Index
32 SteuerrechtNorm
B-VG Art139 Abs6 zweiter SatzLeitsatz
Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 17. Juni 1977, Z 110.750/2-IV/11/77, AÖFV Nr. 174/1977, Eigentumsverletzung durch eine auf einer gesetzwidrigen Verordnung beruhende GebührenvorschreibungSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Linz pachtete mit Vertrag vom 16. Mai 1974 ein im Inland gelegenes Grundstück, welches als Betriebsgelände dienen sollte. Der Vertrag wurde im Ausland abgeschlossen und die darüber errichtete Urkunde weder in Urschrift noch in beglaubigter Abschrift in das Inland eingebracht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für OÖ vom 25. September 1978 wurden der Beschwerdeführerin für dieses Rechtsgeschäft Bestandvertragsgebühren gemäß §33 TP5 GebG in Höhe von S 47.450,- sowie eine feste Gebühr gemäß §6 Abs2 GebG in Höhe von S 15,- vorgeschrieben. In der Begründung wird ausgeführt, daß wegen der ungewöhnlichen, lediglich auf Gebührenersparnis gerichteten Wahl des Ortes des Vertragsabschlusses im Ausland ein Mißbrauch gemäß §22 BAO vorliege, wodurch die Abgabepflicht nicht umgangen oder vermindert werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt und die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung an den VwGH beantragt wird.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.1. Die in §33 GebG aufgezählten Rechtsgeschäfte unterliegen einer Gebühr dann, wenn über sie eine Urkunde im Inland errichtet wurde; die Beurkundung derartiger Rechtsgeschäfte im Ausland schließt hingegen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Gebührenpflicht aus, falls die Urkunde nicht im Original oder beglaubigter Abschrift in das Inland eingebracht wird und eine der weiteren Voraussetzungen des §16 Abs2 lita bis c GebG zutrifft.
Im vorliegenden Fall wurde ein Rechtsgeschäft (Bestandsvertrag) in Anwendung der §§16 Abs2 GebG und 22 BAO der Gebührenpflicht nach §33 TP5 GebG unterworfen, das im Ausland beurkundet worden war, wobei die Urkunde weder in Gleichschrift noch in beglaubigter Abschrift in das Inland eingebracht wurde.
2. Der VfGH hatte sich bereits in den unter B84/79 und B255 - 266/79 protokollierten Verfahren mit Beschwerden zu befassen, denen ein gleichartiger Sachverhalt zu Grunde lag. Auch in diesen Beschwerdefällen wurden Rechtsgeschäfte (damals Kreditverträge) in Anwendung der §§16 Abs2 GebG und 22 BAO der Gebührenpflicht (damals: nach §33 TP19 GebG) unterworfen, wobei die Urkunden ebenfalls im Ausland errichtet und weder in Urschrift noch in beglaubigter Abschrift in das Inland eingebracht wurden.
Aus Anlaß der letztgenannten Beschwerdeverfahren hat der VfGH die Gesetzmäßigkeit des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 17. Juni 1977, Z 110.750/2-IV/11/77, AÖFV 174/1977, von Amts wegen geprüft.
Dieser Erlaß ordnete an, daß ein Anwendungsfall des §22 BAO vorliege, wenn für die Urkundenerrichtung im Ausland nicht vorherrschende Gründe der zivilrechtlichen Rechtsgestaltung, sondern die Umgehung der Gebührenpflicht maßgeblich waren. Bei einer Gebührenumgehung durch Mißbrauch der zivilrechtlich angemessenen Beurkundungsform im Wege einer Urkundenerrichtung im Ausland seien somit die Gebühren so zu erheben, als ob die Urkunde im Inland errichtet worden wäre.
Mit Erk. VfSlg. 8807/1980 hat der VfGH diesen Erlaß als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß er auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Das bewirkt, daß die aufgehobene Verordnung auch im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden ist.
3. Über Anfrage teilte die Beschwerdeführerin dem VfGH mit, daß sie trotz dieses Erk. nicht klaglos gestellt worden sei.
4. Die Vorschreibung einer Abgabe greift in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums insbesondere auch dann verletzt, wenn ein in das Eigentum eingreifender Bescheid insofern durch das Gesetz nicht gedeckt ist, als er auf einer gesetzwidrigen Verordnung beruht (VfSlg. 7954/1976, 8332/1978). Die in Rede stehende Gebührenvorschreibung beruhte auf der als gesetzwidrig aufgehobenen Verordnung und findet in §16 Abs2 GebG selbst keine Deckung.
Da durch das zitierte Erk. VfSlg. 8807/1989 die alleinige Rechtsgrundlage für den in das Eigentum der Beschwerdeführerin eingreifenden Bescheid weggefallen ist, wird die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Gebühr (GebG), VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B619.1978Dokumentnummer
JFT_10198871_78B00619_00