TE Vfgh Beschluss 1980/11/29 V47/76

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Veröffentlicht am 29.11.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Art139 B-VG, Individualantrag auf Aufhebung des "Aufbauplanes Nr. 1" und der "Änderung Teilverbauungsplan 'Ortskern' Ausschnitt" der Gemeinde Westendorf vom 18. Juni 1976; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Der Bürgermeister der Gemeinde W., Tirol, erteilte mit Bescheid vom 25. Feber 1972 J. Z. und J. M. die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf den Grundstücken 14, 15 und 28 der KG W.; die vom Antragsteller dieses Verordnungsprüfungsverfahrens erhobene Einwendung, die im Lageplan ausgewiesene Grundgrenze zwischen ihm als Anrainer und den Bauwerbern sei unrichtig, wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen, die weitere Einwendung, daß der Grenzabstand von 4 m zu seinem Grundstück nicht eingehalten sei, zurückgewiesen. Eine Berufung des Antragstellers blieb erfolglos. Aus Anlaß der von ihm sodann ergriffenen Vorstellung hob die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 8. Oktober 1973 den gemeindebehördlichen Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan. Die Vorstellungsbehörde begründete diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die im gemeindebehördlichen Bescheid vertretene Rechtsansicht, es sei nicht Sache der Gemeinde, die Besitz- und Grenzverhältnisse zu klären, damit, daß die Baubehörde zweiter Instanz diesbezüglich verpflichtet gewesen wäre, von einer der beiden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des §38 AVG Gebrauch zu machen.

2. Im zweiten Rechtsgang wurde ein gemeindebehördlicher Berufungsbescheid nicht erlassen. Über die Berufung entschied der vom Antragsteller mit Säumnisbeschwerde angerufene VwGH, der mit Erk. vom 29. Juni 1976 die Baubewilligung versagte. Mit dem (der Vorstellungsbehörde nicht bekannt gewesenen) Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Juni 1973 sei der Bauwerber J. Z. schuldig erkannt worden, in die Abschreibung einer (in einem näher bezeichneten Plan dargestellten) etwa 12 m langen und im Nordteil 2,55 m breiten Teilfläche aus dem Grundstück 28 und deren Zuschreibung zum Grundstück 10 des Antragstellers einzuwilligen. Nach Übergang des Eigentums an diesem Grundstreifen sei der Mindestabstand von der Nachbargrenze nicht eingehalten und es sei der Antragsteller im subjektiven öffentlichen Nachbarrecht, nämlich im Recht auf Einhaltung des gesetzlichen Seitenabstandes, verletzt worden.

In den Entscheidungsgründen dieses Erk. betonte der VwGH auch, er habe nicht übersehen, daß ein Verfahren zur Festlegung einer Sonderbauweise iS des §23 Abs4 des Tir. Raumordnungsgesetzes eingeleitet worden sei. Sollte ein Aufbauplan beschlossen werden, so könnte wegen Änderung der Rechtslage einem neuerlichen Antrag auf baubehördliche Genehmigung desselben Projektes entschiedene Sache nicht entgegengehalten werden.

3. Der Gemeinderat der Gemeinde W. beschloß in seiner Sitzung vom 18. Juni 1976

"für die beiden Bauplätze

a) auf Bp. 14 und 15 und einem Teil der Gp. 28, betreffend den Neubau J. Z. und J. M.,

b) auf der Gp. 34/2, betreffend den Neubau des A. St., die besondere Bauweise gemäß §23 Abs4 und der §§26 - 28 des Tir.

Raumordnungsgesetzes nach dem vorliegenden Aufbauplan. Dieser Beschluß bedingt gleichzeitig eine Abänderung des Verbauungsplanes 'Ortskern' und ist kundzumachen."

Der Beschluß wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel kundgemacht.

Die dieser Beschlußfassung zugrundegelegten Pläne tragen die Bezeichnung "Aufbauplan Nr. 1" und "Änderung Teilverbauungsplan 'Ortskern' Ausschnitt"; der erstangeführte Plan beinhaltet die Festlegung einer besonderen Bauweise (§23 Abs4 des Tir. Raumordnungsgesetzes) einschließlich der Baulinie der Gebäude, der zuletzt genannte die Festlegung der Straßenfluchtlinien, der Baufluchtlinien sowie der Grenze zwischen verschiedenen Bauweisen im Planungsgebiet.

4. Die Bauwerber J. Z. und J. M. brachten hierauf ein neues Bauansuchen ein.

5. Mit dem unter Berufung auf Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG gestellten (der Sache nach jedoch nur auf Art139 Abs1 B-VG gestützten) Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des Aufbauplanes Nr. 1 zur Gänze. Da sich die eingehende Kritik des Antragstellers an der Gesetzmäßigkeit der vom Gemeinderat im Verordnungsweg getroffenen Anordnungen jedoch ebenso auf den Inhalt der erlassenen "Änderung Teilverbauungsplan 'Ortskern' Ausschnitt" erstreckt, bezieht sich das Aufhebungsbegehren nach dem Parteiwillen zweifelsfrei auf beide Pläne. (Diese sind im folgenden gemeint, wenn von der angefochtenen Verordnung gesprochen wird.)

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist auch, daß die angefochtene Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (siehe zB VfSlg. 8009/1977). Zu untersuchen ist vom VfGH hiebei lediglich, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen der Verordnung vorliegen, nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die Verordnung für ihn sonstige Wirkungen hat. Es kommt nämlich im gegebenen Zusammenhang lediglich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht die bekämpfte Verordnung seine Rechtssphäre berührt und diese - im Falle der Gesetzwidrigkeit der Verordnung - verletzt (siehe VfGH 23. 6. 1979 V11/79, mit den dort enthaltenen Rechtsprechungshinweisen; vgl. etwa auch VfGH 21. 6. 1979 V20/78 und 29. 2. 1980 V50/79).

a) Wie sich aus dem Zusammenhalt des Antragsvorbringens ergibt (in dem insbesondere der bisherige Ablauf des Bauverfahrens bezüglich des von J. Z. und J. M. gestellten Bauansuchens geschildert wird), erachtet sich der Antragsteller in seiner Rechtssphäre zunächst dadurch verletzt, daß seine aus baurechtlichen Vorschriften erfließenden subjektiv-öffentlichen Rechte als Nachbar durch Anordnungen beschränkt werden, die sich auf Grundstücke der vorhin genannten beiden Bauwerber sowie des Bauwerbers A. St. (dessen Grundstück ebenfalls an ein Grundstück des Antragstellers grenzt) beziehen.

Die angefochtene Verordnung hat zur Folge, daß nunmehr - nach Maßgabe der in Betracht kommenden Bebauungsvorschriften - baubehördliche Bewilligungen erteilt werden dürfen. Die angefochtene Verordnung greift sohin zwar in die Rechtssphäre des Antragstellers als Anrainer ein. Aus dem eben Gesagten ergibt sich aber, daß ein unmittelbarer Eingriff in seine Rechtssphäre erst durch den jeweiligen Baubewilligungsbescheid bewirkt würde, nicht jedoch bereits durch die Verordnung. Dem Antragsteller kommt daher insoweit die Antragsberechtigung nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG nicht zu (siehe dazu VfGH 21. 6. 1979 B340/76, V16/76 und 28. 11. 1980 V29/80).

b) Der Einschreiter behauptet eine Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre aber auch insoweit, als sich der Verordnungsinhalt (durch die Festlegung einer Baufluchtlinie sowie des Planungsbereichs) auf sein Grundeigentum erstreckt. Nach Meinung des Antragstellers stelle sich die Verordnung "mit dieser Baulinienfestsetzung zu Gunsten des Baues Z. im Bereich meines Eigentums offensichtlich auf den Standpunkt, zu Gunsten des Herrn Z. sei, wenn sich dies für diesen als günstig erweise, ohne weiteres ohne Rechtsgrundlage auch ein Teil meines Eigentums in Anspruch zu nehmen." Eine gleichartige Eigentumsverletzung ergebe sich auch in Ansehung des festgelegten Planungsbereiches.

Diese Ausführungen zeigen, daß der Anfechtungswerber bebauungsplanrechtlichen Anordnungen die Wirkung zuschreibt, Rechtsgrundlage für eine zivilrechtlich sonst unzulässige Inanspruchnahme seines Grundeigentums zu bilden. Hiezu genügt die Feststellung, daß keine Gesetzesvorschrift, insbesondere nicht eine Vorschrift des Tir. Raumordnungsgesetzes, dem Bebauungsplan solche vom Antragsteller gedachte Rechtswirkungen verleiht.

Demnach kann unter dem Blickpunkt dieses Vorbringens nicht davon gesprochen werden, daß der Antragsteller durch die Verordnung in seiner Rechtssphäre unmittelbar berührt wäre.

c) Im Zusammenhang mit der Frage der Antragsberechtigung ist schließlich noch folgende Behauptung des Einschreiters zu berücksichtigen:

Es bestehe ein rechtskräftiges zivilgerichtliches Urteil, demzufolge der Bauwerber St. verpflichtet sei, den Dachvorsprung zu entfernen, den jener über dem Grund des Antragstellers gebaut habe. Die Verordnung setze sich über dieses Gerichtsurteil hinweg und versuche dessen Vollstreckung zu verhindern.

Auch hier muß dem Antragsteller entgegengehalten werden, daß sich seine Annahme auf keine Gesetzesvorschrift stützen kann; keiner Bestimmung der angefochtenen Verordnung kommt die Wirkung zu, die Vollstreckung eines zivilgerichtlichen Urteils des erwähnten Inhalts zu hindern. Auch das in Erörterung stehende Vorbringen zeigt nicht auf, daß der Anfechtungswerber durch die Verordnung in seiner Rechtssphäre unmittelbar berührt wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß keine der vom Antragsteller behaupteten Rechtswirkungen der angefochtenen Verordnung seine Antragsberechtigung erweist. Der Antrag ist daher wegen fehlender Legitimation zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:V47.1976

Dokumentnummer

JFT_10198871_76V00047_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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