. Willkür liegt nicht nur dann vor, wenn die Behörde absichtlich Unrecht zufügt, sondern auch dann, wenn der Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde, nicht aber, wenn die Behörde - ungeachtet des Erfolges ihrer Bestrebungen - bemüht war, das Gesetz richtig anzuwenden (vgl. zB VfSlg. 7107/1973 und 7527/1975).

b) Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Referent der Österreichischen Hochschülerschaft (Studentenvertreter iS des §13 Abs4 HochschG) nur eine Studienzeitüberschreitung rechtfertige, nicht aber das Fehlen eines günstigen Studienerfolges. Der Beschwerdeführer habe als Studierender im fünften Semester des zweiten Studienabschnittes einen Leistungsnachweis über das letztvergangene Studienjahr nicht erbracht.

c) Der Beschwerdeführer bestreitet diese von der Behörde angenommene Tatsache nicht, sondern begründet seine Behauptung, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, im wesentlichen wie folgt:

§2 Abs3 StudFG habe "den Zweck, daß diejenigen Studierenden, die durch wichtige Gründe an der Erbringung des Nachweises des Studienerfolges gehindert sind, den Anspruch auf Studienbeihilfe nicht verlieren. Die Einschränkung dieser gesetzlichen Bestimmung auf die Frage der Studienzeitüberschreitung sei weder in der Absicht des Gesetzgebers gelegen noch entspreche diese Auslegung dem Sinn des Gesetzes".

Das StudFG sei verfassungskonform im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes auszulegen. Der Beschwerdeführer übe die Tätigkeit eines Studentenvertreters iS des HochschG aus. Mit dieser Tätigkeit sei üblicherweise nicht nur eine Überschreitung der Studienzeit, sondern auch die Nichterreichung des Studienerfolges während der Funktionsdauer als Studentenvertreter verbunden. Die negativen Folgen der Studienzeitüberschreitung seien durch §13 Abs4 HochschG beseitigt worden. Die negativen Folgen durch die Nichterreichung des Studienerfolges hingegen sollten durch §2 Abs3 StudFG vermieden werden. Der bekämpfte Bescheid verletze dadurch den Gleichheitsgrundsatz, "daß nach der in diesem Bescheid zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung letztlich nur Studenten, die nicht iS des §2 Abs1 lita StudFG sozialbedürftig sind, sich ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage ihres Studiums um das Amt eines Studentenvertreters bewerben könnten".

d) Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers hat den VfGH nicht von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Bereiche der Vollziehung überzeugt:

Der Beschwerdeführer behauptet ausschließlich, die belangte Behörde hätte auf den Nachweis eines günstigen Studienerfolges verzichten müssen, weil er aus wichtigen Gründen (nämlich wegen seiner Tätigkeit als Reisereferent der Österreichischen Hochschülerschaft) daran gehindert gewesen sei, einen solchen Erfolg zu haben.

Damit wird aber kein gleichheitswidriger Gesetzesvollzug dargetan:

Der Wortlaut des §2 Abs1 StudFG läßt die Auslegung der belangten Behörde zu, daß ein günstiger Studienerfolg ausnahmslos Voraussetzung für die Zuerkennung der Studienbeihilfe ist (vgl. VwGH 13. 2. 1975, Z 2030/74, in dem ausgeführt wird, daß die im §2 Abs3 StudFG angeführten wichtigen Gründe nicht von der Erfüllung der positiven Anspruchsvoraussetzungen des §2 Abs1 StudFG entheben, sondern nur die für einen sonst bestehenden Anspruch negativen Folgen einer Studienzeitüberschreitung beseitigen).

Es indiziert aber auch die Annahme der Behörde keine Willkür, daß die Bestimmungen des §2 Abs3 litb und vorletzter Satz StudFG (wonach bei Vorliegen näher definierter wichtiger Gründe eine Verlängerung der Studiendauer dem Anspruch auf Studienbeihilfe keinen Abbruch tut) nicht - wie der Beschwerdeführer offenbar annimmt - analog auch für den Nachweis des günstigen Studienerfolges anzuwenden seien. Eine solche Gesetzesauslegung verlangt auch nicht das Gebot der verfassungskonformen Interpretation. Die belangte Behörde hat dem Gesetz offenbar den Inhalt unterstellt, daß zwar die vorgesehene Studienzeit bei Vorliegen wichtiger Gründe verlängert werde, daß aber trotz Vorliegens solcher Gründe auf den Nachweis des günstigen Studienerfolges nicht verzichtet werden dürfe. Der VfGH kann nicht finden, daß der Gesetzgeber die ihm zukommende rechtspolitische Gestaltungsfreiheit mißbraucht hätte, wenn das Gesetz diesen ihm von der belangten Behörde unterstellten Inhalt haben sollte. Es wäre nämlich sachlich begründbar, wenn selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes iS der oben zitierten Bestimmungen des StudFG für die Zuerkennung der Studienbeihilfe wenigstens ein gewisser Studienerfolg - und zwar auch von einem Studentenvertreter - verlangt wird.

Der Beschwerdeführer ist sohin offenkundig nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen, von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder - wie oben unter III.1.b dargetan - wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Zustellung, Zustellbevollmächtigter, VfGH / Fristen, Hochschulen, Studienbeihilfen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B260.1977

Dokumentnummer

JFT_10198872_77B00260_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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