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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art41 ffLeitsatz
Zurückweisung der Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeitdes EU-Reformvertrags von Lissabon; noch nicht kundgemachterStaatsvertrag sowie Genehmigungsbeschluss des Nationalrates oderRatifikation keine tauglichen AnfechtungsobjekteSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof zu SV2/08 und G80/08römisch eins. 1. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof zu SV2/08 und G80/08
protokollierten "Individualantrag gemäß Art140, Art140a B-VG" begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge
"1.) eine mündliche Verhandlung anberaumen, sowie
2.) den mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) als verfassungswidrig aufheben; sowie
3.) gemäß Art140a B-VG
a) die Verfassungswidrigkeit des mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrages ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) feststellen, in eventu
b) die Verfassungswidrigkeit der Ratifikation des mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrags ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) feststellen, sowie
4.) gemäß §66 Z. 2 VfGG aussprechen, daß der gesamte mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigte Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) nicht anzuwenden ist, sowie 4.) gemäß §66 Ziffer 2, VfGG aussprechen, daß der gesamte mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigte Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) nicht anzuwenden ist, sowie
5.) den Genehmigungsbeschluss des Nationalrates vom 9.4.2008, mit dem der Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrags genehmigt wurde, als verfassungswidrig aufheben, sowie
6.) die Verletzung der Antragstellerin in ihrem verfassungsgesetzlich geschützten Recht darauf, an der gemäß Artikel 44 Absatz 3 B-VG obligatorisch abzuhaltenden Volksabstimmung über die Genehmigung des 'EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon teilzunehmen und ihr Stimmrecht dabei frei auszuüben, erkennen; sowie
7.) der Antragsgegnerin den Ersatz der Kosten auferlegen."
2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof zu SV3/08 und G81/08 protokollierten "Antrag gemäß Art140a in Verbindung mit Art140 B-VG" begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge
"gemäß Art140a B-VG
a) die Verfassungswidrigkeit des mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrags ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) feststellen,
in eventu
b) die Verfassungswidrigkeit der Ratifikation des mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrags ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) feststellen,
in eventu
c) den mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigten Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) als verfassungswidrig aufheben;
sowie
d) gemäß §66 Z. 2 VfGG aussprechen, daß der gesamte mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigte Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) nicht anzuwenden ist, d) gemäß §66 Ziffer 2, VfGG aussprechen, daß der gesamte mit Beschluß des Nationalrates vom 9.4.2008 genehmigte Staatsvertrag ('EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon) nicht anzuwenden ist,
in eventu
e) den Genehmigungsbeschluss des Nationalrates vom 9.4.2008, mit dem der Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrags genehmigt wurde, als verfassungswidrig aufheben,
in eventu
f) die Verletzung des Antragstellers in seinem verfassungsgesetzlich geschützten Recht darauf, an der gemäß Artikel 44 Absatz 3 B-VG obligatorisch abzuhaltenden Volksabstimmung über die Genehmigung des 'EU-Reformvertrag' bzw. Vertrag von Lissabon teilzunehmen und ihr Stimmrecht dabei frei auszuüben, erkennen;
sowie
g) dem Antragsteller die (...) verzeichneten Kosten zuzusprechen und
h) die Antragsgegnerin in den Ersatz der Kosten zu verfällen."
3. Zur Rechtslage:
3.1. Am 13. Dezember 2007 unterzeichneten die Vertreter der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2007 C 306, S 1 ff.). Nach Art6 Abs1 des Vertrages bedarf der Vertrag der Ratifikation durch die 27 Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt. Nach Art6 Abs2 des Vertrages tritt der Vertrag am 1. Jänner 2009 in Kraft, sofern zu diesem Zeitpunkt alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, andernfalls am ersten Tag des auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monates.
3.2. Der Nationalrat hat den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen ("Reformvertrag") mit Beschluss vom 9. April 2008 bei Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit genehmigt. Der Bundesrat hat am 24. April 2008 beschlossen, dem Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Diese Genehmigung des Vertrages von Lissabon erfolgte auf Grundlage des Art50 Abs1 Z2 iVm Abs4 B-VG idF BGBl. I 2/2008. Der Bundespräsident hat den Vertrag sodann am 28. April 2008 gemäß Art65 Abs1 B-VG ratifiziert. Die Kundmachung dieses Staatsvertrages im Bundesgesetzblatt durch den Bundeskanzler nach Art49 Abs1 B-VG ist bis zum 30. September 2008 nicht erfolgt. 3.2. Der Nationalrat hat den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen ("Reformvertrag") mit Beschluss vom 9. April 2008 bei Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit genehmigt. Der Bundesrat hat am 24. April 2008 beschlossen, dem Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Diese Genehmigung des Vertrages von Lissabon erfolgte auf Grundlage des Art50 Abs1 Z2 in Verbindung mit Abs4 B-VG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 2 aus 2008,. Der Bundespräsident hat den Vertrag sodann am 28. April 2008 gemäß Art65 Abs1 B-VG ratifiziert. Die Kundmachung dieses Staatsvertrages im Bundesgesetzblatt durch den Bundeskanzler nach Art49 Abs1 B-VG ist bis zum 30. September 2008 nicht erfolgt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der vorliegenden Anträge erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der vorliegenden Anträge erwogen:
1.1. Gemäß Art140a Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Auf die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 B-VG abgeschlossenen Staatsverträge ist dabei der Art140 B-VG anzuwenden. Beim Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft handelt es sich um einen mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 Abs1 Z2 iVm Abs4 B-VG abgeschlossenen Staatsvertrag. Die Antragslegitimation bestimmt sich sohin in sinngemäßer Anwendung der Vorgaben des Art140 B-VG. 1.1. Gemäß Art140a Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Auf die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 B-VG abgeschlossenen Staatsverträge ist dabei der Art140 B-VG anzuwenden. Beim Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft handelt es sich um einen mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 Abs1 Z2 in Verbindung mit Abs4 B-VG abgeschlossenen Staatsvertrag. Die Antragslegitimation bestimmt sich sohin in sinngemäßer Anwendung der Vorgaben des Art140 B-VG.
1.2. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch ein angefochtenes Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Bei Anträgen gemäß Art140a B-VG müssen diese Voraussetzungen in Bezug auf einen Staatsvertrag gegeben sein.
2. Weder der Staatsvertrag noch der Genehmigungsbeschluss des Nationalrates oder die Ratifikation stellen taugliche Anfechtungsobjekte im Verfahren nach Art140a bzw. Art140 B-VG dar:
2.1. Der Staatsvertrag ist - wie die Antragsteller auch selbst vorbringen - noch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden. Erst mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt liegt auch ein innerstaatlich verbindlicher Staatsvertrag vor (s. Öhlinger, Art50 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 3. Lfg., 2000, Rz 27, 92), der Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Antragsteller zeitigen könnte. In sinngemäßer Anwendung des Art140 B-VG fehlt es für die Anfechtung bzw. Prüfung nach Art140a B-VG daher bereits an einem anfechtungsfähigen "Endprodukt" (vgl. Rohregger, Art140 B-VG, in: 2.1. Der Staatsvertrag ist - wie die Antragsteller auch selbst vorbringen - noch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden. Erst mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt liegt auch ein innerstaatlich verbindlicher Staatsvertrag vor (s. Öhlinger, Art50 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 3. Lfg., 2000, Rz 27, 92), der Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Antragsteller zeitigen könnte. In sinngemäßer Anwendung des Art140 B-VG fehlt es für die Anfechtung bzw. Prüfung nach Art140a B-VG daher bereits an einem anfechtungsfähigen "Endprodukt" vergleiche Rohregger, Art140 B-VG, in:
Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht,
6. Lfg., 2003, Rz 65). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag nach seinem Art6 frühestens mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten kann und seine Kundmachung im Bundesgesetzblatt erst nach seinem völkerrechtlichen In-Kraft-Treten bzw. nach erfolgter Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten (s. Art6 Abs1 des Vertrags von Lissabon) erfolgen kann (vgl. Thienel, Art48, 49 B-VG, in:6. Lfg., 2003, Rz 65). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag nach seinem Art6 frühestens mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten kann und seine Kundmachung im Bundesgesetzblatt erst nach seinem völkerrechtlichen In-Kraft-Treten bzw. nach erfolgter Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten (s. Art6 Abs1 des Vertrags von Lissabon) erfolgen kann vergleiche Thienel, Art48, 49 B-VG, in:
Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht,
1. Lfg., 1999, Rz 26), wobei fraglich ist, ob er mit dem vom Nationalrat genehmigten Inhalt überhaupt kundzumachen sein wird.
2.2. Nach Art140 B-VG können allein Bundes- (oder Landes-)Gesetze Gegenstand der Prüfung sein. Beim angefochtenen Genehmigungsbeschluss des Nationalrates handelt es sich aber nicht um ein Bundesgesetz, das nach den Verfahrensvorschriften der Art41 ff. B-VG zustandekam. Der Beschluss ist bloßer Teil des Genehmigungsverfahrens für den Staatsvertrag und wird als solcher nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Ein die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes begründendes Anfechtungsobjekt ist daher auch insoweit nicht gegeben.
2.3. Dem Begehren der Antragsteller, die Verfassungswidrigkeit der Ratifikation des mit Beschluss des Nationalrates genehmigten Staatsvertrages festzustellen, ist zu entgegnen, dass weder aus Art140a B-VG oder Art140 B-VG noch aus anderen verfassungsgesetzlichen Vorschriften eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Ratifikation abgeleitet werden kann.
3. Die Anträge waren daher bereits aus diesen Gründen zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
EU-Recht, Völkerrecht, Staatsverträge, Kundmachung, VfGH /Staatsvertragsprüfung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH /Individualantrag, Gesetz, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:SV2.2008Zuletzt aktualisiert am
19.08.2010