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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
GewO 1973, keine denkunmögliche Auslegung des §134 Abs1 Z3 litb; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit; keine GleichheitsverletzungSpruch
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Bescheid vom 4. März 1976 gab der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie im Einvernehmen mit den Bundesministern für Inneres, für Landesverteidigung und für Auswärtige Angelegenheiten dem Ansuchen der Erstbeschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in Wien, um Erteilung einer Konzession für den Großhandel mit militärischen Waffen in einem näher bezeichneten Standort in Wien unter Berufung auf §134 Abs1 Z3 litb GewO 1973 sowie dem Ansuchen der Erstbeschwerdeführerin um Genehmigung der Bestellung des Zweitbeschwerdeführers als Geschäftsführer für die Ausübung dieses Gewerbes unter Berufung auf §39 GewO 1973 keine Folge. Dieser Bescheid, der an die Erstbeschwerdeführerin erging, wurde im wesentlichen folgendermaßen begründet:
Gemäß §134 Abs1 Z3 litb GewO 1973 erfordere die Erteilung einer Konzession für ein im §131 Abs1 angeführtes Waffengewerbe bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes die österreichische Staatsbürgerschaft der Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter und deren Wohnsitz im Inland. Im Handelsregister sei als Geschäftsführer der Konzessionswerberin nur der Zweitbeschwerdeführer eingetragen, sodaß er diese Voraussetzungen zu erfüllen habe. Aus einem von der einschreitenden Gesellschaft vorgelegten Beleg gehe hervor, daß ihr handelsrechtlicher Geschäftsführer zwei Wohnsitze habe, von denen einer im Inland (Wien) und einer im Ausland (Bonn, BRD) liege. Die Frage, ob §134 Abs1 Z3 litb bei Vorhandensein von mehr als einem Wohnsitz dahin auszulegen sei, daß alle Wohnsitze im Inland gelegen sein müßten, oder dahin, daß ein Wohnsitz im Inland genüge, lasse sich aufgrund des Gesetzeswortlautes nicht beantworten. Der Zweck der Bestimmung, der insbesondere im Schutz der Sicherheit des Staates zu suchen sei, sei aber dann nicht erfüllt, wenn die betreffende Person sowohl einen Wohnsitz im Inland als auch einen Wohnsitz im Ausland habe; es müßten vielmehr sämtliche Wohnsitze dieser Person in Österreich liegen.
Die Genehmigung zur Bestellung eines Geschäftsführers zur Ausübung eines konzessionierten Gewerbes setze voraus, daß im Zeitpunkt der Entscheidung über ein derartiges Ansuchen eine entsprechende Gewerbeberechtigung bereits bestehe oder gleichzeitig entstehe. Da dies hier nicht zutreffe, habe auch das Ansuchen um Genehmigung der Bestellung des Zweitbeschwerdeführers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer abgewiesen werden müssen.
2. Der Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie bildet den Gegenstand der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der die Beschwerdeführer eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behaupten und die Aufhebung dieses Bescheides, allenfalls die Beschwerdeabtretung an den VwGH beantragen.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde, soweit sie vom Zweitbeschwerdeführer erhoben wurde, erwogen:
1. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen an der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist (siehe den Beschluß VfSlg. 8746/1980 und die dort angeführten Judikaturnachweise). Diese Voraussetzung trifft beim Zweitbeschwerdeführer nicht zu.
Daß im Verfahren über ein Konzessionsansuchen einer anderen Rechtsperson als dem Konzessionswerber Parteistellung nicht zukommt, ist nicht erörterungsbedürftig. Dem Zweitbeschwerdeführer kommt aber auch keine Parteistellung im Genehmigungsverfahren über die Geschäftsführerbestellung zu. Antragsberechtigt in diesem Verfahren ist - wie sich aus §39 Abs5 GewO 1973 ergibt - ausschließlich der Gewerbeinhaber, und es bedürfte einer besonderen Regelung, um neben ihm einem Dritten materielle oder prozessuale Befugnisse in bezug auf dieses Antragsverfahren zuzubilligen. Solche Regelungen finden sich jedoch nur hinsichtlich der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft in den §§342 Abs1 iVm 341 Abs3 GewO 1973 (betreffend deren Anhörung) und im §344 Abs1 GewO 1973 (betreffend deren Berufungsrecht gegen bestimmte Bescheide), nicht aber bezüglich anderer Personen oder Stellen, insbesondere nicht bezüglich des gewerberechtlichen Geschäftsführers.
Daß der namhaft gemachte Geschäftsführer in diesem Genehmigungsverfahren nicht Partei ist, belegen auch die Materialien zur GewO 1973. §344 Abs2 räumt das Berufungsrecht im Falle, daß ein Ansuchen um Genehmigung der Übertragung der Ausübung des Gewerbes an einen Pächter mit der Begründung abgewiesen wird, dieser entspreche den gesetzlichen Voraussetzungen nicht, neben dem Gewerbeinhaber auch dem namhaft gemachten Pächter ein. An diese Bestimmung (in der Regierungsvorlage - 395 BlgNR XIII GP - §339 Abs2) anknüpfend, führen die Erläuternden Bemerkungen (aaO S 252 f.) nach Darlegungen über das Berufungsrecht des Pächters nämlich folgendes aus: "Da der Geschäftsführer das Gewerbe für den Gewerbeinhaber ausübt, hat der Gewerbeinhaber ein solches Interesse an der Person des Geschäftsführers, daß die Anfechtung des abweisenden Bescheides nur dann möglich sein soll, wenn sich der Gewerbeinhaber durch eigene Berufung für diese Person einsetzt ..." (- die Hervorhebung findet sich nicht im Original -).
2. Die Beschwerde war daher insoweit, als sie vom Zweitbeschwerdeführer erhoben wurde, wegen fehlender Beschwerdeberechtigung zurückzuweisen.
In diesem Umfang war auch der Eventualantrag auf Beschwerdeabtretung an den VwGH abzuweisen, weil die hiefür in Art144 Abs2 B-VG geforderte Voraussetzung einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH nicht vorliegt.
III. Soweit die Beschwerde von der Erstbeschwerdeführerin (im folgenden kurz: Beschwerdeführerin) erhoben wurde, hat der VfGH darüber erwogen:
1. Die Beschwerde ist, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Die Beschwerdeführerin bezeichnet die von ihr als verletzt angesehenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte folgendermaßen:
"Der bekämpfte Bescheid verletzt sohin verfassungsrechtlich geschützte Rechte
I. eines jeden Staatsbürgers auf Erwerb von Eigentum und seinen Fähigkeiten, seinen Neigungen und seinen Ausbildungsgraden entsprechende Freiheiten in der Wahl des Berufes und der Ausübung desselben, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen;
II. die Freiheit eines jeden Österreichers, sich frei zu bewegen und sich dort niederzulassen und Aufenthalt zu nehmen, wo er es für erforderlich hält, und
III. das Recht der Gleichheit vor dem Gesetz, bei Behandlung und Entscheidung subjektiver Berechtigungen."
Der VfGH vermeint, daß dieses - nicht sehr deutliche - Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen ist, daß die Beschwerdeführerin eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Berufswahl, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung, auf Freiheit der Niederlassung sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht.
2. In die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Berufswahl sowie auf Freiheit der Niederlassung greift der angefochtene Bescheid nicht ein. Das Eigentumsrecht kommt gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH hier nicht in Betracht, weil der Bescheid private Vermögensrechte nicht betrifft; er hat auch keinen Inhalt, gemäß dem die Befugnis der Beschwerdeführerin beschränkt wird, ihren Sitz frei zu wählen, sie also in ihrer Niederlassungsfreiheit berührt wäre. Ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Berufswahl ist begrifflich nicht möglich, da bei einer juristischen Person von einer Berufsausbildung und Berufswahl nicht gesprochen werden kann.
III. Daß der bekämpfte Bescheid in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit eingreift sowie die Möglichkeit einer Verletzung des Gleichheitsrechtes sind hingegen nicht zweifelhaft. Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des Bescheides kann gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine Verletzung des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit nur vorliegen, wenn bei der Bescheiderlassung ein Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet worden ist (s. zB VfSlg. 8309/1978), eine Verletzung des Gleichheitsrechtes, wenn die Behörde der dem Bescheid zugrundegelegten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat. Dies trifft hier jedoch insgesamt nicht zu.
Der VfGH kann nicht finden, daß die belangte Behörde die bei der Abweisung des Konzessionsansuchens herangezogene Bestimmung des §134 Abs1 Z3 litb GewO 1973 denkunmöglich ausgelegt hätte. Die Auffassung, daß im Fall von zwei Wohnsitzen derselben Person jeder dieser Wohnsitze dem in dieser Gesetzesstelle festgelegten Tatbestandsmerkmal "Wohnsitz im Inland" entsprechen muß, ist mit dem Gesetzeswortlaut durchaus vereinbar; es liegt insoweit auch kein Anhaltspunkt für eine willkürliche Gesetzeshandhabung vor. Sollte dem §134 Abs1 Z3 litb der von der belangten Behörde angenommene Inhalt zukommen, so erschiene diese Bestimmung aber auch nicht als gleichheitswidrig. Wie der VfGH schon ausgesprochen hat, kann eine unterschiedliche Behandlung österreichischer Staatsbürger danach, ob sie ihren Wohnsitz im Inland oder aber im Ausland haben, vor dem Gleichheitsgebot bestehen, sofern die Heranziehung dieses Kriteriums nicht sachfremd ist (siehe VfSlg. 7525/1975 zur Frage der unterschiedlichen Behandlung österreichischer Staatsbürger als Deviseninländer oder Devisenausländer). Im Hinblick auf die Besonderheiten des im Inland ausgeübten Waffengewerbes erschiene es dem VfGH nicht als sachfremd, wenn der Gesetzgeber zwischen Österreichern, die ausschließlich Inlandswohnsitze haben, und solchen österreichischen Staatsbürgern, die neben einem Wohnsitz im Inland auch einen Auslandswohnsitz haben, unterschiede und letztere wegen der anzunehmenden besonderen Intensität ihrer persönlichen Auslandsbeziehungen diese Gewerbeausübung nicht oder nur bei Vorliegen bestimmter Nachsichtsvoraussetzungen (s. §134 Abs2 erster Satz) gestattete.
Ist aber die Abweisung des Konzessionsansuchens unter dem Gesichtspunkt der in Rede stehenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nicht zu beanstanden, so gilt dies auch für die Ansicht der belangten Behörde, daß eine Genehmigung zur Geschäftsführerbestellung zu versagen sei, weil dies das Bestehen oder gleichzeitige Entstehen einer Gewerbeberechtigung voraussetze. In diesem Zusammenhang genügt es, auf die Bestimmung des §39 Abs5 GewO 1973 hinzuweisen, derzufolge der Gewerbeinhaber um die Genehmigung zur Geschäftsführerbestellung anzusuchen hat.
Es hat somit weder eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung noch eine solche des Gleichheitsrechtes stattgefunden.
4. Das Beschwerdeverfahren hat auch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Soweit die Beschwerde von der Erstbeschwerdeführerin ergriffen wurde, war sie abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Gewerberecht, Parteistellung Gewerberecht, Konzessionserteilung (Waffengewerbe), Waffengewerbe, Person juristische, Erwerbsausübungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Berufswahl- und BerufsausbildungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B207.1976Dokumentnummer
JFT_10198871_76B00207_00