Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
StGG; Eigentumsgarantie des Art5; Anspruch auf Rückgängigmachung der Enteignung im Falle der Nichtverwirklichung des EnteignungszweckesSpruch
1. Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung, soweit sich dieser auf das Feststellungsbegehren und das Aufhebungsbegehren bezieht, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
2. Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung, soweit sich dieser auf das Rückübertragungs- und Zahlungsbegehren bezieht, in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.
Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.A. Mit Entschädigungs- und Enteignungsbeschluß des ehemaligen Leiters der Reichsstelle für Landbeschaffung vom 22. Oktober 1941, Tgb. Nr. H 3408/41 Sche/Di, wurde der im Eigentum der Eltern der Beschwerdeführerinnen stehende und im Grundbuch (ehemals des Landesgerichtes Linz) EZ 39, 40 und 602 der KG W. eingetragene Grundbesitz in einer Größe von 28.54.65 ha zugunsten der ehemaligen Wohnungs-AG der Reichswerke Hermann Göring enteignet und zugleich die Entschädigung für die Enteignung und Besitzeinweisung festgesetzt. Diesem Beschluß war vorangegangen der Planfeststellungs- und Besitzeinweisungsbeschluß vom 8. September 1938 und vom 19. Jänner 1939 sowie der Besitzeinweisungsbeschluß vom 13. Juni 1939. Auf Klage der Eltern der Beschwerdeführerinnen hat das Reichsverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 6. Juni 1944 die Entschädigung mit einem höheren Betrag und zwar mit RM 562.200,- samt 4% Zinsen ab 8. September 1938 festgesetzt. Die zuerkannte Entschädigung wurde in Teilbeträgen - zum größten Teil im Jahre 1944 - geleistet.
Ein von den Eltern der Beschwerdeführerinnen angestrengtes Rückstellungsverfahren hatte zwar in erster Instanz bei der Rückstellungskommission Erfolg, ist aber im Instanzenzug gemäß Beschluß der Obersten Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof vom 15. Dezember 1951, Rkv 390/51, ohne Erfolg geblieben.
Die Beschwerdeführerinnen als Gesamtrechtsnachfolger (Erben) ihrer Eltern stellten am 11. Juli 1974 an die Oö. Landesregierung den Antrag "mit Bescheid
1. festzustellen, daß
a) die unverbauten Teile der seinerzeitigen Grundstücke 353/10 und 354;
b) die seinerzeitigen Grundstücke 422, 483, 484, 481, 485 und 487 sowie von den seinerzeitigen Grundstücken
423 5.370 Quadratmeter 418 11.806 Quadratmeter
2.972 Quadratmeter 486 16.359 Quadratmeter
425 155 Quadratmeter 414/4 498 Quadratmeter
10.296 Quadratmeter
2.375 Quadratmeter
c) die seinerzeitigen Grundstücke 488, 489, 490, 495 und 492 von der Wohnungs-Aktiengesellschaft Linz nicht zu dem Zweck verwendet worden sind, für den sie enteignet wurden, daß infolge nicht widmungsgemäßer Verwendung dieser Grundstücke das ursprünglich bestehende Enteignungsrecht der nunmehrigen Wohnungs-Aktiengesellschaft Linz entfallen und damit kein Anspruch der Wohnungs-Aktiengesellschaft Linz auf Aufrechterhaltung der mit Bescheid vom 22. 10. 1941 hinsichtlich dieser Grundstücke ausgesprochenen Enteignung zusteht, daß somit der Rechtsgrund für die Wohnungs-Aktiengesellschaft Linz, die enteigneten Grundstücke behalten zu dürfen, weggefallen ist;
2. den Entschädigungs- und Enteignungsbescheid der Reichsstelle für Landbeschaffung im Reichswehrministerium vom 22. 10. 1941, Tgb. Nr. II 3408/41, hinsichtlich der unter 1. genannten Grundstücke (Grundstücksteile) aufzuheben;
3. der Wohnungs-Aktiengesellschaft Linz aufzutragen, binnen 14 Tagen an M. A. und E. S., je zur Hälfte,
a) die unverbauten Teile der seinerzeitigen Grundstücke 353/10 und 354 ins grundbücherliche Eigentum zurückzuübertragen,
b) S 8,346.930,- samt 4% Zinsen seit 15. Juli 1971 zu bezahlen,
c) die seinerzeitigen Grundstücke 488, 489, 490, 492 und 495 der KG
W. (Ger. Bez. Linz-Stadt) ins grundbücherliche Eigentum zurückzuübertragen, in eventu: S 10,198.250,- samt 4% Zinsen seit 15. Juli 1974 zu bezahlen.
Dies alles (Pkt. 3) Zug um Zug gegen Rückzahlung von je S 73.836,85 samt 4% Zinsen seit 15. Juli 1974 durch M. A. und E. S.
Einen im wesentlichen gleichlautenden Antrag hatten die Beschwerdeführerinnen schon am 29. Oktober 1971 (mit Ergänzungen vom 30. März 1972) beim Bundesministerium für Inneres und beim Bundesministerium für Bauten und Technik gestellt, der mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 1973 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden ist. Die von den Beschwerdeführerinnen gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den VfGH ist mit Erk. B336/73 vom 11. März 1974 (VfSlg. 7271/1974) abgewiesen worden.
Nach den - unbestrittenen - Angaben der Beschwerdeführerinnen sind die enteigneten Liegenschaften von der Wohnungs-AG ab 3. Juni 1938, das letzte Teilstück am 15. Juni 1939, in Besitz genommen worden. Die Enteignung sei ausdrücklich zur Errichtung einer geschlossenen Wohnsiedlung der Wohnungs-AG für Zwecke der damaligen Reichswerke Hermann Göring erfolgt. Bis Juli 1974 seien jedoch von den insgesamt
285.465 Quadratmeter lediglich ca. 172.000 Quadratmeter im wesentlichen verbaut worden. Von den restlichen ca.
113.500 Quadratmeter lägen ca. 6.000 Quadratmeter bis zu diesem Zeitpunkt brach. In den Jahren 1961, 1962, 1964 und 1966 habe die Wohnungs-AG Linz (unter dieser Bezeichnung sei die in Österreich gelegene Vermögensmasse der ehemaligen Wohnungs-AG der Reichswerke Hermann Göring im Handelsregister eingetragen und bei Gründung der gleichnamigen AG von der Republik Österreich als Sacheinlage eingebracht worden) aus den enteigneten Liegenschaften insgesamt
63.561 Quadratmeter an die Stadt Linz um S 8,346.930,- verkauft; davon seien von der Stadt Linz im Jahre 1967 an das Land OÖ
1.402 Quadratmeter im Tauschwege abgegeben worden. Der Verkauf an die Stadt Linz sei für Verkehrszwecke und zur Aufforstung erfolgt. Im Jahre 1958 habe die Wohnungs-AG Linz aus den enteigneten Liegenschaften insgesamt 40.793 Quadratmeter um S 2,651.545,- an das Land OÖ zum Zwecke der Errichtung von Baulichkeiten oder sonstigen Einrichtungen, die der Heil- und Pflegebehandlung für die Landesheil- und Pflegeanstalt Niedernhart dienen, verkauft; davon seien vom Land OÖ im Jahre 1964 639 Quadratmeter an die Stadt Linz weiterverkauft worden. Es liege auf der Hand, daß für diese Liegenschaftsanteile der Enteignungsgrund weggefallen sei, und daß ein erheblicher Teil der enteigneten Liegenschaften zweckwidrig verwendet worden sei.
Die Beschwerdeführerinnen führten aus, daß für Fälle, in denen Liegenschaftsanteile nicht zu den öffentlichen Zwecken verwendet wurden, für die sie enteignet worden waren, in der Lehre (Layer, Principien des Enteignungsrechtes, 1902, S 432 ff.; Grünhut, Das Enteignungsrecht, 1873, S 162 ff.; Gschnitzer, Sachenrecht, 1968, S 115; Bydlinski, Rückübereignungs- und Vergütungsansprüche bei zweckverfehlender Enteignung, JBl. 1972, S 129 ff.) und in der Judikatur (VfGH 29. 2. 1928 JBl. 1928 S 200; OGH 6. 7. 1914 ZBl. 1916 S 425 und 4. 6. 1930 JBl. 1931 S 145; VwGH 30. 6. 1965 JBl. 1966 S 436) der Anspruch des Enteigneten bzw. seines Rechtsnachfolgers auf Rückübertragung der enteigneten Sache bzw. auf Ersatz anerkannt werde. Zur analogen Anwendbarkeit des §1435 ABGB in einem solchen Fall wird auf das Erk. des VfGH vom 29. 2. 1928 JBl. 1928 S 200 und zur analogen Anwendbarkeit der §§1431, 1437 und 326 ABGB auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes wird auf das Erk. des VwGH vom 30. 6. 1965 JBl. 1966 S 436 sowie auf die Ausführungen Öhlingers (Auslegung des öffentlichen Rechts, JBl. 1971 S 287) Bezug genommen.
B. Der von den Beschwerdeführerinnen am 11. Juli 1974 gestellte Antrag wurde von der Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 24. März 1975, Wo-1509/-1975/Dr.Schn/Rei, gemäß §68 Abs1 AVG 1950 zurückgewiesen.
In der Begründung hat die Behörde ausgeführt, es scheine "aus Gründen der Verfahrensökonomie" ausreichend, nur die Rechtsfrage, ob eine Rückübereignung unter analoger Anwendung der Bestimmung des §1435 ABGB rechtlich zulässig sei, zu klären.
Die Behörde beruft sich auf Öhlinger (aaO, S 289 ff.), der ua. - unter Anführung der Rechtsprechung - ausführt, es lasse sich eine deutlich wachsende Zurückhaltung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes in der analogen Heranziehung von Bestimmungen des ABGB für das öffentliche Recht feststellen. Die Behörde bezieht sich auch auf die Ausführungen Bydlinskis (aaO), soweit er feststellt, daß die Rechtsfrage, ob, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und auf welcher Grundlage der enteignete Eigentümer bzw. sein Universalrechtsnachfolger berechtigt ist, Rückübereignung der enteigneten Sache (oder Vergütung) zu begehren, wenn sich definitiv zeigt, daß sie nicht für den öffentlichen Zweck verwendet wird, für den die Enteignung erfolgt ist, in der österreichischen Judikatur und Rechtswissenschaft umstritten ist; nach der einen Auffassung bestehe ein allgemeiner Grundsatz, der den geschilderten Rückübereignungsanspruch gewährt, nach der anderen existiere ein solcher Anspruch nur soweit, als er in einem konkreten Enteignungsgesetz ausdrücklich vorgesehen sei. Die Behörde vertrat die Auffassung, daß bei Behandlung dieser Materie von großer Bedeutung sei, welche Praxis der Gesetzgeber in dieser Frage eingeschlagen habe; sie verwies dabei auf ausdrückliche Regelungen im Bodenbeschaffungsgesetz BGBl. 288/1974, im Stadterneuerungsgesetz BGBl. 287/1974 und im Oö. Raumordnungsgesetz LGBl. 18/1972.
Abschließend ist in der Begründung des Bescheides ausgeführt: "Die Verwaltungsbehörde hat sich bei der Entscheidung, ob im gegenständlichen Fall der Umkehrschluß oder der Analogieschluß anzuwenden ist, von der schon zitierten Literatur, den Erk. der Höchstgerichte und der Praxis des Gesetzgebers leiten lassen. In Ergänzung dazu wurde noch erwogen, daß die Zulässigkeit eines Analogieschlusses im Verwaltungsrecht für die Rechtssicherheit des Einzelnen von großer negativer Auswirkung deshalb wäre, weil dann die Rechtssphäre des Einzelnen gegen Eingriffe des Staates nur mehr sehr beschränkt geschützt wäre. Schließlich hat der Gesetzgeber durch die als Beispiele bereits zitierten Bundesgesetze, betreffend die Bodenbeschaffung und die Stadterneuerung sowie das Oö. Raumordnungsgesetz, zum Ausdruck gebracht, daß für die Rückübereignung eine eigene positiv-rechtliche Bestimmung notwendig ist. Da somit eine rechtliche Grundlage iS der Antragstellerinnen nicht gegeben ist, war wie im Spruch zu entscheiden".
C. Gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 24. März 1975 haben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde an den VwGH erhoben. Dieser Gerichtshof hat die Beschwerde mit Erk. vom 3. November 1978, Z 970/75 (zum Teil veröffentlicht in VwSlg. 9677/A) als unbegründet abgewiesen.
Der Gerichtshof ist nach seinen Ausführungen in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen, daß es an einer ausdrücklichen Bestimmung fehlt, die den Anspruch der Beschwerdeführerinnen zu stützen vermöchte.
In der bisherigen Judikatur des VwGH sei die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht bereits anerkannt worden (Hinweis etwa auf das Erk. VwSlg. 4066 A/1956) und es bestehe kein Anlaß, davon abzugehen. Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften sei jedoch das Bestehen einer echten Gesetzeslücke. Nach Auffassung des VwGH werde im Bereiche des öffentlichen Rechtes, im besonderen des Verwaltungsrechtes, welches schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, eine Rechtslücke im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden können - anders als im Bereiche des bürgerlichen Rechtes, das grundsätzlich die gesamten Rechtsbeziehungen der Menschen untereinander zu regeln bestrebt ist, sodaß auftretende Gesetzeslücken im Zweifel als unbeabsichtigt angesehen werden könnten.
Im vorliegenden Fall liege eine durch Analogie schließbare Rechtslücke nicht vor. Für die Anwendung des Rechtsinstitutes der Rückübereignung fehle es an einem gesetzlichen Tatbestand.
Dazu komme, daß im vorliegenden Fall ein echter Bereicherungstatbestand gar nicht vorliege. Die Enteignung sei gegen eine Entschädigung ausgesprochen und die Entschädigung auch ausbezahlt worden. Rechtlich betrachtet habe die Enteignung demnach keine Vermögensvermehrung der Enteignungswerber und keine Vermögensverminderung der Enteigneten, sondern lediglich eine Vermögensverschiebung zwischen Sachwerten und Geldwerten zum Gegenstande.
Der VwGH führte auch aus, er finde, daß eine verfassungskonforme Auslegung des Enteignungsgesetzes nicht so weit zu reichen vermöge, daß ein im Gesetz selbst nicht vorgesehenes Rechtsinstitut, nämlich die Rückübereignung, als mitinbegriffen angesehen werden könne. Es sei Sache des Gesetzgebers festzulegen, unter welchen Bestandsgarantien eine behördliche Entscheidung stehe. Dem VwGH erscheine dies als eine rechtspolitische Frage, welche nach Abwägung der Interessen der Enteigner einerseits und der Enteigneten anderseits entweder iS der Beibehaltung der durch das Enteignungserkenntnis herbeigeführten Veränderung oder iS des Anspruches auf Rückübereignung gelöst werden könne. Ob die vom Gesetzgeber dabei getroffene Lösung rechtspolitisch richtig oder unrichtig ist, habe auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung, auch vom Standpunkt des Gleichheitsgrundsatzes aus, keinen Einfluß.
D. Gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 24. März 1975 richtet sich auch die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Beschwerdeführerinnen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend machen und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen.
Die Oö. Landesregierung und die beteiligte Wohnungs-AG Linz haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
Die Beschwerdeführerinnen erachten sich ihrem gesetzlichen Richter dadurch entzogen, daß die Behörde ihren Antrag (der auf Erlassung eines Bescheides auf Grund eines nach Rechtskraft des Enteignungsbeschlusses und der Entschädigungsbemessung geänderten Sachverhaltes gerichtet war) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und damit eine Sachentscheidung gesetzwidrig verweigert hat. Die Behörde habe übrigens mit keinem Wort begründet, weshalb sie zu der Auffassung gelangt sei, es liege entschiedene Sache vor.
Nehme man entgegen dem Wortlaut des Spruches an, daß die Behörde den Antrag der Beschwerdeführerinnen in Wahrheit mangels rechtlicher Grundlage meritorisch abgewiesen hat, so halten sich die Beschwerdeführerinnen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.
Zur behaupteten Gleichheitsverletzung führen die Beschwerdeführerinnen unter Hinweis auf Literatur und Judikatur im Ergebnis aus, es wäre eine offenkundig willkürliche Verschiedenbehandlung desselben Sachproblems, Rückübereignungspflichten bei Wegfall des Enteignungsgrundes nur auf jenen Teilgebieten des Enteignungsrechtes anzunehmen, auf denen spezialgesetzliche Bestimmungen solche Rückübereignungspflichten ausdrücklich festlegen. Die Behörde hätte daher den Gleichheitsgrundsatz beachten und in entsprechender verfassungskonformer Interpretation §1435 ABGB analog anwenden müssen. Dadurch, daß sie dies nicht getan habe, vielmehr einen unberechtigten Umkehrschluß gezogen habe, habe sie die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.
Zur behaupteten Eigentumsverletzung führen die Beschwerdeführerinnen im wesentlichen aus: Die Enteignung verliere ihre verfassungsrechtliche Deckung, sobald sich herausstellt, daß die enteignete Sache dem im Enteignungsbescheid genannten und vom konkreten Enteignungsgesetz vorausgesetzten öffentlichen Zweck gar nicht wirklich dient, daß das - gesetzlich konkretisierte - "allgemeine Beste" also die Enteignung keineswegs fordert und rechtfertigt. Die Beschwerdeführerinnen verweisen in diesem Zusammenhang (zumal die der Enteignung zugrunde gelegenen Vorschriften dem deutschen Rechtsgebiet entstammen) auf Überlegungen, die das deutsche Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 12. November 1974, 1 BvR 32/68, zu dem den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums in der Bundesrepublik Deutschland nach denselben Prinzipien wie in Österreich regelnden Art14 Abs1 und 3 des Grundgesetzes angestellt hat. Sie greifen einige ihnen wesentlich erscheinende Gedanken heraus, darunter: Eine Enteignung sei nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Das Opfer, das der Enteignete zu bringen habe, werde allein dadurch gerechtfertigt, daß sein Grundstück zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe erforderlich sei. Werde die öffentliche Aufgabe, der die Enteignung dienen soll, nicht ausgeführt oder das enteignete Grundstück hiezu nicht benötigt, so entfalle die aus Art14 Abs3 Satz 1 Grundgesetz herzuleitende Legitimation für den Zugriff auf das Privateigentum und der Rechtsgrund für den Eigentumsanspruch durch die öffentliche Hand. Der Enteignete könne daher auf Grund der Garantie des Art14 Abs1 Satz 1 Grundgesetz die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes, dh. die Rückübereignung des Grundstückes fordern. Der Auffassung, daß ein Rückgewähranspruch zu verneinen sei, weil keine gesetzliche Grundlage iS des Art14 Abs3 Satz 2 Grundgesetz bestehe, könne nicht gefolgt werden. Der Enteignete mache lediglich geltend, daß die Voraussetzungen für die Enteignung nachträglich entfallen seien. Schon aus diesem Grunde sei die Frage, ob dem Bürger unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Rückgabe seiner früheren Sache zustehe, kein Enteignungsproblem (keine Rückübereignung).
Die Beschwerdeführerinnen führten auch aus, der Verkauf enteigneter Grundstücke sei als solcher nicht die Verfolgung eines öffentlichen Zweckes, möge auch der erzielte Erlös für das allgemeine Beste verwendet worden sein. Das Institut der Enteignung sei kein Mittel der Geldbeschaffung. Daß die Wohnungs-AG Linz die zweckwidrig verwendeten Grundstücke bzw. die aus der zweckwidrigen Verwendung gezogenen Entgelte behält, lasse sich in keiner Weise rechtfertigen. Hier gehe der in Art5 StGG festgelegte und durch Art1 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten bestätigte verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums eindeutig vor. Auch Art1 des zitierten Zusatzprotokolls gestatte eine Enteignung ausdrücklich nur im öffentlichen Interesse.
Durch die Abweisung des Antrages habe die Behörde die Beschwerdeführerinnen daher auch in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Mit Verordnung über die Landbeschaffung für Zwecke der Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten "Hermann Göring" vom 20. Dezember 1937, DRGBl. I S 1409, wurde vom Beauftragten für den Vierjahresplan bestimmt, daß auf die Beschaffung des Landes, das für die Errichtung der genannten Reichswerke sowie für ihre Nebenanlagen und Wohnsiedlungen und für die dadurch notwendige Umsiedlung erforderlich wird, das Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935, DRGBl. I S 467, und seine Durchführungsverordnungen entsprechende Anwendung finden. Mit der Zweiten Verordnung über die Landbeschaffung für Zwecke der Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten "Hermann Göring" vom 9. Juli 1938, DRGBl. I S 850, GBlÖ 263/1938, wurde angeordnet, daß die Verordnung vom 20. Dezember 1937, DRGBl. I
S 1409, auch auf die Erstellung eines Hüttenwerkes in Linz a. D. sowie die ihm dienenden Nebenanlagen und Bergbauanlagen sinngemäße Anwendung findet. Mit Bekanntmachung vom 18. Juli 1938 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 181 vom 6. August 1938, GBlÖ 342/1938) hat der Beauftragte für den Vierjahresplan die Reichsstelle für Landbeschaffung beim Oberkommando der Wehrmacht beauftragt, die Aufgaben, die ihr durch das Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht übertragen sind, auch bei der Landbeschaffung für die Erstellung eines Hüttenwerkes in Linz a. D. sowie die ihm dienenden Nebenanlagen und Bergbauanlagen wahrzunehmen.
Nach Wiederherstellung der Republik Österreich hat die Prov. Staatsregierung mit der 9. Kundmachung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches StGBl. 50/1945 iS des §1 Abs2 Rechts-Überleitungsgesetz - R-ÜG, StGBl. 6/1945, festgestellt, daß das deutsche Wehrrecht für den Bereich der Republik Österreich mit 27. April 1945 außer Geltung getreten ist, darunter auch
"das Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935, DRGBl. I S 467, in der Fassung des Gesetzes vom 12. April 1938, DRGBl. I S 387, mit den hiezu erlassenen Durchführungsverordnungen vom 21. August 1935, DRGBl. I S 1097, und vom 13. Februar 1937, DRGBl. I S 253 (GBlÖ 313/1938);
die Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der in Österreich für anwendbar erklärten Vorschriften über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 30. Jänner 1939, DRGBl. I S 104 (GBlÖ 177/1939)".
Durch diese Feststellung allein ist jedoch die Geltung des genannten Gesetzes im Bereich der Verordnung vom 9. Juli 1938, DRGBl. I S 850, GBlÖ 263/1938, nicht berührt worden. Mit dem Inkrafttreten dieser - auf Gesetzesstufe stehenden - Verordnung ist nämlich das genannte Gesetz zum Inhalt der Verordnung geworden, der damit endgültig festgelegt und auch durch das Außerkrafttreten des Gesetzes - im Rahmen der Aufhebung wehrrechtlicher Vorschriften - nicht mehr berührt wird (vgl. dazu VfSlg. 2074/1950 und Erk. v. 14. 12. 1979 B286/78).
Hinsichtlich der Verordnung vom 9. Juli 1938, DRGBl. I S 850, GBlÖ 263/1938, ist eine Kundmachung der Prov. Staatsregierung bzw. der Bundesregierung iS des §1 Abs2 R-ÜG nicht erlassen worden. Dieser Umstand hindert allerdings nicht, daß der VfGH von sich aus die Frage prüft, ob die genannte Verordnung im Hinblick auf §1 R-ÜG der österreichischen Rechtsordnung angehört (VfSlg. 2620/1953, 2976/1956, 3230/1957). Mit dem zuletzt erwähnten Erk. hat der VfGH festgestellt, daß die Verordnung über die Anwendung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht bei Enteignung von Grundeigentum in der Ostmark und im Reichsgau Sudetenland vom 16. Januar 1940, DRGBl. I S 207 (womit eine Enteignung für industrielle und gewerbliche Zwecke schlechthin für zulässig erklärt worden war) mit Wirksamkeit vom 10. April 1945 außer Kraft getreten ist. Die für diese Feststellung maßgebenden Umstände sind jedoch bezüglich der Verordnung vom 9. Juli 1938, DRGBl. I S 850, GBlÖ 263/1938, nicht gegeben. Diese Verordnung ist nicht gemäß §1 Abs1 R-ÜG und auch nicht später außer Kraft getreten.
2. Der Normenkomplex, auf den sich die seinerzeitige Enteignung von Grundstücken zugunsten der ehemaligen Wohnungs-AG Reichswerke Hermann Göring stützte, sieht das Recht der Enteignung für einen bestimmten öffentlichen Zweck vor - nämlich zum Zwecke der Beschaffung des Landes, das für die Erstellung eines Hüttenwerkes in Linz a. D. sowie die ihm dienenden Nebenanlagen und Bergbauanlagen (darunter auch für Wohnsiedlungen und notwendige Umsiedlungen) erforderlich wird -, er enthält aber keine ausdrückliche Bestimmung über die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall, daß die enteigneten Grundstücke für den in den Normen genannten öffentlichen Zweck nicht benötigt werden.
Dieser Normenkomplex stand im Zeitpunkt seines Inkrafttretens in Österreich mit 14. Juli 1938 (Verordnung über das Inkrafttreten von Rechtsvorschriften des Reichs im Lande Österreich vom 22. März 1938, DRGBl. I S 287, GBlÖ 16/1938) und im Zeitpunkt der Enteignung in einem anderen rechtlichen Zusammenhang als nach seiner Überleitung in die Rechtsordnung der Republik Österreich im Jahre 1945.
a) Bis zu dieser Überleitung handelte es sich bei den genannten Normen um ein im Verhältnis zur Republik Österreich fremdstaatliches Recht.
Die mehrfach genannte Verordnung vom 9. Juli 1938 beruft sich in ihrem Einleitungssatz ausdrücklich auf den Ersten Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Einführung deutscher Reichsgesetze in Österreich vom 15. März 1938, DRGBl. I S 247, GBlÖ 6/1938.
Die Rechtslage in Österreich war zu diesem Zeitpunkt durch folgende Umstände gekennzeichnet: Durch ArtII des Gesetzes über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 13. März 1938, DRGBl. I S 237, GBlÖ 1 und 27/1938, war angeordnet worden, daß das damals in Österreich geltende Recht (auch das verfassungsrechtlicher Natur) bis auf weiteres in Kraft bleibt und die Einführung des Reichsrechts in Österreich durch den Führer und Reichskanzler oder den von ihm hiezu ermächtigten Reichsminister erfolgt. In der Folge sind die aus der österreichischen Rechtsordnung stammenden Normen in weiten Bereichen durch Reichsrecht ersetzt worden. Die verfassungsrechtlichen Zustände in Österreich haben sich - wie im Deutschen Reich seit 1933 - ohne verfassungsrechtliche Grundlage iS einer ungeschriebenen politischen Grundordnung (vgl. E. R. Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, 2. Aufl. S 55) rein faktisch (vgl. VfSlg. 1645/1948, 2976/1956) durch Verdrängung der österreichischen verfassungsrechtlichen Ordnung entwickelt.
Die verfassungsrechtliche Grundlage für Enteignungen nach der am 13. März 1938 geltenden Verfassungsordnung bildete Art33 Abs1 der Verfassung 1934, BGBl. II 1/1934 (der dem Art5 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142 - StGG glich; es war lediglich das Relativpronomen "welche" durch "die" ersetzt). Diese Bestimmung ist in der Zeit des sogenannten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich (1938 bis 1945) nie formell außer Kraft gesetzt worden. Anders als die vergleichbare Bestimmung des Art153 der Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung), die unmittelbar nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Februar 1933, DRGBl. I S 83, bis auf weiteres außer Kraft gesetzt worden war (zu diesem Fragenkreis s. auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechtes I. Band Allg. Teil 10. Auflage 1973 S 333); es wurde allerdings faktisch infolge der strikten Ablehnung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (vgl. auch dazu die soeben angeführten Erk.) die Grenze zwischen Gesetz und Verordnung völlig verwischt.
Erst durch das Verfassungs-Überleitungsgesetz StGBl. 4/1945 wurde die Verfassung 1934 aufgehoben (Art2) und das B-VG in der Fassung von 1929 wieder in Wirksamkeit gesetzt (Art1), wodurch als verfassungsgesetzliche Regelung des Eigentumsschutzes wiederum Art5 StGG in Kraft trat, der schon seit Inkrafttreten des B-VG (in der Stammfassung BGBl. 1/1920) gemäß dessen Art149 Bestandteil der Verfassungsordnung der Republik Österreich war (vgl. zur Wiederinkraftsetzung des StGG VfSlg. 2944/1955).
b) Nach der Überleitung in die österreichische Rechtsordnung ist Geltungsgrund für den Normenkomplex, auf den sich die seinerzeitige Enteignung stützte, das als Verfassungsgesetz erlassene Rechts-Überleitungsgesetz. Dies schließt zwar eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des seinerzeitigen Zustandekommens dieser Normen (vgl. zB VfSlg. 2976/1956, 3737/1960, 4620/1963, 5013/1965), nicht aber eine Prüfung des Inhaltes der übergeleiteten Normen auf seine Übereinstimmung mit der wieder in Wirksamkeit gesetzten österreichischen Verfassungsordnung (vgl. zB VfSlg. 5120/1965, 5630/1967, 5923/1969, 5993/1969) aus.
c) Tatsächlich entspricht in materieller Hinsicht der Normenkomplex, auf den sich die seinerzeitige Enteignung stützte, - wie die folgenden Darlegungen zeigen - den Anforderungen, die aus der österreichischen Verfassungsordnung (Art33 Abs1 der Verfassung 1934, Art5 StGG) für Enteignungsnormen abzuleiten sind.
3. Die verfassungsgesetzliche (Art149 B-VG) Regelung des Art5 StGG lautet: "Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt."
Mit dieser Bestimmung hat sich der VfGH in umfangreicher Rechtsprechung befaßt und dabei eine Reihe von Kriterien entwickelt, die für den Enteignungsbegriff wesentlich sind.
Der Begriff der Enteignung ist - unbeschadet der Zulässigkeit von Enteignungsmaßnahmen nicht nur durch Verwaltungsakt, sondern auch unmittelbar durch Gesetz (VfSlg. 1853/1949, 2934/1955, 3118/1956) - historisch auszulegen (VfSlg. 3666/1959, 4086/1961, 5369/1966). Eine Enteignung im eigentlichen, engeren Sinn liegt demnach nur vor, wenn auf die genannte Weise eine Sache dem Eigentümer zwangsweise entzogen und auf den Staat, eine öffentliche Körperschaft oder eine gemeinnützige Unternehmung übertragen wird oder wenn an der Sache auf die gleiche Weise fremde Rechte begründet werden (VfSlg. 1123/1928, 2934/1955). Für die Qualifikation eines Eingriffes in das Eigentum als Enteignung ist somit wesentlich, daß eine Vermögensverschiebung eintritt (VfSlg. 4475/1963, 4908/1965, 5208/1966, 5378/1966, 6390/1971, 8266/1978).
Der Gesetzgeber (und zwar sowohl der Bundes- wie auch der Landesgesetzgeber gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG idF BGBl. 287/1974 §35; Art15 Abs1 B-VG idF BGBl. 444/1974) darf Maßnahmen der Enteignung nur unter der Voraussetzung zulassen, daß diese Maßnahmen dem allgemeinen Besten - dem öffentlichen Interesse, dem öffentlichen Wohl - dienen (dies geht schon aus der früheren Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 1123/1928, hervor und wird in der späteren ständigen Rechtsprechung betont, zB VfSlg. 1809/1949, 3463/1958, 3541/1959, 4874/1964, 7321/1974, 8083/1977, 8326/1978). Mit anderen Worten: im Art5 StGG liegt die Forderung, daß eine Enteignung nur erfolgen darf, wenn sie durch das allgemeine Beste gerechtfertigt ist, also durch das öffentliche Interesse, das öffentliche Wohl geboten ist (VfSlg. 1853/1949, 3666/1959, 5617/1967, 5807/1968, 6097/1969, 6763/1972, 7238/1973, 8212/1977).
Eine Enteignung kann dabei nur im Zusammenhang mit einer bestimmten Angelegenheit (iS der Kompetenzartikel des B-VG) normiert werden. Dem Gesetzgeber ist keine Zuständigkeit eingeräumt, die es ermöglichen würde, eine Enteignung einzurichten, ohne dabei den Zweck der Enteignung soweit vorzuschreiben, daß dadurch die betreffenden Angelegenheiten bezeichnet sind. Der Gesetzgeber selbst hat die Enteignungsfälle zu bestimmen. Eine Enteignung für öffentliche Zwecke schlechthin vorzusehen, ist unzulässig (VfSlg. 2217/1951, 3230/1957, 3666/1959, 7145/1973).
Es ist auch verfassungsrechtlich unzulässig, durch Gesetz Maßnahmen zu schaffen, die eine Enteignung ermöglichen, ohne daß ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen unmittelbare Deckung durch die enteignete Sache im öffentlichen Interesse erforderlich ist (VfSlg. 3666/1959, 5724/1968, 6097/1969).
Mit der Frage, welche Rechtsfolgen sich daran knüpfen, wenn ein zu einem bestimmten Zwecke enteigneter Grund zu einem anderen Zweck verwendet wird, hat sich der VfGH im Erk. VfSlg. 959/1928 befaßt. Der VfGH hat in diesem Erk. im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur unentgeltlichen Abtretung von Grund für Straßenzwecke bei Abteilung eines Grundes auf Bauplätze nach baurechtlichen Bestimmungen (welche Verpflichtung eine Enteignungsmaßnahme darstellt; vgl. VfSlg. 3666/1959) ausgesprochen, daß der zur Führung oder Verbreiterung von Straßen an die Gemeinde abgetretene Grund von der Gemeinde zurückzustellen ist, wenn die Gemeinde den Grund nicht für Straßenzwecke zu verwenden beabsichtigt (im damaligen Fall war die Gemeinde im Begriff, auf diesem Grund ein städtisches Bad zu errichten), weil der Zweck und damit der Rechtsgrund weggefallen ist, an den das Gesetz die Abtretungsverpflichtung knüpfte; diese Rechtsfolge ergebe sich schon aus der Interpretation der eine nur zweckgebundene Abtretungsverpflichtung enthaltenden Regelung in der Bauordnung und werde unterstützt durch die analoge Anwendung des §1435 ABGB.
4. Der VfGH hat den in Zusammenhang mit der Enteignung stehenden (auch für Eigentumsbeschränkungen geltenden) Gesetzesvorbehalt des Art5 StGG immer dahin verstanden, daß der einfache Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen nur verfügen kann, wenn er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Grundsatz verstößt (VfSlg. 4486/1963, 5208/1966, 6780/1972, 7306/1974, 8212/1977, 8195/1977, G22/78 v. 14. 12. 1978). In Zusammenhang mit der Abgabenregelung hat der VfGH von verfassungswidrigen Aushöhlungen des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums gesprochen (VfSlg. 7770/1976, 7996/1977).
In weiterem Zusammenhang, nämlich auch bezüglich anderer Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt, hat der VfGH die Worte gebraucht, daß einfache Gesetze verfassungswidrig sein können, wenn sie gegen das Wesen des Grundrechtes verstoßen (VfSlg. 4233/1962, 5134/1965, 7304/1974), wenn sie dieses in ihrem Wesen schmälern (VfSlg. 6533/1971), wenn sie den Wesensgehalt des Grundrechtes aushöhlen (VfSlg. 5150/1965) oder wenn sie in ihrer Wirkung einer Aufhebung des Grundrechtes gleichkämen (VfSlg. 3929/1961, 6316/1970, 6401/1971, 8361/1978).
Der VfGH geht in dieser Rechtsprechung von einem Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums aus, ohne allerdings diesen Gehalt näher zu umschreiben. Lediglich in Zusammenhang mit Art6 StGG hat der VfGH nähere Andeutungen gemacht, indem er von den dem Wesensgehalt des Grundrechtes entsprechenden, in der Natur der zu regelnden Materie liegenden Grenzen, also den sachlichen Grenzen der Materie gesprochen hat (VfSlg. 4163/1962 mit Hinweis auf VfSlg. 4011/1961).
Bei Beurteilung des Inhaltes der Eigentumsgarantie des Art5 StGG ist zu berücksichtigen, daß sich diese Bestimmung gegen die mit der Freiheit der Person und des Eigentums unvereinbaren historischen Polizei- und Verwaltungsbefugnisse nach §365 ABGB wendet. Mit Art5 StGG trat an die Stelle der dem früheren polizeistaatlichen System entsprechenden Regelung des §365 ABGB (wonach die Voraussetzungen einer Enteignung von der Verwaltung bestimmt werden) eine den rechtsstaatlichen Vorstellungen entsprechende Bindung an das Gesetz (VfSlg. 1123/1928, 3230/1957).
Dieser Wandel zu einer rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Gestaltung der Enteignung findet in der vorstehend (Punkt II.3) dargestellten Rechtsprechung des VfGH zu Art5 StGG deutlich seinen Niederschlag. Die mit Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsgarantie erfordert es, daß das mit dem Institut der Enteignung dem Eigentümer einer Sache zugunsten der Allgemeinheit auferlegte Opfer nicht über das zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe unbedingt notwendige Ausmaß hinausgeht. Diese dem Begriff der Enteignung innewohnende Beschränkung wurde in der Rechtsprechung des VfGH dadurch konkretisiert, daß die Merkmale eines verfassungsrechtlich zulässigen Eingriffes in das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums streng umschrieben wurden.
Im vorliegenden - eine Enteignung durch Verwaltungsakt betreffenden - Zusammenhang ist wesentlich, daß gemäß Art5 StGG allein der Gesetzgeber die Tatbestände zu normieren hat, bei welchen das Erfordernis des allgemeinen Besten - des öffentlichen Interesses, des öffentlichen Wohls - als vorhanden anzunehmen ist (VfSlg. 1123/1928). Eine Enteignung ist an das Vorhandensein eines solchen Tatbestandes gebunden.
Die innere Rechtfertigung des in der Enteignung liegenden Eingriffes in das grundsätzlich als unverletzlich geschützte Eigentum liegt darin, daß die Erfüllung bestimmter, dem allgemeinen Besten - dem öffentlichen Interesse, dem öffentlichen Wohl - dienender und als solche gesetzlich festgelegter Aufgaben nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß eine Sache dem Eigentümer entzogen und auf die öffentliche Hand übertragen wird. Das Institut der Enteignung führt zwangsläufig zu einer Vermögensverschiebung, diese ist jedoch nicht der Zweck der Enteignung; die Enteignung hat von ihrer Anlage her nicht die Beschaffung von Vermögenswerten durch die öffentliche Hand zum Gegenstand (nach Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 1912, S 276 ist sie zur Förderung rein fiskalischer Zwecke ausgeschlossen), sondern ist ein Mittel, um der öffentlichen Hand die Erfüllung einer dem allgemeinen Besten dienenden öffentlichen Aufgabe zu ermöglichen (vgl. Layer, Principien des Enteignungsrechtes, 1902, S 608), denn das öffentliche Interesse erfordert nur die Sache, nicht aber den Wert (vgl. in Zusammenhang mit der Entschädigung Lanzer, Die neuen österreichischen Enteignungsgesetze, Zentralblatt für die jurist. Praxis, XLII. Band 1924, S 96). Dies ist auch der Grund dafür, warum der VfGH wiederholt ausgesprochen hat, es sei unzulässig, eine Enteignung vorzunehmen, wenn die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, für die das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorsieht, nicht unmittelbar bevorsteht, weil noch nicht alle anderen Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufgabe gegeben sind (Unzulässigkeit der sogenannten Enteignung auf Vorrat).
In Konsequenz der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Merkmale einer verfassungsrechtlich zulässigen Enteignung ergibt sich die weitere Feststellung, daß die Aufrechterhaltung einer einmal verfügten Enteignung verfassungsrechtlich unzulässig ist, wenn der öffentliche Zweck, zu dessen Verwirklichung das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorgesehen hat, tatsächlich nicht verwirklicht wird.
Dem durch Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz ist also zwar von vornherein die Einschränkung immanent, daß eine Enteignung zu einem vom Gesetz bestimmten öffentlichen Zweck unter den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Voraussetzungen möglich ist, diese Einschränkung ist aber ihrer Natur nach an die Voraussetzung geknüpft, daß der vom Gesetz bestimmte Zweck verwirklicht wird: wird dieser Zweck nach Ausspruch einer Enteignung nicht verwirklicht oder wird die enteignete Sache zu seiner Verwirklichung nicht benötigt, so fehlt die innere Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Enteignung und wird der verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsschutz uneingeschränkt voll wirksam.
In der Eigentumsgarantie des Art5 StGG ist somit auch die Rückgängigmachung der Enteign