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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Tir. Gemeindewahlordnung 1973, Ungültigkeit von Stimmzetteln gemäß §46 Abs3; fehlende Angabe des Wohnortes bei einem WahlwerberSpruch
Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.
Das Verfahren betreffend die am 23. März 1980 durchgeführte Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Mayrhofen (pol. Bezirk Schwaz) wird vom Beginn des Ermittlungsverfahrens an aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Kundmachung der Landesregierung vom 27. November 1979, LGBl. 74/1979, wurden für alle Gemeinden Tirols mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck die allgemeinen Wahlen der Gemeinderäte auf den 23. März 1980 ausgeschrieben.
Die Wahl war nach den Bestimmungen der Tir. Gemeindewahlordnung 1973 - TGWO 1973 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 24. Juli 1973, LGBl. 63/1973, über die Wiederverlautbarung der Tir. Gemeindewahlordnung 1967) idF der Landesgesetze LGBl. 43/1974, 36/1977 und 4/1980 durchzuführen.
Für die Wahl in der Marktgemeinde Mayrhofen (pol. Bezirk Schwaz) haben sechs Wählergruppen rechtzeitig Wahlvorschläge eingereicht, von denen je zwei miteinander verbunden (gekoppelt) worden sind, und zwar - in der Reihenfolge ihrer Einreichung - die Wahlvorschläge Nr. 1 und 5, 2 und 6, 3 und 4. Der Wahlvorschlag Nr. 2 trägt die Bezeichnung der Wählergruppe "Arbeiter, Angestellte, Beamte, Rentner und Pensionisten - ÖAAB - Mayrhofen-ÖVP", der Wahlvorschlag Nr. 5 die Bezeichnung der Wählergruppe "Mayrhofner Mitte, Bauern, Gewerbetreibende, Arbeiter und Angestellte" und der Wahlvorschlag Nr. 6 die Bezeichnung der Wählergruppe "ÖVP - Bauern, Wirtschaft, Zimmervermieter".
Der Wahlvorschlag Nr. 5 enthält in der Wahlwerberliste an 8. Stelle:
"Kröll Franz (Fischer-Franz) Penkenbahn-Angestellter" und dessen eigenhändige Unterschrift. In der von der Gemeindewahlbehörde vorgenommenen Kundmachung der Wahlvorschläge ist beim Wahlvorschlag Nr. 5 an 8. Stelle angeführt: "Kröll Franz Penkenbahnangestellter Mayrhofen, P.-Habeler-Str. 553".
Bei der Wahl sind insgesamt 1929 Stimmen abgegeben worden, davon 37 ungültige; von den 1892 gültigen Stimmen entfielen auf die einzelnen Wählergruppen (in der Folge als Liste bezeichnet nach der Reihenfolge der Einreichung der Wahlvorschläge) jeweils 720, 281, 280, 86, 222 und 303 Stimmen. Von den insgesamt zu vergebenden 14 Gemeinderatssitzen entfielen auf die genannten Listen jeweils 6, 2, 3, 0, 1 und 2 Gemeinderatssitze.
2. Die Wählergruppen "ÖVP - Bauern, Wirtschaft, Zimmervermieter" (Liste 6) und "Arbeiter, Angestellte, Beamte, Rentner und Pensionisten - ÖAAB - Mayrhofen-ÖVP" (Liste 2), vertreten durch ihre Zustellungsbevollmächtigten, fechten die Wahl mit einem als Beschwerde bezeichneten Schriftsatz an. Sie beantragen, die Wahl "in dem Umfang für nichtig zu erklären, daß bei Ermittlung der Wahlzahl und Verteilung der Mandate die auf die Liste 5 "Mayrhofner Mitte, Bauern, Gewerbetreibende, Arbeiter und Angestellte" entfallenden Stimmen als ungültig gewertet werden und somit eine Neuverteilung der Mandate erfolgt".
Sie beantragen auch Ersatz der Verfahrenskosten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH wurde der Wahlanfechtungsantrag dahin präzisiert, die Wahl vom Beginn der Auszählung der Stimmzettel an aufzuheben, und der Antrag auf Kostenersatz zurückgezogen.
Als "Anfechtungstatbestand" wird eine Verletzung der Bestimmung des Art141 Abs1 lita B-VG im Zusammenhang mit §46 Abs3 TGWO 1973 idF des ArtI des Landesgesetzes vom 15. 6. 1977, LGBl. 36/1977, geltend gemacht.
Auf dem Stimmzettel der Liste 5 "Mayrhofner Mitte, Bauern, Gewerbetreibende, Arbeiter und Angestellte" sei bei dem an 8. Stelle gereihten Kandidaten Franz Kröll kein Wohnort angegeben. Dieser Stimmzettel entspreche daher nicht der Bestimmung des §46 TGWO 1973. Bei dem genannten Kandidaten sei aber überhaupt keine Ortsbezeichnung angegeben. Der Stimmzettel sei somit auch im Hinblick auf das Gesetz vom 20. Mai 1974, LGBl. 43/1974, nichtig.
Das Ergebnis dieser Wahlanfechtung werde eine veränderte Verteilung der Gemeinderatssitze ergeben. Der Liste 6 würden statt bisher 2 nunmehr 3 Mandate zufallen. Da die Liste 2 mit der Liste 6 gekoppelt sei, würden diese beiden Listen zusammen künftig 5 Mandate haben. Daher sei auch die Antragsberechtigung der Liste 2 gegeben, die auch künftig wie bisher 2 Mandate haben werde.
3. Die Gemeindewahlbehörde hat eine Gegenschrift erstellt.
Während der Gemeinderatswahl, noch vor Auszählung der Stimmzettel, habe sich die Gemeindewahlbehörde mit dem Stimmzettel der Liste 5 befaßt. Bei Franz Kröll sei nicht nur sein Beruf, sondern auch der vulgo-Name "Fischer-Franz" angeführt worden. Unter diesem sei der Kandidat allgemein in Mayrhofen bekannt. Die Zusatzangabe sei deshalb erfolgt, weil es in Mayrhofen sehr viele Kröll gebe. In Mayrhofen sei im Vorjahr eine neue Hausnumerierung durchgeführt worden. Wenn also auf dem Stimmzettel bei dem Namen die Hausnummer stünde, wüßte fast niemand, welcher Kröll dies sei. Nun habe die Gemeindewahlbehörde erneut festgestellt, daß die ausreichende Identifizierung des Kandidaten durch die Anführung des Berufes und des vulgo-Namens gegeben sei. Aus der Liste 5 sei nur der an der 1. Stelle genannte Kandidat im Gemeinderat. Da der Kandidat Franz Kröll an 8. Stelle gereiht und die Identität ausreichend gegeben sei, könne man auch nicht von einer Irreführung der Wähler sprechen. Jeder Mayrhofner habe gewußt, um wen es sich handle.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Prozeßvoraussetzungen sind gegeben, die Wahlanfechtung ist zulässig. Daß der eingereichte Schriftsatz, der sich auf Art141 B-VG beruft und ausdrücklich eine Wahlanfechtung betrifft, mit Beschwerde und die Antragsteller mit Beschwerdeführer bezeichnet sind, ist prozeßrechtlich unbeachtlich.
2. Gemäß den Bestimmungen der TGWO 1973 besteht ein formaler Zusammenhang von Wahlvorschlägen und Stimmzetteln.
Ein von einer Wählergruppe eingebrachter Wahlvorschlag muß eine Wahlwerberliste enthalten, in der die Bewerber unter Angabe von Vor- und Zuname, Anschrift und Beruf angeführt sein müssen (§29 Abs3 lita); ein zugelassener Wahlvorschlag ist ortsüblich kundzumachen (§37 Abs1). Auch die von den Wählergruppen ausgegebenen Stimmzettel müssen die Namen aller Wahlwerber mit Angabe ihres Berufes und Wohnortes in der Reihenfolge des kundgemachten Wahlvorschlages enthalten (§46 Abs3). Gemäß dem Gesetz vom 20. Mai 1974, LGBl. 43/1974, über die Auslegung einer Bestimmung der Tir. Gemeindewahlordnung 1973 ist das im §46 Abs3 TGWO 1973 festgelegte Erfordernis der Angabe des Wohnortes in den von den Wählergruppen ausgegebenen Stimmzetteln auch dann erfüllt, wenn auf den Stimmzetteln bei den Wahlwerbern wenigstens der Ortsteil, die Straße, die Gasse oder der Platz oder, soweit Ortsteil, Straßen, Gassen und Plätze keinen Namen tragen, die Hausnummer angegeben ist.
Gemäß §52 Abs2 lita TGWO 1973 sind Stimmzettel, die den Bestimmungen des §46 Abs3 nicht entsprechen, ungültig. Nur die vom Wähler handschriftlich hergestellten Stimmzettel (siehe dazu §47 TGWO 1973) sind gemäß §52 Abs1 auch dann gültig und gelten als Listenstimmen, wenn sie die Bezeichnung einer Wählergruppe oder den Namen mindestens eines Wahlwerbers einer Wählergruppe unzweifelhaft erkennen lassen.
Der VfGH hat zu §46 Abs3 und §52 Abs2 lita der Tir. Gemeindewahlordnung 1967, LGBl. 19/1967 (gleichlautend wie in TGWO 1973) im Erk. VfSlg. 5805/1968 ausgeführt: "Die von der wahlwerbenden Gruppe Arbeiter- und Angestellten-Bund-Liste ausgegebenen Stimmzettel weisen zwar die Bezeichnung der Wählergruppe, die Namen aller Wahlwerber mit Angabe ihres Berufes, nicht jedoch die Angabe des Wohnortes des Wahlwerbers auf. Sie sind somit ungültig".
Diese Aussage entspricht den vom VfGH in langjähriger Rechtsprechung zum Wahlverfahren herausgearbeiteten Grundsätzen, wonach die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen strenge gebunden sind und die Bestimmungen der Wahlordnungen strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden müssen (vgl. aus jüngster Zeit Erk. VfSlg. 8853/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).
Das erwähnte Gesetz LGBl. 43/1974 bringt den Willen des Gesetzgebers klar zum Ausdruck, daß die gemäß §46 Abs3 TGWO 1973 erforderliche Angabe des Wohnortes der Wahlwerber auf den von den Wählergruppen ausgegebenen Stimmzetteln nur erfüllt ist, wenn wenigstens eine der angeführten Ortsbezeichnungen angegeben ist. Im Hinblick auf diese eingehende gesetzliche Regelung ist es ausgeschlossen, daß der VfGH bei Auslegung des §46 Abs3 TGWO 1973 einen von einer Wählergruppe ausgegebenen Stimmzettel, auf dem auch nur bei einem Wahlwerber die Angabe des Wohnortes oder einer entsprechenden Ortsbezeichnung fehlt, für gültig anzusehen in der Lage ist.
3. Der von der Wählergruppe Liste 5 ausgegebene Stimmzettel enthält an 8. Stelle die Eintragung: "Kröll Franz (Fischer-Franz), Penkenbahn-Angestellter", wobei hier anders als bei allen anderen der angeführten 28 Wahlwerber die Angabe des Wohnortes oder einer entsprechenden Ortsbezeichnung fehlt.
Der VfGH hat Erhebungen in der Richtung geführt, ob die in Klammer stehende Angabe (Fischer-Franz) als eine Angabe des Wohnortes - etwa iS einer ortsbekannten Hausbezeichnung - gedeutet werden könnte. Die von der Marktgemeinde Mayrhofen erteilte Auskunft schließt dies jedoch aus: Der Wahlwerber ist - ebenso wie schon sein gleichnamiger Vater - deshalb in der Gemeinde allgemein als Fischer-Franz bekannt, weil er als Fischer tätig ist; er wohnt nicht in dem seinerzeitigen Fischerhaus.
Die von der Wählergruppe Liste 5 ausgegebenen Stimmzettel entsprechen somit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.
Von den 222 für die Liste 5 abgegebenen Stimmen sind in 219 Fällen die von der Wählergruppe Liste 5 ausgegebenen Stimmzettel verwendet worden. Die Zählung der bei der Wahl mittels dieser Stimmzettel abgegebenen Stimmen als gültig war rechtswidrig.
4. Gemäß Art141 Abs1 B-VG und §70 Abs1 VerfGG 1953 hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluß war. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (aus jüngster Zeit Erk. VfSlg. 8853/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).
Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da auf die Liste 5 bei Ermittlung des Wahlergebnisses 1 Gemeinderatssitz entfallen ist.
Der Wahlanfechtung war daher stattzugeben und das Wahlverfahren vom Beginn des Ermittlungsverfahrens an aufzuheben (vgl. VfSlg. 5144/1965, 5805/1968, 7391/1974, 7434/1974).
Schlagworte
Wahlen, StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:WI2.1980Dokumentnummer
JFT_10198795_80WI0002_00