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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Bauarbeiter-Schlechtwetter-Entschädigungsgesetz 1957, keine Anwendbarkeit des §10 Abs1 für im Ausland liegende Arbeitsstellen; subsidiäre Zuständigkeit des Arbeitsamtes nach §3 AVG; Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die beschwerdeführenden Baugesellschaften haben an ihre auf Baustellen im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer Schlechtwetterentschädigungen nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetter-Entschädigungsgesetz (BSchEG 1957, BGBl. 129/1957 in der Fassung BGBl. 219/1975) ausbezahlt. Sie beantragten beim Arbeitsamt Bau-Holz in Wien die Rückerstattung der ausbezahlten Schlechtwetterentschädigungen gemäß §8 Abs1 BSchEG.
Die Anträge bezogen sich in dem unter B548/79 protokollierten Verfahren auf Rückerstattung an die Firma Allgemeine Baugesellschaft A. P. AG für eine Baustelle in P., DDR, für den Abrechnungszeitraum September 1979, in den unter B16/80 und B292/80 protokollierten Verfahren auf Rückerstattung an die Firma U. Hoch- und Tiefbau AG und die Allgemeine Baugesellschaft A. P. AG für eine Baustelle in B., Ungarn, für den Abrechnungszeitraum August 1979 (B16/80) und Februar 1980 (B292/80).
2. Das Arbeitsamt Bau-Holz in Wien hat die Anträge wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Den dagegen fristgerecht eingebrachten Berufungen hat das Landesarbeitsamt Wien mit Bescheiden vom 10. Dezember 1979, 30. November 1979 und 8. Mai 1980 keine Folge gegeben.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gegründeten Beschwerden, und zwar die unter B548/79 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid vom 10. Dezember 1979, die unter B16/80 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. November 1979 und die unter B292/80 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid vom 8. Mai 1980, in denen die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung an den VwGH beantragt wird.
4. Der VfGH hat die Verfahren gemäß §§187 und 404 Abs2 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß §§4 ff. BSchEG haben die Dienstgeber den Arbeitern, die wegen Schlechtwetters einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Lohnausfall verbunden ist, in einem durch das Gesetz näher bestimmten Ausmaß und für eine gesetzlich näher bestimmte maximale Zahl von Stunden Schlechtwetterentschädigungen zu gewähren. Gemäß §8 Abs1 leg. cit. sind dem Dienstgeber auf Antrag die als Schlechtwetterentschädigung ausbezahlten Beträge zuzüglich eines Pauschbetrages (als Abgeltung für die in der Zeit des Arbeitsausfalles geleisteten Sozialabgaben) rückzuerstatten. Der Aufwand für diese Rückerstattungsbeträge wird durch Beiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer (Schlechtwetterentschädigungsbeitrag) und durch einen Beitrag aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gedeckt (§12 BSchEG).
2. In den gegenständlichen Fällen wurde unbestrittenermaßen für die auf im Ausland gelegenen Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer bzw. von diesen Schlechwetterentschädigungsbeiträge geleistet. Auch wurde den Arbeitnehmern von ihren Arbeitgebern die gesetzlich vorgesehene Schlechtwetterentschädigung gewährt. Die Anträge auf Rückerstattung der Schlechtwetterentschädigungsbeiträge wiesen jedoch das Arbeitsamt Bau-Holz in Wien und bestätigend die belangte Behörde mit der Begründung zurück, daß sich das Gesetz territorial nur auf das österreichische Bundesgebiet beziehe und daß daher nur arbeitsbehindernde atmosphärische Einwirkungen bzw. deren Folgewirkungen im Bereich des österreichischen Bundesgebietes das für die Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigung vorgesehene Verfahren auslösen könne. Damit wurde über diese Fragen nicht meritorisch entschieden; vielmehr hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Frage abgelehnt. Damit erweist sich die Frage, ob die Regelung des BSchEG auf Arbeitnehmer beschränkt ist, die auf Baustellen im Inland eingesetzt werden, als für die Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden rechtlich irrelevant.
3. a) Der Dienstgeber hat den Antrag auf Rückerstattung der Beträge gemäß §10 Abs1 BSchEG "bei dem nach der Lage der Arbeitsstelle zuständigen Arbeitsamt, in Wien beim zuständigen Facharbeitsamt, einzubringen".
Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, daß diese Bestimmung auf den Fall nicht anwendbar ist, in dem die Arbeitsstelle im Ausland liegt. Sie hat aber daraus zu Unrecht geschlossen, daß für einen derartigen Fall eine Zuständigkeit der Arbeitsämter überhaupt nicht gegeben ist. Denn soweit die Verwaltungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese nach §3 AVG. Diese subsidiäre Regelung der örtlichen Zuständigkeit im AVG greift auch im Bereich des BSchEG Platz, und zwar insoweit, als die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in diesem Gesetz unvollständig ist. Da für die Entscheidung über die Anträge auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen an Arbeitnehmer, die auf im Ausland gelegenen Baustellen beschäftigt wurden, im BSchEG eine ausdrückliche Regelung der örtlichen Zuständigkeit nicht vorhanden ist, ist in diesem Fall die suppletorische Bestimmung des §3 AVG anwendbar. Dabei kommt im vorliegenden Fall die Regelung der litb des §3 AVG in Betracht, derzufolge sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung bezieht, nach dem Ort, an dem diese Unternehmung betrieben wird, richtet. Denn die Rückzahlung von Schlechtwetterentschädigungen an Arbeitgeber zählt jedenfalls zu jenen Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb der jeweiligen Unternehmung beziehen.
Zur Entscheidung über die Anträge auf Rückerstattung war daher das Arbeitsamt des Ortes zuständig, an dem das antragstellende Unternehmen betrieben wird.
b) Die beiden beschwerdeführenden Unternehmungen werden unbestrittenermaßen in Wien betrieben. Zur Entscheidung über ihre Erstattungsanträge war daher das zuständige Arbeitsamt im Bereich des Landesarbeitsamtes Wien berufen. Nach §3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 27. August 1976, BGBl. 508/1976, über die Errichtung von Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern und die Festsetzung ihrer Sprengel bestimmt sich die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Arbeitsamtes im Bereich des Landesarbeitsamtes Wien - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Fällen - nicht nach regionalen, sondern nach fachlichen Gesichtspunkten. Dementsprechend ist für die Entscheidung über die Anträge auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen für Arbeitnehmer, die auf im Ausland gelegenen Baustellen von Bauunternehmungen mit dem Betriebssitz in Wien beschäftigt sind, das Arbeitsamt Bau-Holz zuständig.
c) Die Beschwerdeführerinnen haben daher ihre Anträge auf Rückerstattung ausbezahlter Schlechtwetterentschädigungen an das zuständige Arbeitsamt gerichtet. Dieses hat die Anträge, obwohl es sachlich und örtlich zuständig gewesen wäre, zurückgewiesen. Den dagegen erhobenen Berufungen ist somit zu Unrecht der Erfolg versagt geblieben. Durch die Berufungsentscheidungen des Landesarbeitsamtes Wien, die die zurückweisenden Bescheide bestätigt haben, wurden daher den Beschwerdeführerinnen zu Unrecht Sachentscheidungen verweigert, worin nach der ständigen Judikatur des VfGH eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu erblicken ist (vgl. zB VfSlg. 3817/1960, 8451/1978).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis war auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerinnen nicht mehr einzugehen.
Schlagworte
Arbeitsrecht, Bauarbeiterschlechtwetterentschädigung, Behördenzuständigkeit, Bescheid Spruch, Bescheidbegründung, Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Auslegung eines BescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B548.1979Dokumentnummer
JFT_10198796_79B00548_00